Hunderte Polizistinnen und Polizisten des Nordwestschweizer Konkordats im Einsatz in Solothurn: Eine richtige Kundgebung blieb aus.
Nicht nur Menschen, die am Samstag in die Kantonshauptstadt wollten, sahen sie: Polizistinnen und Polizisten. In Vollmontur, in Kastenwagen, in der ganzen Stadt. Einsatzkräfte, die vor und neben Absperrgittern sämtliche Stadteingänge bewachten und Passantinnen und Passanten baten, Taschen zu öffnen, und sie nach dem Grund für den Stadtbesuch fragten. Auch Autofahrer, die von den umliegenden Gemeinden aus oder der Autobahn Richtung Solothurn unterwegs waren, wurden kontrolliert. Ebenso diejenigen, die ihr Auto am Samstag in einem Solothurner Parkhaus abstellen wollten. Ob man wirklich in die Stadt wolle, wurde man auch gefragt – dort fänden möglicherweise illegale Demos statt.
Eine Kundgebung hatte ursprünglich der Verein «Stiller Protest» geplant; diese, nachdem eine Bewilligung nicht erteilt worden war, dann offiziell wieder abgesagt. Stattdessen wurde auf die bewilligte Kundgebung gegen das Covid-19-Gesetz und das Antiterrorgesetz hingewiesen, die am Samstag in Genf über die Bühne ging. Auf Social Media hatte sich zudem die Gruppierung «Solothurn hält Abstand» gemeldet, die eine Art Gegenprotest durchführen wollte.
Auch für diese Aktion lag keine Bewilligung vor. Sie wurde dann am Samstag, einige Stunden vor dem ursprünglich geplantem Startzeitpunkt, wieder abgeblasen. Die Begründung: Das Ziel, einem «Aufmarsch von rechts» entgegenzuwirken, sei bereits erreicht. An verschiedenen Orten waren dennoch Transparente der Gruppe zu sehen, auf denen etwa #nosolothurn zu lesen war. Mit #noaarau und #noliestal wurde in der Vergangenheit gegen die Coronakundgebungen in ebendiesen Städten protestiert.
Es würde kein zweites Aarau, kein zweites Liestal in Solothurn geben, das liess sich im Vorfeld schon vermuten. Polizei und Stadt hatten darum gebeten, am Samstag nicht nach Solothurn zu kommen; klar war auch, dass die Polizei den Auftrag hatte, Demos zu verhindern. Dass einzelne Gruppierungen dennoch – vielleicht auch grade wegen der angekündigten Bereitschaft der Polizei – kommen würden, war aufgrund einzelner im Netz herumgeisternden Posts dennoch anzunehmen.
Die Stimmung in der Stadt glich am Samstagvormittag ein wenig der Ruhe vor dem Sturm. Auf der einen Seite waren da Passantinnen und Passanten, die Glace schleckten und am Landhausquai Bier tranken – auf der anderen haufenweise Polizistinnen und Polizisten, die sich bereithielten.
Am Nachmittag reihten sich Einsatzkräfte vor dem «Roten Turm» auf dem Märetplatz auf. Dann ging es sehr schnell: Die Polizeiangehörigen umstellten den Brunnen im Zentrum des Märetplatzes, kesselten so eine Gruppe von rund 20 Personen ein, die sich dort eingefunden hatte. Offensichtlich coronakritische Personen: Der Schriftzug
«Grundrechte gelten immer, Alle»,
auf ein Transparent gemalt, wurde hochgehalten. «Freiheit», in vier Sprachen, war auf einer Schweizer Fahne zu lesen. «Liberté, Liberté» wurde auch auf der anderen Seite der Absperrung geschrien, dort hatten sich nebst Schaulustigen und Passantinnen und Passanten weitere Unterstützer der Protestaktion ohne Maske – aber auch Anhänger der Gegenseite mit Maske – eingefunden.
Mal wurden Mittelfinger hochgestreckt, mal die Medien beschimpft, mal war etwas von «Polizeistaat» und «weissrussischen Verhältnissen» zu hören. Mehrmals hallte eine Durchsage der Polizei über den Platz. Diese bat die kleine Gruppe beim Brunnen, wo auch Journalistinnen und Journalisten eingekesselt worden waren, sich auszuweisen. Einzelne Personen wurden mitgenommen und befragt. Dass es bei einer Nichteinhaltung des Kundgebungsverbots Konsequenzen geben würde, auch das hatte die Polizei im Vorfeld mitgeteilt.
123 Wegweisungen wurden am Samstag ausgesprochen im Rahmen der Aktion auf dem Märetplatz, aber auch schon bei den Kontrollen davor. Weggewiesen wurden Anhänger «beider Lager», wie Kapo-Mediensprecher Bruno Gribi erklärte. Auch Bussen wurden verteilt, einzelne Personen müssten mit einer Anzeige rechnen.
Zahlen dazu gibt es noch nicht. Noch nicht kommuniziert wurde zudem die genaue Anzahl Einsatzkräfte, laut Mediensprecher Bruno Gribi waren Hunderte Polizistinnen und Polizisten des Nordwestschweizer Polizeikonkordats im Einsatz – nebst der Solothurner Kapo waren also auch die Berner, die Aargauer und die Kantonspolizei der beiden Basler Halbkantone im Einsatz. Vor der Rythalle stand zudem ein Wasserwerfer, der organisiert worden war, aber nicht zum Einsatz kam. Offen bleibt auch die Frage nach den Kosten dieses Einsatzes.
Gribi erklärte am frühen Samstagabend, dass aus der kleinen Kundgebung auf dem Märetplatz schnell ein «Flächenbrand» hätte entstehen können, das habe man nicht dulden können. In einer Mitteilung, welche die Polizei am Samstagabend verschickte, hiess es zudem:
«Nach Einschätzungen der Polizei versuchten insgesamt mehrere hundert Personen an illegalen Kundgebungen in der Stadt teilzunehmen.»
Kundgebungen wie auch Aufeinandertreffen «von Gruppierungen» hätten verhindert werden können.
Bereits rund zwei Stunden nach den Ereignissen war auf dem Märetplatz nichts mehr davon zu sehen. Am frühen Abend waren die Stadteingänge wieder frei. Einzelne Polizistinnen und Polizisten beobachteten die Lage in der Stadt weiterhin, mancherorts stand noch ein Polizeiauto. Spätestens am Sonntag erinnerte in der Stadt dann aber nichts mehr daran, dass ursprünglich auch in Solothurn eine Coronademo geplant gewesen war.
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