Startseite
Sport
Sport (SZ, GT, OT)
Servette gewinnt 4:1 und braucht noch einen Sieg für den ersten Finaleinzug seit 2010. Den Genfern gelingt ein perfektes Spiel.
Beginnen wir mit einem polemischen Vergleich. Hätte die Credit Suisse in den letzten Jahren bei der Kredit-Vergabe bloss so sehr jedes Risiko gescheut wie Servette und die ZSC Lions gestern Abend. Dann wäre die Bank sozusagen ein Leuchtturm der Finanzwirtschaft. Coaches lacht bei solchen Partien das Herz im Leibe.
Das Primat der Taktik über die spielerische Freiheit. Hat je eine Mannschaft dieses unberechenbare Spiel so sehr kontrolliert wie gestern Servette? Vielleicht der «Schablonen-SCB» in den besten Zeiten unter Kari Jalonen. Aber nur vielleicht. Servette ist ein perfekte Spiel gelungen. Defensiv und offensiv.
Defensiv durch die Besetzung der freien Räume. Die ZSC Lions haben in diesem Halbfinal bei fünf gegen fünf noch kein Tor erzielt. Offensiv durch Tore in allen Varianten (nach Abpraller, durch Direktschuss, nach Konter).
Und für einmal haben wir den Beweis, dass eine Mannschaft einen Torhüter besser machen kann. Daniel Manzato (37) steht im Spätherbst seiner Karriere. Während der Qualifikation ist er gerade mal in neun Spielen eingesetzt worden und hat 23 Treffer (2,79 pro Spiel) zugelassen. Nun ist er in vier Playoffpartien erst zweimal bezwungen worden.
Der erfahrene letzte Mann mit dem schlauen Winkelspiel war gestern einmal mehr das letzte, perfekt passende Teilchen in Servettes defensiven Puzzle. Und einmal, in einer entscheidenden Phase, noch beim Stande von 1:0, rettet er mit Hilfe der Hockeygötter und lenkt die Scheibe mit der Spitze seines Schlittschuhs zur Seite.
Praktisch im Gegenzug fällt das 2:0. Weil Ludovic Waeber mit der Spitze seines Schlittschuhs den von Tyler Moy abgelenkte Puck eben nicht mehr erreicht. Womit wir zum nächsten Punkt kommen: Die ZSC Lions waren nicht chancenlos. Aber warum hat es doch nicht gereicht? Immerhin waren der kanadische Verteidiger Maxim Noreau und Nationalstürmer Denis Hollenstein – sie fehlten im ersten Spiel – wieder dabei.
Polemik ist in diesem Fall billig. Hinterher, wenn alle klüger sind, können wir sagen: Die Zürcher haben zu wenig riskiert. Sie haben es mit einer kontrollierten, taktisch geprägten Spielweise dem Gegner einfach gemacht und am Ende das Geduldsspiel verloren.
Aber die Frage ist eben auch: Ist es überhaupt möglich, Servettes Abwehr mit höherem spielerischem Risiko aus den Angeln zu heben? Mit einem wilden «Run and Gun»-Spektakel? Wahrscheinlich nicht. Die kontrollierte Spielweise der Genfer täuscht darüber hinweg, dass diese Mannschaft sehr wohl zu offensivem Spektakel fähig ist.
Wehe dem, der Räume offenlässt. Der vierte Treffer, in Vorbereitung und Vollendung eine spielerische Sinfonie, zeigt auf, was passieren kann, wenn sich die Zürcher zu weit vorwagen: Ryan Lasch verliert die Scheibe in der Zone der Genfer und das elegante «Kufentier» Linus Omark vollendet zum 4:0. Dieser Treffer hat erneut Symbolcharakter: Torhüter Ludovic Waeber wird ausgewechselt. Servette hat für 4 Tore bloss 20 Abschlussversuche benötigt. Aber Waeber war kein Lottergoalie. Er war chancenlos.
Servette braucht noch einen Sieg für den ersten Final seit 2010. Ist schon alles vorbei? Nein. Noch nicht. Die Hockeygötter müssten sich schon gegen die ZSC Lions verschwören, wenn sie den Genfern noch einmal ein so perfektes Spiel ermöglichen. Gehen beide Halbfinals morgen zu Ende, wird der Final Zug gegen Servette im Modus «Best of Seven» gespielt.