Gregor Thalmann aus Solothurn gewann einen Auch für viel Geld ist sonst nicht möglich, was der 24-jährige Student Gregor Thalmann aus Solothurn durfte: mit der Patrouille Suisse, der Kunstflugstaffel der Schweizer Armee, mitfliegen.
«So etwas gab es bisher noch nie und wird es auch so schnell nicht wieder geben», sagt Oberstleutnant Daniel Hösli, Kommandant der Patrouille Suisse. Bei ihm im Tiger-Doppelsitzer konnte diese Woche ein ziviler Passagier in der Formation der legendären Kunstflugstaffel Platz nehmen - und auch gleich noch mit der ganzen Staffel Kunstflugfiguren des aktuellen Programms mitmachen. «Ein absolut grossartiges Erlebnis!», schwärmt Gregor Thalmann nach dem 40-minütigen Flug, der am Dienstag bei besten Wetterverhältnissen stattfinden konnte. Inklusive Nachtessen mit dem ganzen Patrouille- Suisse-Team, den besten Militärpiloten unseres Landes.
Gewonnen hat Thalmann den Flug an der Roger-Federer-Gala im vergangenen Dezember, die vom Schweizer Fernsehen übertragen wurde. «Zuerst habe ich nicht so recht geschnallt, was das wirklich bedeutet», erzählt der 24-jährige Solothurner Medizinstudent. Mit Fliegerei hatte er bisher nicht so viel zu tun. Wohl aber mit Tennis, das er gerne bei Sporting Derendingen spielt.
Nachdem der Gewinn bekannt wurde, war auf Thalmanns Facebook-Seite der Teufel los. Bis 20000 Franken wurde geboten für den Tag als «Top Gun». Doch nix da. Obwohl zunächst mit einem leicht mulmigen Gefühl: den Flug wollte der junge Solothurner erleben. Nach- dem der fliegerärztliche Test am 6. April erfolgreich verlief, stand nichts mehr im Weg.
Eigentlich eher ein Tennis-Typ
Zu Patrouille-Suisse-Kommandant Dani Hösli (53), einem quirligen Charmebolzen mit rund 5000 Stunden Flugerfahrung, war das Vertrauen rasch gefunden. Für Hösli war die Verlosung eines Fluges eine Werbeaktion zur besten Sendezeit. Allerdings auch mit einem gewissen Risiko verbunden: «Ein 80-jähriges Grosi oder einen Zweitklässler hätten wir nicht mitnehmen können.»
Gregor Thalmann und seine Familie konnten den ganzen Tag auf der Homebase der Patrouille Suisse (PS) in Emmen (LU) verbringen. Das Morgentraining konnte man vom Logenplatz aus verfolgen: mit dem Beobachtungsteam, das per Helikopter auf die Schrattenfluh (2000 m) gebracht wurde. Alle Trainings werden gefilmt und im anschliessenden Debriefing besprochen. Dabei zeigt sich, ob neue Figuren auch wirklich effektvoll sind oder wo es mit der Präzision allenfalls noch hapert.
Die PS benutzt für ihr Programm ausser der Uhr keine elektronischen Hilfsmittel. Die Orientierung erfolgt an Geländepunkten. Loopings fliegen, Flügel an Flügel, erfordert höchste Konzentration und volles Vertrauen zu den Piloten rechts und links. Taktgeber ist Hptm Marc Zimmerli («Tiger Uno»). An ihm richtet sich die Formation aus: bei 900 km/h bis auf 3 Meter von Flügelspitze zu Flügelspitze. Das erlaubt nicht den kleinsten Fehler.
Die Atmosphäre während des ganzen Tages zeigt: die Patrouille Suisse ist auch am Boden ein Team. Zur fliegerischen kommt die Sozialkompetenz. Im unbefangenen, ja jovialen Gespräch mit den Gästen wird auch gescherzt. Man ist mit allen per Du. Verschiedene Dialekte sind zu hören.
Volle Konzentration dann beim Briefing für das Nachmittagstraining. «Zimi» geht mit den Piloten das Programm durch. Mit geschlossenen Augen rufen diese die Flugfiguren innerlich ab. Einzelne deuten mit der Hand ihre Flugbewegung an. Auch Gregor Thalmann sitzt am Tisch. Ob er ahnt, dass er auch für kurze Zeit an den Steuerknüppel darf?
Natürlich nicht in der Formation. Doch davon später. Vor dem Mittagessen wurde der angehende Co-Pilot nämlich noch mit der vollen Montur eingekleidet: Fliegerkombi, Anti-G-Hose, Schwimmweste, Fallschirm, feuerfeste Handschuhe und Helm. Dazu eine Sitzprobe auf dem Rücksitz des Tiger F 5-Doppelsitzers, der im Gegensatz zu den anderen Fliegern in Tarnfarbe daherkommt, weil die Staffel sonst nur Einsitzer fliegt. Gunnar Jansen (Flügelmann links, «Tiger Tre») erläutert ihm auch die gesamte Sicherheitsausrüstung und das Bordfunksystem für die interne Kommunikation.
Top im Tiger
«Der Tiger ist für uns nach wie vor ein ideales Flugzeug, auch wenn er für Kampfeinsätze nicht mehr up to date ist», erklärt Hösli. Die schlanken und eleganten Flieger brauchen nur etwa halb so viel Kerosin wie ein F/A 18. «Eine Win-Win-Situation», sagt Hösli: «Die Flugstunden müssen die Piloten so oder so machen, aber der CO2-Ausstoss ist hier halb so hoch, die Kosten viel tiefer.»
Beim Mittagessen stösst Gregors Mutter Irene dazu, Vater Philipp und die Schwestern Simone (23) und Madeleine (21) sowie einige Schulkollegen sind schon seit dem Morgen dabei. Die Anspannung steigt. Thalmann lässt sich allerdings nichts anmerken. Er habe auch gut geschlafen letzte Nacht, meint er. Beim Essen hält er sich allerdings zurück. Der Magen wird noch genug Stress haben heute.
Der Startzeitpunkt von 14.30 Uhr rückt näher. Die Crew begibt sich zu den Maschinen, die inzwischen vom Bodenpersonal aufgetankt wurden. Jetzt gilts ernst. Nochmals wird die Ausrüstung geprüft, Thalmann weiss schon, wie einsteigen. Pilot Dani Hösli nimmt zuletzt Platz. Die Druckluft-Starter versetzen die beiden General-Electric-Triebwerke mit zusammen 4500 kg Schub in Rotation. Aufheulend begeben sich die sechs Maschinen der Patrouille Suisse auf den Taxiway, Hösli und Thalmann folgen. Vom Ostende der Piste ist ein dumpfes Grollen zu hören. Einige Sekunden später donnern die Tiger über die Köpfe der Zuschauer hinweg und nehmen Kurs Richtung Entlebuch.
Es wird still auf dem Flugplatz Emmen. Während die Staffel ihr Programm fliegt, versucht man in der Familie, Gelassenheit zu zeigen. So ganz will es nicht gelingen. «Ob Gregor ein Looping ‹prästieren› kann, wenn es ihm als Bub auf der Schaukel schon schwindlig wurde?», scherzt Schwester Simone. Philipp Thalmann erzählt, wie er seine Frau beim Fallschirmspringen im Tessin kennenlernte. Es gibt also doch Fliegergene in der Familie.
Nach knapp 40 Minuten kommt Hektik auf. Im Tiefflug donnert die Patrouille über die Pistenachse - Thalmanns Flieger diesmal an der Spitze! «Das war die Schlussvorführung für unsere Gäste», sagt Hösli später.
«Es war anstrengend, ich habe geschwitzt, aber ich war immer voll da, auch während des Loopings» schwärmt Gregor Thalmann nach der Landung. Das Ankämpfen gegen die Fliehkräfte sei anstrengend, die G-Hosen eine grosse Hilfe. Das schönste sei der Formationsflug über den Alpen, «das Mitziehen bei den Figuren, die Staffel vor sich, zum greifen nah!» Sogar steuern durfte er für kurze Zeit. Spüren, wie das Flugzeug auf die Ruderausschläge reagiert. «Dieses Erlebnis werde ich nie vergessen. Jetzt verstehe ich erst richtig, wieso Militärpilot werden ein Bubentraum ist.»
Am Mittwoch ist Gregor Thalmann schon wieder an der Uni, Vorlesungen hören. Der Top-Gun-Traum dauerte einen Tag. Aber er war Realität und bleibt deshalb unvergesslich.