Flurnamen
In der Region Olten-Gösgen und Thal-Gäu wurde seit dem Mittelalter Boden urbar gemacht.

Seit dem Mittelalter wurde auch in der Region der Wald abgeholzt. So konnte man den Boden als Acker- oder Weideland nutzen. In der neusten Folge werden Namen behandelt, die sich unter anderem mit Roden oder Bäume fällen befassen.

Jacqueline Reber
Drucken
Der Vorder Brandberg in Herbetswil, hier von der Thalstrasse aus gesehen, ist ein typisches Beispiel für eine Juraweide, deren Name auf die ursprüngliche Brandrodung zurückgeht.HR. Aeschbacher

Der Vorder Brandberg in Herbetswil, hier von der Thalstrasse aus gesehen, ist ein typisches Beispiel für eine Juraweide, deren Name auf die ursprüngliche Brandrodung zurückgeht.HR. Aeschbacher

HR.Aeschbacher

Rüti, Rütenen und Rütli, Schwand, Schwang und Schwändi sowie Brand, Brang und Bränten sind sehr bekannte Flurnamen – so unterschiedlich diese auch klingen, haben sie doch alle etwas gemeinsam: Sie alle sind so genannte Rodungsnamen und bezeichnen eine Art, wie man Wälder gerodet hat und es teilweise auch heute noch tut.

Seit dem frühen Mittelalter wurde in der Schweiz der Wald abgeholzt. Damit bezweckte man das Vordringen in abgelegene Orte und damit verbunden die Gewinnung von Kulturland, um den Boden als Weide- oder Ackerland, aber auch für den Siedlungs- oder den Verkehrswegbau nutzen zu können. Dazu gab es mehrere Möglichkeiten: So wurde beispielsweise gereutet, das heisst Bäume umgehauen und die Wurzel danach ausgegraben, woraus Flurnamen wie Rüti oder Rütenen resultierten.

Der Begriff Rüti meint in erster Linie ganz allgemein «Rodung, urbar gemachtes Stück Land», im Diminutiv Rüteli und im Plural Rütenen kann er aber besonders im 19. und 20. Jahrhundert auch «Gemeindeland, Allmend» bezeichnet haben, das unter die (hauptsächlich ärmeren) Bürger zur privaten Nutzung aufgeteilt wurde. Da dieses Land oft wenig ertragreich war, konnte es in der Regel aber nur als Weide genutzt werden. Die meisten Einwohner besassen deshalb an ganz unterschiedlichen Orten in der Gemeinde kleine Kulturlandparzellen zur Nutzung, oft an zweitklassiger Lage.

In Flurnamen ist der Bestandteil Rüti in den Amteien Olten-Gösgen und Thal-Gäu mehr als 380 Mal belegt. Als Beispiele seien Bläsisrüti (Balsthal), Bockrüti (Kienberg), Cholrüti (Aedermannsdorf, Wolfwil), Langrüti (Kienberg), Hochrüti (Kappel, Rohr, Wangen) und Mofflisrüti (Winznau) erwähnt. Die Mofflisrüti wird dabei wohl auf einen Personen-, Familien- oder Übernamen zurück gehen.

Namen mit dem Bestandteil Rütenen in der Bedeutung von privat genutztem Gemeindeland sind in unserer Datenbank meist unter einem Bestimmungswort eingeordnet, wie zum Beispiel in den Flurnamen Gugenrütenen (Erlinsbach, Stüsslingen), Meirütenen (Trimbach) und Neurütenen (Schönenwerd). Schweizerdeutsch «Guge» bedeutet «Hals, Nacken», in der Mehrzahl «Gugen» auch «weibliche Brüste», ausgehend von der Grundbedeutung «Anschwellung, hervorragender, rundlicher Teil des Leibes». In Flurnamen bezeichnet Gugen rundliche Erhebungen oder Berge mit haubenförmigem Gipfel, wie der markante, 805 Meter hohe Gugen zwischen Erlinsbach und Stüsslingen. Das Bestimmungswort Mei hingegen kann entweder vom Monat Mai oder aber von einem Personennamen Maio abgeleitet sein. Meirütenen meint daher wohl «Rodung oder Gemeindeland im Besitz eines Mannes namens Maio».

Auch die Flurnamen Grüt (Balsthal, Wisen), Grütacker (Holderbank, Welschenrohr, Winznau) und Grütmatt (Winznau, Wisen) deuten auf eine Rodung hin. Es handelt sich hierbei um ein mit der Vorsilbe G(e)- gebildetes Kollektivum zu Rüt. Dialektnah wird entsprechend nur noch Grüt ausgesprochen, das unbetonte e verschwindet ganz, ähnlich wie in den schweizerdeutschen Ausdrücken für Gemüse («Gmües») oder Gerüst («Grüscht»).

Ein Rodungsname ist auch die ehemalige politische Gemeinde Grod, heute ein Weiler in Gretzenbach. Die durch das Schweizerdeutsche Wörterbuch nahe gelegte Herleitung von Gerod für «Kiesgrund» wird durch die Lage des Weilers auf einer Anhöhe widerlegt. So kann auch hier einzig die Deutung «Rodung» in Betracht gezogen werden.

Ebenfalls eine Rodung bezeichnen können die so genannten Ried-Namen wie Attenried (Hauenstein-Ifenthal, Lostorf, Wisen) oder Riedmatt (diverse Gemeinden). Ried kann aber auch «Schilf, feuchter Boden» bedeuten. Eine genaue Unterscheidung zwischen Ried «Feuchtgebiet» und Ried «Rodung» ist trotz der Realprobe im Gelände oft nicht möglich.

Eine weitere Rodungstechnik, um Bäume zu fällen, ist das Schwenden. Flurnamen wie Schwand, Schwängi oder Schwändel deuten auf diese Art der Rodung hin. Das Wort stammt aus dem mittelhochdeutschen «swenden» und ist verwandt mit «schwinden», was «verringern, abnehmen» bedeutet. Die Technik des Schwendens besteht im Schälen der Baumrinden, indem der Saft am Aufsteigen gehindert und dadurch ein Austrocknen und Absterben der Bäume bewirkt wird. In den Gemeinden der Amteien Olten-Gösgen und Thal-Gäu gibt es zahlreiche Namenbelege dieses Rodungsverfahrens, so zum Beispiel Schwanden (Balsthal, Erlinsbach, Lostorf, Wisen), Schwändi (Aedermannsdorf, Mümliswil-Ramiswil, Oberbuchsiten), Schwang (Herbetswil, Laupersdorf, Mümliswil-Ramiswil, Welschenrohr), Schwäng (Holderbank), Schwängi (Aedermannsdorf, Laupersdorf, Matzendorf, Niederbuchsiten, Oensingen, Welschenrohr), Schwändel (Mümliswil-Ramiswil), Schwängle (Mümliswil-Ramiswil), Cholschwand (Däniken), Gerischwand (Laupersdorf) und Solterschwang (Aedermannsdorf, Herbetswil). Gerischwand meint dabei ein gerodetes Gebiet im Besitz einer Person namens Geri. Der erstmals im Jahr 1575 bezeugte Name Solterschwang ist eine Verschmelzung und meint «Solothurner Schwand»; dieses Gebiet liegt abgelegen an der Kantonsgrenze zur Gemeinde Seehof und damit zum Berner Jura, früher zum Fürstbistum Basel.

Auffällig bei den Schwand-Namen sind die verschiedenen Endungen auf -nd und -ng. Diese so genannte Velarisierung von -nd zu -ng ist im Solothurner Dialekt weit verbreitet. Vor allem im westlichen Teil des Kantons wird nicht Kind, sondern Ching und Hang statt Hand gesagt. Diese dialektale Veränderung tritt auch in den Schwand-Namen sehr häufig auf.

Seit Jahrtausenden verbreitet ist auch die Brandrodung, bei welcher der Wald unter Einsatz von Feuer vernichtet, sprich gerodet wird. Dabei werden Bäume gezielt verbrannt, um landwirtschaftliches Nutzland zu gewinnen. Die Brandreste sorgen dabei für hochwertig gedüngten Boden. Auch hiervon zeugen zahlreiche Flurnamen wie Brand/Brang (Aedermannsdorf, Erlinsbach, Herbetswil, Lostorf), Brandacker (Laupersdorf), Brandberg (Herbetswil), Brandfeld (Erlinsbach) Brandmatt (Aedermannsdorf) und Brandweid (Herbetswil). Brand bedeutet dabei «Feuerbrand» beziehungsweise «anbrennen, verbrennen».

Die gleiche Bedeutung wie Brand hat der Begriff Sang, der sich unter anderem in den Flurnamen Sängeler (Herbetswil), Sängenacker (Mümliswil-Ramiswil), Sangenmatt (Schönenwerd) und Sangetel/Sängetel (Aedermannsdorf, Gretzenbach, Schönenwerd) findet. Die ältesten Belege von Sängetel führen auf «Sangeten» zurück, das heisst auf einen Ort, an dem eine Brandrodung stattgefunden hat. Es handelt sich dabei um eine althochdeutsche -ata-Ableitung, wie es sie auch im schweizerdeutschen Chochete «Geköch», Gablete «Gabel voll», und Lismete/Strickete «Strickzeug» gibt. Diese Endungen bezeichnen jeweils eine Mengenangabe beziehungsweise eine Einheit, also «vom Umfang einer Gabel» etc. Die Endung -ten wurde umgewandelt in -tel und später an -tal (Sangental) angeglichen.

In Oensingen ist der Flurname Bränten (1423 bis heute) und in Balsthal ein Brentenhubel (1884) belegt. Bränte kann gemäss Schweizerdeutschem Wörterbuch drei verschiedene Bedeutungen haben: Der Begriff kann abwertend für eine Frau mit dunkler Gesichtsfarbe und schwarzen Haaren stehen – und in Flurnamen somit für eine Stelle, die mit Brand gerodet wurde –, einen dichten, feuchten Herbstnebel (nur für die Ostschweiz belegt) meinen oder aber ein auf dem Rücken getragenes hohes Gefäss von ovalem Durchschnitt (hölzernes Gefäss, Milchkübel) bezeichnen. Im Zusammenhang mit Flurnamen kommt wohl nur ein Bezug zu Brand, brennen in Frage, das heisst zu einer Stelle, an der mit Brand gerodet wurde oder an der es einst gebrannt hat. Im übertragenen Sinn wird «e bräntige Acher» auch als Bezeichnung für steiniges, flachgründiges und entsprechend trockenes, verbranntes Kulturland stehen. Eine Bränte könnte somit auch auf die trockene Bodenbeschaffenheit zurückzuführen sein. Ein Bezug zum Nebel oder einer bildhaften Bezeichnung für ein Gelände in Form des Rückentraggefässes ist hingegen eher unwahrscheinlich.

In Flurnamen widerspiegelt sich folglich die Geschichte der Rodung und Urbarisierung unserer Gegend, die sich noch vor wenigen Jahrtausenden als praktisch geschlossener Urwald präsentierte.