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Dullikens Dorfarzt Dr. Jean-Pierre Grob fühlt sich durch die Vogellaute seines Nachbarn Roland Gruner gestört. Wenn sich nicht Grundlegendes ändert, wird er seine Praxis Ende Juni schliessen und nur noch am Mittwoch für langjährige Patienten da sein.
«Praxisschliessung wegen Papageiengeschreis in Dulliken. – Das Papageiengeschrei aus der Nachbarschaft ist unerträglich. Wahrscheinlich werden wir darum demnächst die Praxis schliessen, da Praxisbetrieb und Wohnen kaum mehr möglich sind. Wir haben uns die Zukunft anders vorgestellt».
Dies steht auf einem Flyer, den Dullikens Dorfarzt Dr. Jean-Pierre Grob in seiner Praxis aufgelegt hat und mit dem der Hausarzt seine Patienten über die in seinen Augen unerträgliche Situation informiert.
«Hatten lange Freude an den Vögeln»
«Wir hatten lange Freude an den Vögeln. Aber die Aras, die unser Nachbar hat, die schreien, und das ist unerträglich. Sie waren der Stein des Anstosses», erzählt der Dorfarzt.
Ende 2012 habe das Geschrei begonnen, die geschilderten Ausmasse anzunehmen. Im Winter sei es zwar relativ ruhig gewesen, «doch der letzte Sommer war schrecklich», so Grob.
Der Gang vor den Friedensrichter folgte – ohne Ergebnis, und jetzt nehmen sich die Anwälte der Sache an.
«Die Vögel sind zwar seither weniger draussen, aber gebessert hat es nicht. Auch die Thuya-Hecke zwischen unseren Grundstücken, obwohl sie schön ist, wirkt nicht wirklich», meint der Dorfarzt.
Ende Jahr wird er 65. Eigentlich hätte er bis 68 weitermachen wollen – oder «so lange, wie es die Gesundheit zulässt, mit reduziertem Pensum».
Auch seine Patienten hätten sich ob des Papageiengeschreis beschwert. Einer hatte seinem Hausarzt sogar einen Brief geschrieben, in dem er unter anderem festhielt:
«Hausärzte sind ein rares Gut. Wenn Dr. Grob seine Praxis kurzfristig aufgibt, gibt es wieder einen Hausarzt weniger. (...) Ihn wegen des nervigen Papageiengeschreis zu verlieren, wäre ein echter Verlust für die Bevölkerung und die Gemeinde. So denken zahlreiche Personen aus unserem Bekanntenkreis».
Noch bis Ende Juni offen
Nun, von heute auf morgen schliesst der Dorfarzt seine Praxis nicht. «Wir machen bis Ende Juni weiter wie bis anhin, und wenn sich beim Nachbarn Grundlegendes ändert, bleiben wir. Wenn nicht, werde ich die Praxis nur noch am Mittwoch offen halten für meine langjährigen Patienten, die ich seit 30 Jahren betreue», hält Grob fest.
Seine Patienten im Alters- und Pflegeheim Brüggli in Dulliken hingegen werde er noch so lange betreuen, wie er aktiv sein wird. Und auch dem örtlichen Samariterverein bleibt er noch ein Jahr lang als Vereinsarzt erhalten.
Was seine weitere berufliche Zukunft betrifft, gibt er sich zuversichtlich. Ein Berufskollege möchte ihn gerne als Teilhaber in seine Praxis aufnehmen. «Und auch sonst habe ich noch ein paar Pfeile im Köcher», meint Grob.
Jedoch: Emotionell habe die ganze Angelegenheit ihn und seine Frau mitgenommen, erzählt er, und sie hätten so manche schlaflose Nacht gehabt deswegen.
«Es tut weh, Patienten quasi im Stich zu lassen, die wir über einen solch langen Zeitraum betreut haben. Aber so kann es einfach nicht mehr weitergehen».
«Gutes Verhältnis gehabt»
Wie sieht nun Nachbar und Vogelbesitzer Roland Gruner, einer breiteren Öffentlichkeit noch als Trainer des FC Dulliken, des FC Wangen und des FC Niedergösgen in Erinnerung, das Ganze?
«Die Volière besitze ich seit 39 Jahren. Vor 30 Jahren hat Grob sein Haus erbaut und die Praxis eröffnet. In all dieser Zeit hatten wir ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis – bis letzten März».
Einen Monat zuvor nämlich habe er Probleme mit Mardern gehabt, was ihn zu raschem Handeln gezwungen habe; er habe die Volière verstärken müssen. Als Grob davon erfuhr, habe er Gruner gesagt, dass ihm die Vögel schon lange ein Dorn im Auge seien.
«Ich bin enttäuscht von ihm gewesen, speziell, da er mir vor zehn Jahren noch ein schriftliches Näherbaurecht zugestanden hatte», so Gruner. Mehr noch: Im Juli habe Grob ihn schriftlich aufgefordert, die Vögel bis Ende Januar zu verkaufen.
«Ich habe dann auch je zwei Aras, zwei Inka-Kakadus und zwei Amazonen veräussert, von denen ich glaubte, es seien meine lautesten Vögel», so Gruner.
Derzeit besitzt er noch 15 Vögel; sechs Paare und drei Einzelvögel. Es sind dies Aras, Graupapageien, Amazonen und Agoporniden (eine Art Wellensittich).
«Sie äussern ihre Freude»
«Am meisten Lärm veranstalten sie, wenn ich mit dem Auto zufahre oder es regnet. Dann äussern sie ihre Freude», versichert Gruner, der erst in der letzten Woche nochmals die Volière mit Isolationsbausteinen verdichtet habe.
«Es ist jetzt nur noch eine kleine Fläche von drei mal fünf Metern offen. Die ganze Volière fasst neun auf neun Meter», so Gruner.
Die Vögel müssen übrigens zwischen 17 und 19 Uhr wieder rein in den Stall; dieser misst neun mal drei mal 2,8 Meter. Morgens zwischen 9 und 10 Uhr werden sie dann wieder in die Volière gelassen.
Gruner, der übrigens am 21. März in Pension geht, vertritt die Ansicht, dass Grob der einzige sei, der sich an seinen Vögeln störe.
«Ich bin bei 15 Nachbarn gewesen, und sie alle haben mir schriftlich versichert, dass sie kein Problem mit meinen Vögeln haben. Oft kommen sogar Eltern mit ihren Kindern vorbei, um die Tiere zu besuchen», erzählt Gruner, der meint, dass sich der Arzt da «in etwas verrannt hat».
Ausserdem habe er erst kürzlich jene erwähnte, vier Meter hohe Tuya-Hecke gegen das Grundstück von Grob hin gepflanzt, die auch schalldämmend wirke.
Item: Beide haben sich nun, wie erwähnt, einen Anwalt genommen, weil ein erster Schlichtungsversuch vor dem Friedensrichter gescheitert ist – wenigstens da sind sich beide einig.
Es wird wohl so sein, dass der Streit um den Vogellärm vor dem Richter landet und sich die Patienten von Dr. Jean-Pierre Grob einen neuen Hausarzt suchen müssen.