Eisstockschiessen
Ursula Rubi hat die Angst vor dem Siegen überwunden

Ursula Rubi vom ESC Solothurn nimmt die Saison als Doppel-Schweizermeisterin in Angriff. Die 60-Jährige ist nach wie vor erfolgshungrig. Wie viele Titel sie im Verlaufe ihrer langen Karriere gewann, weiss sie gar nicht genau.

Michael Schenk
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Ursula Rubi vom Eisstockschiessklub Solothurn ist auch im Alter von 60 Jahren noch hungrig nach Erfolg.

Ursula Rubi vom Eisstockschiessklub Solothurn ist auch im Alter von 60 Jahren noch hungrig nach Erfolg.

zvg

«Von aussen betrachtet», gibt die 60-Jährige zu, «sieht das Ganze nicht so spektakulär aus. Doch: «Es ist wie beim Bergesteigen, wer einmal vom Virus Eisstockschiessen befallen ist, der wird ihn nie mehr los.» Darum habe sie vor, noch lange dabei zu bleiben. Mit Fug und Recht – schliesslich nimmt die kaufmännische Angestellte bei der SUVA in Bern die Saison als amtierende Doppel-Schweizermeisterin (Einzel und Duo) in Angriff.

«Immer nach vorne orientiert»

Wie viele Titel sie im Verlauf ihrer langen Karriere total gewonnen hat, kann sich die Spielerin vom ESC Solothurn nicht erinnern. «Die Medaillen liegen alle zu Hause in einem Brotkorb.» Ein Korb vom Fassungsvermögen her für «Doppelpfünderli» anstatt Gipfeli gedacht. «Ich bin ein Mensch, der nicht rückwärts schaut, sondern sich immer nach vorne orientiert», sagt Rubi. Und trotzdem – an ihren ersten Meistertitel Anfang der 90er-Jahre kann sich die Sportlerin noch sehr gut erinnern.

Grenzen gesprengt

Es war damals in Chur. «Bist zu dem Moment konnte ich mir gar nicht vorstellen, dass ich jemals Schweizermeisterin werden könnte – das schien mir unmöglich. Doch dann habe ich erfahren, dass es möglich ist.» Für sie sei das gewesen wie eine Bewusstseinserweiterung – der Horizont hat sich ihr förmlich neu eröffnet. «Von da an wusste ich, dass ich immer gewinnen kann.» Und das hat sie dann bis heute auch immer wieder getan. Sie hat die Angst vor dem Sieg, der so oft im Sport zu beobachten ist, überwunden.

Logisch, dass insofern die Hoffnung auch heuer Richtung Goldmedaille an der Schweizermeisterschaft Ende Januar in Wichtrach geht. «Wenn ich es unter die besten Fünf schaffe, dann ich bin ich zufrieden», sagt die im Berner Oberland lebende Rubi. Was mehr komme, das nehme sie natürlich gerne.

Jüngere Konkurrenz als Motivation

Im Duo ist sie zusammen mit ihrer Partnerin, Dedée Weyermann, die Nummer 1 im Land. Im Einzel gibt es nebst ihr und ihrer Duo-Partnerin auch noch andere Spielerinnen, die Ambitionen auf den Meistertitel hegen dürfen. «Mich gegen die jüngere Konkurrenz zu behaupten, ist eine grosse Motivation für mich», sagt Ursula Rubi. Wobei sie heute eher auf Erfahrung, Taktik und Technik baue denn auf Kraft.

Früher habe sie sich fürchterlich aufregen können, wenn ihr ein Schuss daneben ging. «Ich habe mich aufgeführt, wie man es bisweilen von Tennisspielern kennt», schmunzelt sie. Also volle Kanone in die Bande getreten und so ... «Inzwischen kann ich mich sehr gut beherrschen», sagt die Spitzen-«Stöcklerin». Sie lasse sich nach einem Fehler gar nichts mehr anmerken. Ganz nach dem Champions-Motto: «Der nächste Schuss ist wieder der Beste.» Diesen Reifeprozess hat Ursula Rubi dank mentalem Trainings gelernt. So ist sie für die Konkurrenz viel weniger lesbar als früher.

Erfolgs-Hunger bleibt

Selbst wenn die pensionierte Sportlerin, die auch gerne Ski fährt oder durch die Berge steigt und wandert, eisstocktechnisch etwas kürzer tritt als zu früher und international keine Ambitionen mehr hegt, ist ihr Hunger nach Erfolgen noch längst nicht gestillt. «Auch wenn ich nach einem Meistertitel am Montagmorgen genau gleich ins Büro muss, wie sonst auch.»

Sportart mit Suchtpotenzial

Eisstockschiessen ist vom Regelwerk her ein Mix aus Pétanque und Boccia. Das Spiel bleibt oft bis zuletzt offen, weil das Ziel – die Daube – im Spiel verschoben werden kann. «Eine Spezialität von Ursula ist es», sagt ihre Duo-Partnerin Dedée Weyermann «die Daube zu unseren Stöcken zu ziehen.»

Insofern hat diese Wintersportart, die bis ins 16. Jahrhundert zurückgeht, auch etwas von «Mensch ärgere Dich nicht.» Auf jeden Fall aber hat sie Suchtpotenzial bis ins hohe Alter – oder wie es eine andere Kollegin von Ursula Rubi sagt: «Wenn ich einmal nicht mehr stöckeln kann, bin ich gestorben.»