Hägendorf
Sie lehrte 39 Jahre lang an der gleichen Primarschule

Die Oensingerin Esther Kölliker geht nach 39 Jahren als Lehrerin an der Primarschule Hägendorf in Pension. «Hägendorf forever, kann man sagen», lacht sie. «Ich hatte dort so viele Freiheiten – es hat einfach alles gestimmt.»

Karin Schmid
Drucken
Zwischen Reisen und Pädagogik: «Die Begegnung mit Menschen macht mich aus», sagt Esther Kölliker. Foto: kas

Zwischen Reisen und Pädagogik: «Die Begegnung mit Menschen macht mich aus», sagt Esther Kölliker. Foto: kas

1975 trat Esther Kölliker aus Oensingen in Hägendorf ihre erste Stelle als Primarlehrerin an. Zum Ende des Schuljahrs 2013/14 verliess sie diese, um in Pension zu gehen.

In Oensingen geboren und aufgewachsen, wollte Esther Kölliker schon immer Lehrerin werden. «Das wusste ich schon mit sieben Jahren. Ich hatte eine tolle Lehrerin in der ersten Klasse, Fräulein Felber. Ich bin immer motiviert zur Schule gegangen, für mich war die Schule das Grösste.» Sie habe es auch stets leicht gehabt, habe nie viel lernen müssen. Nach der Ausbildung übernahm Esther Kölliker 1975, mit 20 Jahren, ihre erste Primarlehrerinnenstelle – in Hägendorf. Zuerst unterrichtete sie erst zwei Jahre lang die fünfte und sechste Klasse, danach folgte während vier Jahren die dritte/vierte Klasse.

Daraufhin wechselte sie in die erste/zweite Klasse – allerdings zu Beginn eher widerwillig, «weil ich dachte, ich sei nicht die Richtige für diese Stufe, vor allem direkt nach der Sekundarlehrerausbildung». Esther Kölliker hatte im Schuljahr 1978/79 «einen Jahreskurs als Seklehrerin» absolviert, den sie auch in Französisch abschliessen musste. Deshalb verbrachte sie ein halbes Jahr in Frankreich – etwas, das ihrer Reiseleidenschaft und ihrer Freude an Sprachen entgegen kam und das sie seither pflegt. «Ich arbeitete stets ein paar Jahre und legte danach eine Berufspause ein für drei bis sechs Monate, um auf Sprachreisen zu gehen.»

«Fühlte mich nie eingeengt»

Zu den Unterschieden des Schulbetriebs von 1975 und heute befragt, kommt Esther Kölliker der «Frontalunterricht» in den Sinn. « Nur diese Art von Unterricht kannte man am Anfang, vielleicht ab und zu noch Gruppenunterricht; alle Kinder waren zur gleichen Zeit an der gleichen Aufgabe. Im Klassenzimmer war es sehr ruhig. Man ging damals zwar auf die Schülerinnen und Schüler ein, doch man individualisierte weniger; man ging davon aus, dass die Kinder alle gleich weit sind.»

Beim Betrachten der heutigen Lernformen habe sie das Gefühl, dass auch das damalige System viel Gutes hatte. «Wenn etwas Neues eingeführt wurde, bin ich nicht immer sofort auf den Zug aufgesprungen, sondern habe mir überlegt, ob ich dahinter stehen kann und ob es zu mir passt», erklärt Esther Kölliker. Grundsätzlich habe sie für sich immer das Gefühl gehabt, «dass ich so unterrichten konnte, dass ich mich selber sein konnte. Ich habe mich nie eingeengt gefühlt».

Klar verändert hat sich nach Auffassung der Oensingerin «das, was von aussen kommt. Die Administration nimmt bei der Lehrertätigkeit einen immer grösseren Raum ein. Die pädagogischen Aufgaben kommen dabei oft zu kurz; das müsste sich ändern. Schliesslich steht die Arbeit mit den Kindern im Fokus des Lehrerberufs.»

Bis zum Alter von etwa 45 Jahren war Esther Kölliker Vollzeit tätig, danach reduzierte sie ihr Pensum auf 70 Prozent. Für sie war es eine Umstellung von der «Alleinverantwortlichen» zur Teamarbeit. «Am Anfang war ich sozusagen der ‹Chef› auf dem Platz. Heute arbeitet man viel mehr im Team und ist verantwortlich für einen Teil.» Sie fand es «schön, mich mit einer Stellenpartnerin austauschen zu können. Es ist anspruchsvoll, aber bereichernd, Aspekte aus einer anderen Sicht miteinzubeziehen.»

«Nicht so viel falsch gemacht»

Speziell gerne mochte Esther Kölliker in ihrem Beruf «die Begegnung mit den Menschen, das macht mich aus – die Begegnung mit den Eltern, die bei mir die Schule besuchten und nun ihre Kinder brachten. Man freut sich, die Leute in einer anderen Rolle zu erleben. Es ist schön, junge Lehrerinnen, die von mir unterrichtet wurden, zu erleben und festzustellen, dass ich nicht so viel falsch gemacht habe».

An speziell lustige Stunden erinnert sich Esther Kölliker gerne im Zusammenhang mit ihrem Engagement als Teil des aus ihr und zwei weiteren Lehrerinnen bestehenden Bibliotheksteams. Zurück zur Arbeit mit den Kindern: Am liebsten mochte die Oensingerin die dritte/vierte Klasse. «In dem Alter können die Kinder schon etwas, ich konnte schon etwas von ihnen fordern. Wenn ich jetzt zurückdenke, ist auch die erste/zweite Klasse eine tolle Stufe. Man kann mit den Kindern in dem Alter gut etwas aufbauen und sieht Resultate. Sie sind motiviert und freuen sich, wenn sie etwas lernen dürfen.»

Innehalten zum Auftanken

Ihr sei stets wichtig gewesen, die Stärken jedes einzelnen Kindes in den Vordergrund zu stellen, betont Esther Kölliker. «Jedes hat eine besondere Qualität. Ich wollte sie herauskitzeln und schauen, wer wo seine Begabungen hat.» Von besonderer Bedeutung war ihr auch die Möglichkeit, «immer wieder anhalten zu können, zum Beispiel auf meinen Reisen, innehalten und reflektieren.

Dadurch konnte ich bis zuletzt wach arbeiten, ich war präsent, aufmerksam, mit Freude am Werk. Das ging nur, weil ich mir stets Inseln schaffen konnte und den Ausgleich mit dem Reisen und der Natur hatte». Esther Kölliker bezeichnet «etwas Neues lernen» als ihre «lebenslange Motivation». So absolvierte sie im Verlaufe der Jahre, zusätzlich zur pädagogischen, eine Ausbildung im Bereich Spiraldynamik. Dieses dreidimensionale Bewegungskonzept nahm sie als Schwerpunkt in den Unterricht auf. «Ich habe den Körper bei mir und bei der Arbeit mit den Kindern immer als wichtig betrachtet.»

Endlich Griechisch lernen

So wundert es nicht, dass zu den privaten Lieblingsbeschäftigungen der Oensingerin neben Reisen und Jassen auch Wandern gehört. Vor neun Jahren baute sie sich, zusammen mit ihrem Partner, ein Eigenheim am Fuchsackerweg auf. Das gelbe Holzhaus und vor allem der Bauplatz – «an dem sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen» – bezeichnet sie als «unseren Traum». Sie brauche zwar den Kontakt mit Menschen, betont Esther Kölliker, «doch ich brauche auch meine Ruhe zum Auftanken.»

Sie habe sich zwar «mit einem lachenden und einem weinenden Auge» im Juli aus dem Schuldienst in Hägendorf verabschiedet, sagt Esther Kölliker, «doch bei der Schlüsselabgabe habe ich geweint». In den vergangenen 39 Jahren hat sie rund 500 Kinder jeweils zwei Jahre lang auf ihrem Lebensweg pädagogisch begleitet. «Natürlich tat der Abschied weh, doch nun, da ich nicht mehr arbeiten muss, spüre ich Erleichterung und die Freiheit, die mir stets wichtig war.»

Sie wird also wieder auf Reisen gehen – «die Sprachen auffrischen. Ich will schon lange Griechisch lernen». Diese Sprache ist für Esther Kölliker mit schönen Begegnungen mit der griechischen Mutter eines ehemaligen Schülers verbunden: «Zwischen uns ist eine schöne Freundschaft entstanden. Sie hat mir ein Buch über Athen geschenkt und mir angeboten, mir die griechische Sprache beizubringen – und sie hat mir versprochen, dass wir dann einmal gemeinsam nach Athen reisen».