Integrative Schule
Überzeugungsarbeit bei Kantonsräten

Das Bildungsdepartement verschickt knapp vor der Session ein Info-Schreiben. Sie hat Angst vor weiteren Verzögerungen bei der Einführung der Speziellen Förderung.

Elisabeth Seifert
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Solothurner Zeitung

Eine Lawine von Vorstössen ist in den letzten Wochen über das Bildungsdepartement hereingebrochen. Für Kopfzerbrechen sorgt die Umsetzung der integrativen Schulung bzw. die Rahmenbedingungen für die Einführung der «Speziellen Förderung» per 1. August 2011. In der morgen beginnenden Session des Kantonsrats steht das Veto der Linken gegen die entsprechende Änderung der Vollzugsverordnung zum Volksschulgesetz auf dem Programm. Weiter ist eine Interpellation, ebenfalls vonseiten der SP, traktandiert.

Die Kritik kristallisiert sich an der vom Bildungsdepartement festgelegten Anzahl Förderlektionen für schulische Heilpädagogik, Logopädie und allgemeinen Förderunterricht. Bemängelt wird zudem das Fehlen konkreter Umsetzungshinweise sowie, ganz allgemein, die Informationspolitik des Departements. Harte Diskussionen im Rat sind vorprogrammiert, zumal sich die Unzufriedenheit nicht auf die Ratslinke beschränkt, hängig ist ein Auftrag der SVP und schliesslich hat die organisierte Lehrerschaft einen Volksauftrag lanciert.

«Verständliche Informationen»

Die Gefahr also ist gross, dass die Einführung der Speziellen Förderung, zumindest, weiter verzögert wird. Eine Gefahr, die – jetzt – offenbar auch im Bildungsdepartement als solche erkannt worden ist. Ein attraktiv gestalteter vierseitiger Flyer wird dieser Tage an sämtliche Kantonsparlamentarier sowie Schulleiter verschickt. Überschrieben mit «Kompetenzen fördern, Ziele erreichen», will er den Kantonsrat für die fristgerechte Umsetzung gewinnen.

«Nach endlosem Nachfragen kommt jetzt endlich etwas», sagt Albert Arnold, Präsident des Verbandes Schulleiterinnen und Schulleiter Solothurn (SO-VSL). «Der Flyer bietet klare und verständlich aufbereitete Informationen zu verschiedenen Aspekten der Speziellen Förderung.» Und: «Man kann nur hoffen, dass auch künftig auf ähnliche Art und Weise informiert wird.»

«Die Grundlagen für die Umsetzung der Speziellen Förderung sind vorhanden und jetzt setzt sich aus vielen Mosaiksteinchen ein Bild zusammen.» Kurt Rufer, Bereichsleiter Sonderpädagogik im Amt für Volksschule und Kindergarten (AVK) und als solcher mit der Projektleitung der Speziellen Förderung betraut, ist überzeugt, dass allen Unkenrufen zum Trotz die integrative Schulung auf guten Weg ist. Mit dem Flyer wolle man vor allem zur Klärung der Steuerungsmechanismen bzgl. der zur Verfügung gestellten Ressourcen beitragen. «Die Bösen sind nämlich nicht wir – wir setzen nur die Vorgaben anderer um», betont Rufer. Die Verantwortung für die Grösse des Förderlektionen-Pools liege beim Kantonsrat, der dem AVK ein bestimmtes Budget genehmigt. Die Gemeinden tragen etwas mehr als die Hälfte der Kosten. Der Kanton subventioniert die gesprochenen Lektionen.

Beschleunigte Einführung

Derzeit ist der Planungsprozess für das nächste Schuljahr voll im Gang. Unter anderem dokumentieren die Schulträger, ob und auf welchen Schulstufen sie ab August 2011 ihre Einführungs- und Kleinklassen aufheben bzw. die Spezielle Förderung einführen. Für die vollständige Umsetzung vom Kindergarten bis zum Ende der Primarstufe gibt ihnen das AVK Zeit bis zum Schuljahr 2014.

«Für uns sehr erfreulich ist, dass viele Schulträger eine beschleunigte Einführung befürworten», sagt Kurt Rufer; das, nachdem die Unterlagen von 90 bis 95 Prozent der Schulträger beim AVK eingetroffen sind. «Beschleunigt» heisst: Sie planen bereits ab kommendem Schuljahr die Einführung der Speziellen Förderung auf allen Stufen. Rufer: «Wir werten dies als Vertrauen in unser Projekt.» Andererseits gibt es einzelne Gemeinden, die mit dem Start noch ein Jahr zuwarten möchten.

Pensenpool bleibt Knackpunkt

Mehrere Schulträger haben auch bereits gemeldet, wie viele Förderlektionen sie brauchen. Während das so genannte Grundangebot für alle Schulen bzw. Gemeinden verpflichtend ist, müssen Lektionen, die darüber hinaus gehen von den Gemeinden bewilligt werden. Bis zu einer bestimmten Obergrenze werden auch diese vom Kanton ohne Weiteres subventioniert. «Die Gemeinden, bei denen das Maximalangebot nicht ausreicht, lassen sich an einer Hand abzählen», so Rufer. «Für diese werden wir Übergangslösungen suchen.» Und was die übrigen Schulträger betrifft: «Wir schätzen, dass unsere Berechnungen aufgehen und die Schulen mittelfristig ca. 60–80 Prozent des Maximalangebots ausschöpfen.»

Eine Schätzung, der Schulleiterpräsident Albert Arnold nicht vertraut. «Ich habe die Rückmeldung, dass sehr viele Schulleiter bei ihren Gemeinden das Maximalangebot beantragt haben, was von diesen dann auch bewilligt worden ist.» Unabhängig davon stört sich der Schulleiterverband, aber auch der Verband der Solothurner Einwohnergemeinden (VSEG) sowie der Verband Lehrerinnen und Lehrer Solothurn (LSO) ganz grundsätzlich an der Bandbreite zwischen Grund- und Maximalangebot. «Wir haben die Befürchtung, dass vor allem reichere Gemeinden das Maximalangebot voll beanspruchen», sagt Albert Arnold. «Das aber führt zu ungleichen Bildungschancen.»