Wir hier «hinterm Berg», wir können leider nicht die Alpen sehen, so wie jene, welche «vorm Berg» zu wohnen belieben und sofern Nebel und Dunst ihnen das gestatten. Wir sind auch nicht ganz so schnell in Bern oder Zürich. Kino und Theater gibt’s hier auch nicht und zum Shoppen müssen die meisten durch die Klus. Aber, wir haben hier hinten etwas, für das die von «vorm Berg» an den Wochenenden in Scharen nach «hinten» kommen – Natur oder das, was als Natur erachtet wird.
Das mit dem «vorm Berg» und «hinterm Berg» ist so eine eingebürgerte Redewendung, in der ein Hauch von zu viel oder zu wenig Selbstbewusstsein mitschwingt. Zumindest heisst es nicht «hinterm Wald». Wenn ich aus meinem Fenster schaue, liegen jedenfalls Solothurn und das Mittelland hinterm Berg und ich bin eindeutig vorm Berg. Wie so vieles eine Frage des Standpunkts.
Wir haben hier im Thal das Glück, in einem Naturpark zu leben, der den Begriff zwar im Namen trägt, aber neben dem sorgsamen Umgang mit der Natur auch für die Förderung von nachhaltiger Wirtschaft und Tourismus steht, genauso wie für Mobilität, Raumentwicklung, Energieversorgung und so weiter.
Der Begriff Natur im Namen sorgt dann auch immer mal wieder für Missverständnisse. Das liegt nicht nur daran, dass ein Naturpark eben keine Naturschutzbehörde oder so ist, sondern ein Regionalentwickler mit nachhaltigem Anspruch. Das Label Nachhaltigkeit soll neuerdings sogar für europäische Atomkraftwerke gelten. Und schon sind wir beim nächsten Missverständnis. Wobei, wenn man bedenkt, dass es bis heute keine Entsorgungslösung für abgebrannte Kernelemente gibt, nachhaltig schon stimmt, einfach eben andersherum als gedacht.
Aber zurück zur Natur: Ich behaupte, dass es bei uns in der Schweiz, mal abgesehen vielleicht von ein paar ganz wenigen, sehr abgelegenen Orten, keine unberührte Natur mehr gibt. Das, was wir als Natur wahrnehmen, ist tatsächlich von Menschen geschaffenes und gepflegtes Kulturland. Selbst der Wald, wie wir ihn in der Schweiz haben, ist so, wie er ist, weil er gepflegt und kultiviert wird. Er wird regelmässig ausgedünnt und verjüngt, genutzt und für den Besucher zugänglich und sicher gemacht.
Der mit Abstand am häufigsten vorkommende Baum in Schweizer Wäldern ist zum Beispiel die Fichte, die eigentlich ein Gebirgsbaum ist und in tieferen Lagen von Menschenhand angepflanzt wurde. Invasive Pflanzenarten, die sich auf natürlichem Wege schnell verbreiten, würden unsere Landschaften massiv verändern, wenn sie nicht regemässig und mit enormem Aufwand bekämpft würden.
Wenn man die Natur wirklich Natur sein lassen würde, würde es innert kürzester Zeit keinen Weg mehr hindurch geben. Wenn man die Bäume und Sträucher entlang der Bachläufe nicht regelmässig zurückschneiden würde, wären die Gewässer sehr schnell nicht mehr zu sehen.
Bei kleineren Seen und Weihern würde es nur eine Handvoll Jahre dauern, bis sie komplett zugewachsen wären, würden sie nicht laufend entsprechend gepflegt. Selbst Naturschutzgebiete müssen gepflegt werden, damit dort die gewünschten Arten gedeihen. Geschützt wird nicht die Natur, sondern das, was gerade für Natur gehalten wird.
«Wir planen ihren Naturgarten», heisst es auf so mancher Website, aber Natur lässt sich nicht planen oder gestalten. Natur und Planung schliessen sich gegenseitig aus und Natur lässt sich auch nicht per Gartenhag eingrenzen. Natur ist grenzenlos, wild und undurchdringlich.