Wenn wir in diesen Tagen durch die Gassen unserer Stadt bummeln, am Wochenmarkt von Stand zu Stand schlendern, dann überlegen wir uns keinen Moment lang, wo wir notfalls Schutz suchen müssten. Ja, im Notfall: Wenn die Sirenen heulen und einen Raketenangriff oder einen neuerlichen Bombenhagel ankünden.
Der Krieg von Russland gegen die Ukraine zeigt, wie schnell auch mitten in Europa plötzlich alles ganz anders sein kann. Kein Wunder, begegnet man nun auch bei uns beim Einkaufen im Supermarkt gelegentlich Leuten, die auffällig viele haltbare Lebensmittel wie Reis, Konserven, Speiseöl oder auch WC-Papier zur Kasse schieben. Als Notvorrat für den Fall der Fälle.
Sogar die in den letzten Jahren bloss belächelten, als Abstellkammer genutzten Schutzräume scheinen mittlerweile wieder in einem anderen Licht dazustehen. So interessieren sich dem Vernehmen nach auch nicht wenige Solothurnerinnen und Solothurner dafür, wo sie sich im Ernstfall eines Krieges und/oder einer atomaren Verstrahlung in Sicherheit begeben könnten.
Aber anders als in anderen Kantonen bleibt die Schutzplatzzuweisung bei uns ein Geheimnis. Erst wenn der Ernstfall tatsächlich eintritt, will das zuständige kantonale Amt für Militär und Bevölkerungsschutz (AMB) die ultimative Frage beantworten, wer mit wem in den Bunker steigen darf, soll oder eben auch ... muss.
Dies offenbar deshalb, weil die Behörden eine Welle von Umplatzierungsbegehren von Bürgerinnen und Bürgern befürchten, die gegen ihre amtliche Schutzplatzzuteilung reklamieren. Man wolle nicht zu einer «Hotelrezeption» verkommen, wo Unzufriedene eine andere Unterbringung verlangen, etwa «weil sie nicht zusammen mit Heinz Müller in den Schutzraum wollen». So zumindest hat AMB-Chef und Oberst im Generalstab Diego Ochsner gegenüber Radio SRF jüngst die behördliche Geheimniskrämerei erklärt.
Heinz Müller? Was macht denn diesen Mann zum Problemfall? Rund 17 Heinz Müller leben im Kanton Solothurn. Dazu kommt sicher noch der eine oder andere, der nicht im Telefonbuch verzeichnet ist. Ich weiss nicht, welchen von ihnen der AMB-Chef gemeint hat. Es dürfte sich ja aber sowieso eher um eine Veranschaulichung gehandelt haben.
Allerdings, wenn ich’s mir richtig überlege: Ob Müller, Meier, Huber oder Amsler – zu und mit Jeder und Jedem möchte ich dann eigentlich schon nicht in den Bunker geschickt werden! Möglicherweise haben die im AMB deshalb ja tatsächlich Recht: Im wahren Ernstfall wären wir alle wohl weit weniger wählerisch. Geniessen wir also, dass wir uns dank AMB-Chef Ochsner im Voraus nicht unnötig den Kopf zerbrechen müssen.
Seien wir dankbar, dass wir weiterhin frei, sicher und ohne Angst unsere Stadt und Region geniessen dürfen. Und seien wir uns dabei auch bewusst, dass das alles nicht selbstverständlich ist und dass es gleichzeitig Menschen gibt, die tatsächlich seit Wochen nur noch ein Leben im Schutzraum kennen. Für diese wäre Heinz Müller wohl das kleinste Problem.