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Der Egerkinger «Kreuz»-Wirt Louis Bischofberger hat eine Zuchtfarm für essbare Insekten gebaut. Heute ist der Betrieb für die Öffentlichkeit zugänglich.
Dass die Fleischproduktion eine der grössten Belastungen für die Umwelt darstellt, ist unbestritten. Die Ressourcen, welche benötigt werden, um eine Portion Fleisch auf den Teller zu kriegen, könnte durchaus sinnvoller eingesetzt werden. Trotzdem scheint die Lust auf Fleisch in der Gesellschaft stets zu wachsen, das proteinhaltige Nahrungsmittel ist sehr gefragt. Doch was, wenn es eine andere Möglichkeit gäbe, proteinreiche Lebensmittel herzustellen, als gleich 800 Kilogramm schwere Rinder zu züchten?
Diese Frage hat sich Louis Bischofberger, Wirt des Restaurants Kreuz in Egerkingen, ebenfalls gestellt. Und ist auf eine Lösung gestossen. Heuschrecken, Mehlwürmer, Grillen – alles, was kreucht und fleucht, steckt voller Proteine und braucht weniger Platz und Ressourcen als andere Tiere.
«Das ist eine Marktlücke, die ich füllen wollte», sagt der Wirt. Inspiriert wurde er durch zwei Mitarbeitende, welche zu Hause gerne mit Insekten experimentieren. So entstand das Projekt, in Egerkingen eine Produktionsstätte für Mehlwürmer, Heuschrecken und Grillen zu bauen.
Auch die Tatsache, dass Insekten in der Schweiz ab 1. Mai offiziell verkauft und angeboten werden dürfen, trug zur Idee bei. «Ich wollte am 1. Mai genug produziert haben, um die Geschäfte und Restaurants der Umgebung mit Mehlwürmern, Heuschrecken und Grillen versorgen zu können. Die Nachfrage ist gross»,so Bischofberger.
Bis die Idee in die Realität umgesetzt werden konnte, war jedoch noch etwas Planung und Geduld gefragt. Um an die nötige Unterstützung zu kommen, holte Bischofberger die Gemeinde ins Boot.
Johanna Bartholdi, Gemeindepräsidentin Egerkingens, war sogleich begeistert und so wurde eine Anschubsubvention von 95'000 Franken gewährt. «Ich habe sogar schon Insekten probiert und einen Mehlwurmburger gegessen», lacht sie. Der Gemeinderat wolle mit der Subvention zeigen, wie offen die Gemeinde für neue Produktionsstätten sei, welche nicht in den Bereich Logistik fallen. Deshalb sei auch für ein rasches und unkonventionelles Baugesuch Hand geboten worden.
Bartholdi sieht das Projekt als Chance für das gesamte Dorf. Ihrer Meinung nach könne dieser Wirtschaftszweig Egerkingen von den anderen Gemeinden der Umgebung abheben und als Profilierungschance dienen. Sie ist denn auch vom Erfolg des Projekts überzeugt. «Oensingen ist das Fleischzentrum, nun wird Egerkingen zum Eiweissproduktionszentrum der Region», so Bartholdi.
Obwohl die Insektenproduktion noch ein Nischenmarkt ist, ist der Gemeinderat der Meinung, dass es richtig ist, in der ersten Stunde dabei zu sein. «Die heimische Produktion dieser Eiweisslieferanten wird den Selbstversorgungsgrad der Schweiz erhöhen und uns somit unabhängiger von der EU und vom Ausland machen», erklärt Bartholdi.
Mit der Hilfe der Gemeinde konnte Bischofberger sein Projekt in die Tat umsetzen: Auf dem Hof von Ernst Schneider neben dem Gasthof Hotel Kreuz wurde die Produktionshalle erstellt. Die Halle ist säulenfrei und wurde mit jener modernen Verspannungstechnik gebaut, welche auch beim Neubau der ETH Zürich angewendet wurde. Ein feinmaschiges Netz umspannt die gesamte Halle, damit kein Tier das Gelände verlassen kann. Das Futter für die Produktion wird grösstenteils auf dem Areal der Fridau angebaut, wodurch die Qualität kontrolliert werden kann.
Nach all der investierten Zeit und Planung konnte Bischofberger den Betrieb nun aufnehmen und die Produktion von essbaren Insekten als Lebensmittel starten. Doch damit nicht genug: Der Wirt plant gemeinsam mit der Gemeinde, künftig auch noch Insekten zu züchten, die in der Biochirurgie verwendet werden können.
Um den Betrieb der Bevölkerung etwas näher zu bringen, öffnet Bischofberger ausnahmsweise für eine Stunde dessen Tore. Die Produktionsstätte neben dem «Kreuz» kann heute Samstag zwischen 14 und 15 Uhr besichtigt werden. Im Anschluss an den Rundgang dürfen die Besucher einige Spezialitäten, gekocht vom «Kreuz»-Küchenteam, probieren. «Viele Leute ekeln sich davor, Insekten zu essen. An diesem Tag der offenen Tür möchten wir ihnen zeigen, dass man sie auch geniessen kann. Ziel ist es, den Ekel zu überwinden», erklärt der Wirt seine Intention.