Derzeit verhandeln weltweit Athleten mit ihren nationalen olympischen Verbänden, wie weit ihre persönliche Vermarktung an Olympischen Spielen gehen darf. In Deutschland, den USA und Australien meldeten die Parteien eine Einigung, in Grossbritannien hingegen ziehen die Sportler gegen den eigenen Dachverband vor Gericht. Und in der Schweiz?
Auch hierzulande zeigen sich die Athleten einer internationalen Tendenz folgend zunehmend selbstbewusst. «Wir wollen mindestens die gleiche Regelung wie die deutschen Sportler», sagt Ulrich Kurmann unmissverständlich.
Er ist zusammen mit Martina Van Berkel Co-Präsident der Athletenkommission von Swiss Olympic. Aufgrund der bisherigen Diskussionen glaubt Kurmann, «dass wir in der Schweiz einen Konsens finden». Als letztes Mittel der Athleten ist der Weg zur Wettbewerbskommission denkbar.
Ein Gerichtsurteil bringt das IOC in Bedrängnis
Ausgelöst wurde die rege Sportdiplomatie zwischen Verbänden und Athleten durch ein Urteil des deutschen Bundeskartellamts im Februar 2019. Geklagt hatten Athleten und der Verband der deutschen Sportartikelindustrie. Das Gericht entschied, das Internationale Olympische Komitee (IOC) missbrauche seine marktbeherrschende Stellung und verstosse mit der Regel 40 der Olympischen Charta gegen das Kartellrecht.
Das IOC reagierte einerseits im Juni 2019 mit einer bescheidenen Lockerung der Bestimmungen. Andererseits teilten die Gralshüter der fünf Ringe den nationalen Sportverbänden mit, sie alle müssten bei der Umsetzung der Richtlinien individuelle Lösungen finden, welche die gesetzlichen Vorgaben im Land berücksichtigen, aber auch die eigenen Bedürfnisse und die Interessen des IOC.
Die Regel 40 der Olympischen Charta ärgert Sportler weltweit seit Jahren. Mit den darin enthaltenen Zulassungsbestimmungen will das IOC seine Marke schützen und den Sponsoren Exklusivität garantieren. Für die Athleten bedeutet die Regel 40 ein umfangreiches Werbeverbot.
Rigorose Vorschriften auf allen Ebenen
Ihnen wird nicht gestattet, ihren Namen, ihr Image oder ihre Leistung für Vermarktungszwecke zu verwenden. Keine Werbung mit olympischen Symbolen, keine Grussbotschaften an Sponsoren, rigorose Vorschriften beim Auftritt in Sozialen Medien. Selbst die Nennung von Wörtern wie Medaille oder Gold ist verboten.
Die neuen Bestimmungen sollen nun etwa Dankes- und Gratulationsbotschaften mit persönlichen Sponsoren ermöglichen. Ebenso ist die Liste der verbotenen Begriffe erheblich kürzer. Und das IOC darf zukünftig bei Streitigkeiten mit Athleten keine sportlichen Sanktionen mehr aussprechen.
Bei Swiss Olympic kommt das Thema an der Sitzung des Exekutivrats vom 16. Januar 2020 auf die Traktandenliste. Athletenvertreter Kurmann ist Mitglied dieses Gremiums. Bereits diese Woche wurde der Geschäftsführung ein juristisches Gutachten präsentiert, das Swiss Olympic in Zusammenarbeit mit Jurist Kurmann in Auftrag gab.
Dieses lässt verschiedene Wege zur Umsetzung offen. «Wir wollen eine sorgfältig erarbeitete Lösung», sagt Alexander Wäfler, der Leiter Medien und Information. «Wir müssen darauf achten, dass es zu keiner Benachteiligung unserer Athleten gegenüber den ausländischen Konkurrenten kommt», sagt der ehemalige Weltklasse-Kunstturner Mark Ramseier, der Leiter Rechtsdienst bei Swiss Olympic.
Nur kleine Abhängigkeit von Sponsoren
Der Verband befindet sich in einem heiklen Spannungsfeld zwischen Athleten und dem IOC, das seinen Sitz in Lausanne hat. «Wären wir in Peru, käme es wohl weniger auf jedes Detail an», sagt ein nicht genannt sein wollender Mitarbeiter von Swiss Olympic.
Andererseits kann sich die Schweiz eine gegenüber den Athleten grosszügige Regelung leisten, weil Swiss Olympic im Unterschied zu anderen olympischen Verbänden sein Budget von rund 77 Millionen Franken nur zu gut 5 Prozent über Sponsorengelder finanziert.
Ulrich Kurmann erwartet von Swiss Olympic eine klare Positionierung für das Anliegen der Sportler. «Die bisherige Regel ist klar rechtswidrig. Das IOC kann Swiss Olympic nicht zwingen, dieser zu folgen.»