In Solothurn absolvieren gerade mal 14 Prozent der Jugendlichen eine Matur. Kein Problem – findet ein grosser Teil der Parlamentarier. Solothurn sei halt der klassische Lehrlings-Kanton. Ausserdem fehle bestimmten Berufsbildern die Attraktivität.
«Eine hohe Maturitätsquote ist nicht unbedingt anzustreben», kommentierte gestern SVP-Sprecher Thomas Eberhard (Bettlach) eine entsprechende Interpellation von Ratskollege Thomas A. Müller (CVP, Lostorf). «Eine hohe Quote würde nur überforderte Studenten mit sich bringen», ist Eberhard überzeugt. Wichtig sei vielmehr ein Mix aus beruflicher und akademischer Bildung.
Solothurn sei zudem von seiner Struktur her ein klassischer Lehrlings-Kanton. «Wir messen der gymnasialen Maturitätsquote eine geringere Bedeutung bei als der Interpellant», stiess Verena Meyer (FDP, Mühledorf) namens ihrer Fraktion ins gleiche Horn. Eine höhere Maturitätsquote hätte zudem zur Folge, dass es weniger Lehrlinge gibt. «Der Weg via Lehre zu einer Berufsmaturität ist aber sehr sinnvoll.»
Durch Tagesstrukturen die Maturitätsquote erhöhen
Für Barbara Streit (CVP, Solothurn), die Sprecherin der Fraktion CVP/EVP/GLP, ist es richtig, die im interkantonalen Vergleich relativ tiefe Solothurner Maturitätsquote zu hinterfragen. Das auch vor dem Hintergrund, dass in der Schweiz im Unterschied zum Ausland die Maturandenquote mit 19 Prozent ohnehin schon sehr tief liegt. Andererseits entstehe daraus kein Nachteil: «Wir haben eine tiefe Jugendarbeitslosigkeit.» Streit würdigte besonders die mit der Berufsmaturität geschaffene «Durchlässigkeit in der Hochschulbildung».
«Es haben nicht alle die Fähigkeiten, eine Matur oder einen Uniabschluss zu absolvieren», sagte der Grüne Thomas Woodtli (Witterswil). Einen positiven Effekt auf die gymnasiale Maturitätsquote erhofft er sich indes von der Sek-I-Reform – und platzierte ein sozialpolitisches Anliegen: «Die Einführung von Tagesstrukturen kann wahrscheinlich die Maturandenzahl erhöhen.»
Der gleichen Meinung ist auch SP-Kantonsrat Urs von Lerber (Luterbach). Er betonte zudem, dass eine höhere Maturitätsquote auch von einer Attraktivierung bestimmter Berufsbilder, etwa im technisch-naturwissenschaftlichen Bereich, begleitet werden muss.
Hoch qualifizierte Einwanderer
Interpellant Thomas A. Müller zeigte sich «enttäuscht» davon, dass die Regierung und auch ein grosser Teil des Kantonsrats der Maturitätsquote keine besondere Aufmerksamkeit schenkt. «Wir haben ein Akademikermanko», hielt er gestern fest. Wie sonst sei zu erklären, dass zwei Drittel der Einwanderer aus dem EU-Raum über einen Hochschulabschluss verfügen. Und: Die Sek-I-Reform alleine genüge nicht, um die nötige Anzahl hoch qualifizierter Fachkräfte heranzubilden.