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Das «Nein» in Solothurn vom Sonntag bedeutet: Es gibt weiterhin eine Gemeindeversammlung, aber keinen Stadtrat und kein Parlament. Aber auch innerhalb des jetzigen Systems wäre einiges an «Schrübele» möglich.
«Der Gemeinderat wird wohl eine neue Arbeitsgruppe bilden.» Auch für Stadtpräsident Kurt Fluri war unmittelbar nach dem knappen «Nein» vom Sonntag klar, dass das Thema Gemeindeorganisation damit nicht vom Tisch ist. Nur die ausserordentliche mit Parlament, Stadtrat, aber ohne Gemeindeversammlung – die wird es nicht mehr sein.
Aber geprüft und aufgelistet wurden von der bisherigen Arbeitsgruppe auch etliche Varianten innerhalb der jetzigen, ordentlichen Gemeindeorganisation. Ein 91 Seiten starkes Dossier erarbeitete die Arbeitsgruppe, zusammengesetzt aus Anna Rüefli, Lea Wormser (SP), Sven Widmer, Charlie Schmid (FDP), Barbara Streit-Kofmel, Jean-Pierre Barras (CVP), den Grünen Laura Gantenbein und Marguerite Misteli sowie dem SVP-Vertreter Johannes B. Kunz. Zudem gehörten ihr Stadtpräsident Kurt Fluri an, und ohne Stimmrecht der auswärtige Fachexperte David Wüest-Rudin von der Berner bpc bolz+partner consulting ag, sowie Stadtschreiber Hansjörg Boll und der Leiter Rechtsdienst, Urs F. Meyer.
Zuletzt konnte man sich aber für keine Variante erwärmen, es sollte die ausserordentliche Gemeindeorganisation sein – und nur sie. Durch den Gemeinderat kam dise schlank, noch knapp nahm sie die Hürde Gemeindeversammlung, um dann hauchdünn mit 9 Stimmen Differenz am Sonntag zu scheitern.
Im 91-seitigen Schlussbericht der Arbeitsgruppe zur Prüfung der Gemeindeorganisation sind folgende sechs Varianten ausserhalb der jetzt verworfenen ausserordentlichen Gemeindeorganisation aufgelistet:
Variante 0: Es wird auf jede Reform verzichtet, es bleibt alles, wie es ist.
Variante 1: Der «klassische Gemeinderat» mit einem kleinen, exekutiven und verwaltungsleitenden Gemeinderat von 3 bis 7 Köpfen. Dazu werden mindestens zwei starke Kommissionen eingerichtet, Stadtpräsidium und Gemeindeversammlung bleiben bestehen.
Variante 2 A: Der Gemeinderat bleibt bei 30 Köpfen, aber die GRK bereitet die Geschäfte nicht mehr vor, sondern Sachkommissionen, die der Gemeinderat bildet. Die Kommissionen beraten die Geschäfte und stellen ihm Antrag.
Variante 2 B: Der 30-köpfige Gemeinderat erfährt Einzeloptimierungen insbesondere in der Aufsichtsfunktion.
Variante 2 C: Der Gemeinderat wird auf noch 15 Mitglieder halbiert. Dadurch kann er viel eher seinen exekutiven Aufgaben nachkommen. Die Aufsichtsfunktionen und die Bedeutung der Sachkommissionen werden deutlich gestärkt.
Variante 2 D: Der Gemeinderat wird auf 11 Köpfe verringert, die GRK abgeschafft. Damit wird der Gemeinderat deutlich als Exekutive positioniert. (ww)
Eine der nicht berücksichtigen Varianten klaubte dann die FDP im Abstimmungskampf aus dem Dossier hervor und stellte sie dem Vorschlag der SP, CVP, Grünen und GLP entgegen. Demnach soll der Gemeinderat auf 11 Mitglieder reduziert und ein Ressortsystem eingeführt werden, die Gemeinderatskommission GRK würde im Gegenzug aufgehoben. «Damit könnte der Gemeinderat als echte Exekutive funktionieren», gab sich die FDP in der Motions-Begründung überzeugt. Die bisherigen GRK-Kompetenzen würden auf den Gemeinderat übertragen.
Eine interessante Kehrtwende, denn noch 1997, bei der letzten Revision der Gemeindeordnung, hatte man dem Gemeinderat Kompetenzen entzogen und diese der GRK zugeschanzt. Mit der neu geforderten Ressortzuteilung soll vor allem auch erreicht werden, dass in jedem Fall der Gemeinderat anstelle der Verwaltungsleitenden als Exekutive auftritt.
Die gescheiterten Befürworter der ausserordentlichen Gemeindeorganisation sehen allerdings jegliche Alternativ-Variante zu ihrer Forderung als ungeeignet, ja gar als Rückschritt an. Ihr Hauptargument gegen die massive Reduktion des Gemeinderats: Die kleineren Parteien wären nicht mehr vertreten, die breite demokratische Meinungsbildung gefährdet.
Bereits vorgesorgt für ein «Nein» an der Urne hat Franz Meier: Seine erheblich erklärte Motion verlangt im nun eingetretenen Fall, dass die jetzige, immer noch geltende Gemeindeordnung so revidiert wird, dass der Gemeinderat in seiner Exekutivfunktion gestärkt wird. Meier war es ein Anliegen, dass die Gemeindeversammlung erhalten bleibt, daneben lässt er den Verantwortlichen aber jeden Spielraum, wie sie das allseits erkannte Hauptproblem angehen: die Kompetenzenvermischung im 30-köpfigen Gemeinderat.