Wolfwil
War Pisoni wirklich mit von der Partie?

Der «Kunstführer der Schweiz» ist nicht auf dem neusten Wissensstand. So ist nicht nachgewiesen, ob Antonio Pisoni wirklich an der Renovation des Gasthof zum Kreuz mitgewirkt hat.

Erich Schenker
Drucken

Solothurner Zeitung

Schade, dass der Kunstführer der Schweiz von 1975 nur als Reprint neu aufgelegt wurde. Seit Gottlieb Lörtschers Vorstellung der Kulturgüter des Kantons Solothurn sind neue Erkenntnisse ans Licht gekommen, wie das Beispiel des ehemaligen Gasthofs zum Kreuz in Wolfwil zeigt: «Herrschaftlicher Landsitz an alter Burgstelle, nach Plänen von Antonio Pisoni, um 1780; restauriert 1968. Bewohnt von Landammann Alois Reding; hernach Taverne. Dreigeschossiger, vierachsiger Baukubus unter abgewalmtem Mansarddach, mit angebauter Scheune und französischem Garten gegen die Aare hin. Gediegenes Gartenportal. Grosser Verteilerbrunnen von 1867. Im Innern altes Treppenhaus; Täferzimmer mit Cheminée und Bilder-Kachelofen.»

Pisonis Wirken nicht belegt

Der Heimatforscher Jules Pfluger (1916–2008), Bruder der Volkskundlerin Elisabeth Pfluger, hatte 1983 in den «Jurablättern» Nachforschungen veröffentlicht. Er hielt fest: «Wohl selten ist über ein Gebäude so viel Unzutreffendes ausgesagt worden, wie über das Gasthaus zum Kreuz in Wolfwil.» Es sei nicht nachgewiesen, dass hier eine Burg gestanden hatte. Die Flurbezeichnung «burggraben» im Zusammenhang mit der östlich stehenden Mühle wurde noch nicht bestätigt.

Alt Landvogt Joseph Anton Wagner (1657–1705) war ab 1696 nachweislich Besitzer der Mühle, der Fähre und des Grundstückes. Darauf stand über dem Aarebord wohl das Stöckli, gewiss aber eine alte Scheune, die 1733 Frau Landvögtin Wagner zuerst durch die heute noch bestehende ersetzen liess. Erst danach baute ihr Sohn alt Landvogt Ludwig Joseph Wagner zwischen 1740 und 1743 das vorerst wohl nur zweistöckige Landhaus daran an. Wie er für die Wolfwiler Kirche, so war auch dessen neuer Besitzer und Landvogt zu Bechburg, Felix Friedrich Valentin von Roll von Emmenholz (1719–78), ein Wohltäter für arme Kinder.

Am 1781 ersteigerte Stadthauptmann Johann Jost Anton Roggenstill (1732–1794) das ganze Gut. Er dürfte die Erweiterung mit Aufstockung vorgenommen haben. 1790 verkaufte er den Mühleteil an Urs und Jacob Rauber. Im gleichen Jahr bewilligte der Rat Holz, wohl für einen Dachstuhl oder Mansardfenster. Falls Paolo Antonio Pisoni (1738–1804) an der Renovation mitgewirkt hatte, dann vielleicht beim Plan für den «imposanten Dachstuhl und eine nicht lokalisierte Erweiterung des Altbaus». Nachgewiesen ist dies jedoch nicht.

Mit Landammann von Reding

Nach Roggenstills Tod 1794 erbten die Töchter Gertrud und Franziska den Landsitz. Die Jüngere, Maria Anna Franziska, heiratete am 21. Oktober 1805 den Helden von Schindellegi und Rothenturm, den ersten Landammann der Helvetischen Republik von 1801: Alois von Reding aus Schwyz (1765–1818). Gleichentags sollen die Neuvermählten schon nach Schwyz abgereist sein. Der viel beschäftigte Diplomat an den mächtigen Fürstenhöfen Europas hatte somit nur einmal nachweislich im Landsitz seiner Braut genächtigt.

In den Jahren 2003 und 2006 wurde das Haus durch die neuen Besitzer unter Einbezug der kantonalen Denkmalpflege sorgfältig renoviert. Entstanden ist ein Seminarzentrum mit Praxis für Alternativmedizin.