Die britische Kultband Barclay James Harvest dreht an ihrem Konzert im Kofmehl Solothurn erst gegen Konzertschluss auf.
Auf dem Parkplatz neben der Kulturfabrik stehen fast ausschliesslich Autos anstelle der üblichen Fahrräder und Mofas – ein zuverlässiger Indikator dafür, dass das Kofmehl mal wieder Musik für ältere Semester auf dem Programm stehen hat.
Ein freudiger Augenblick also, denn es ist immer wieder schön, wenn Helden vergangener Tage mit einem Hauch von Nostalgie ihre Hymnen von damals hervorkramen. Diesmal sind es Barclay James Harvest featuring Les Holroyd, die der Barockstadt ein Ständchen spielen und alte Zeiten aufleben lassen (siehe Kasten).
Und pflichtbewusst pilgern sie, viele jüngere Fans, aber schon hauptsächlich die Begeisterten von einst. Da begrüsst man sich auch mal mit «He, du aute Cheib» und witzelt «Früher hatte ich auch noch mehr Haare» – wohl in Anspielung auf die makellos wallende Mähne von Sänger Les Holroyd. Das Kofmehl ist ausverkauft, die Halle randvoll mit Zuschauern und hohen Erwartungen.
Anfänglich verhaltene Stimmung
Doch Stimmung will anfänglich nicht wirklich aufkommen. Natürlich werden Klassiker gespielt, allen voran «Mockingbird»; man freut sich und applaudiert.
Aber die Band wirkt wenig enthusiastisch, Holroyds Stimme schlittert an so manchem hohen Ton vorbei und die Songauswahl sorgt kaum für Dynamik: im ersten Teil des Konzerts verzichten Barclay James Harvest völlig auf energiegeladene Lieder, lullen das Publikum in sphärische Keyboard-Klänge, langsame Gitarrensoli und verträumte Melodien ein.
Die Band verändert sich
Das schafft zwar ein gewisses dramatisches Ambiente, aber je nach Zuschauer vermag dieser Schuss durchaus nach hinten loszugehen. «Es kann ja eigentlich nur noch besser werden», bemerkt etwa eine Frau während der Pause. Und sie soll recht behalten. Die Band, die nach der Unterbrechung auf der Bühne steht, scheint verändert.
Stimmung nach der Pause
Während zuvor einzig Gitarrist Michael Byron-Hehir den Eindruck gemacht hat, als hätte er Freude an seinem Job, wirken nun alle frisch und motiviert. Allmählich baut sich die Spannung auf; das erste schnellere Lied des Abends, «Love On The Line», sowie die nun folgenden wuchtigen «That Was Then, This Is Now» und «Tonight’s Gonna Be The Night» werden frenetisch beklatscht. Byron-Hehir kann endlich zeigen, was in seinen Fingern steckt, und Holroyds Stimme scheint nun ebenfalls warmgesungen zu sein.
Aber dann ist die offizielle Set-Liste auch schon zu Ende. Ein inzwischen überzeugtes Publikum schreit nach Zugabe, will natürlich die Songs hören, derentwegen ein grosser Teil der Zuschauer überhaupt gekommen ist – und wird nicht enttäuscht.
Jubel für gefühlvolle Balladen
Hände schiessen in die Höhe als die Musiker zurückkehren, um «Hymn» und «Life Is For Living» zu spielen, bei denen kräftig mitgesungen wird. Mit ganz so viel «Pfupf» wie etwa «Jethro Tull», «Uriah Heep» oder andere Altrocker treten «Barclay James Harvest» zwar immer noch nicht vor ihre Fans, aber das erwartet auch kaum jemand von einer Band, die mit gefühlvollen Balladen berühmt wurde.
Die Strategie ist ohnehin aufgegangen: Nach zwei Riesenhits zum Abschluss ist der bleibende Eindruck der Show ein positiver, vergessen ist der etwas zähe Beginn.
Trotzdem ist die Frage berechtigt, weshalb man sich die zwei erfolgreichsten Songs fürs Ende aufhebt und nicht einen davon etwas früher im Konzert verbrät, um die Stimmung anzuheizen. Denn damit läuft die Band Gefahr, ein ansonsten lebendiges und hochwertiges zweistündiges Konzerterlebnis gegen das Zelebrieren von fünfzehn Minuten Ruhm während der Zugabe einzutauschen.