Altes Spital
Pinke Aale in der Kathedrale

Die südkoreanische Gastkünstlerin Daniel Kyong beschliesst ihren Aufenthalt im Atelier im Alten Spital.

Andreas Kaufmann
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Die Installationskünstlerin Daniel Kyong bei ihrem Werk «be lovely».

Die Installationskünstlerin Daniel Kyong bei ihrem Werk «be lovely».

Andreas Kaufmann

Pinkfarbener Äther hüllt die Stuckaturen und Säulen in der St.-Ursen-Kathedrale ein. Er dient ebenso grellen Aalen als Habitat, die sich so scheinbar schwerelos wie durch Wasser durch den Kirchenraum schlängeln. Plastikschmuck ziert die Hälse der Kreaturen. Was durchaus einem skurrilen, tiefgründigen Traum entstammen könnte, ist in Wirklichkeit eines der Werke im Alten Spital, zu dem sich Daniel Kyong bei ihrem dreimonatigen Aufenthalt als Gastkünstlerin inspirieren liess.

Anlässlich des «Artists in Residence»-Programms wurde die 37-jährige Südkoreanerin nämlich ins Alte Spital eingeladen (siehe Kasten). So etwas habe man im Programm noch nie gesehen, munkelte man in den Reihen der Gastgeber˜– was keineswegs übertrieben scheint.

Wasser als Inspiration

Vor allem von der hiesigen Umgebung hat sich Kyong inspirieren lassen: in erster Linie durch die Aare, die neben der Werk- und Wohnstube vorbeifliesst – mal gemächlich und klar glitzernd in der Abendsonne, mal rasant und trüb. «Wasser ist für mich eine Inspiration», sagt sie. Stöbert man denn in ihrem bisherigen Portfolio, tauchen im wahrsten Sinne des Wortes immer wieder Kreaturen aus der See auf. Oktopusse, Tintenfische, Rochen, Quallen und Aale sind Elemente in ihrem Schaffen, sind ihre Handschrift – oft in satten und leuchtenden Pop-Farben gehalten.

Für ihre Arbeit geht Kyong zudem auf die Suche nach Szenerien, Ortsbildern oder Fotos von Gebäuden. Im Falle von Solothurn war es das sakrale Ambiente der Kathedrale, das dem Schaffen der Künstlerin als Inspiration diente und den schrillen Wasserwesen nun als grossformatiger Fotodruck hinterlegt wurde. Ihre aufgehängten Skulpturen sind aus luftgetrocknetem Polymer-Lehm geschaffen, mitunter aus Epoxidharz oder Acrylplastik. Darüber hinaus verwendet sie als Motiv und Material oft auch ausrangiertes Plastikspielzeug.

«God II» nennt sich ihre Ausstellung, die ab heute bis Sonntag im Alten Spital zu sehen ist. Eine religiöse Komponente ihres Schaffens ist also bereits am Titel der Werkschau ablesbar. «Schon von jung auf war ich jeden Sonntag in der Kirche», erinnert sie sich und beschreibt die starke Gemeinschaft, die sie aber auch kritisch durchleuchtet: Die Kreaturen verbreiten mit ihrer pinken Färbung den Eindruck von Liebe, dekorieren sich mit Plastikschmuck, um lieblich zu wirken, und erheben sich mit aufgesetzter Frömmigkeit neben dem wahren Göttlichen selbst zu «falschen Göttern». Dabei versteht die bekennende Christin die Werkinterpretation auch als Selbstkritik. Auf gewisse Weise werden die Unterwassertiere zur Repräsentation dessen, was auch im Miteinander und im Bewusstsein des Individuums unter der Oberfläche des Augenscheinlichen bleibt.

Ihr zweites Werk, das Kyong in Solothurn schuf, trägt den Titel «collecting toys» und wirft auf den ersten Blick gesellschaftskritische Themen wie Konsumismus und die Verschmutzung der Weltmeere auf. Quallen mit einer Oberseite aus hitzeerweichtem Acryl und mit Lehm-Tentakel greifen nach Überresten von Kinderspielzeug. «Während die Eltern die übervollen Kinderzimmer ausstauben, sammeln die Quallen diese wieder ein.» Und auch hier steht die Erkenntnis im Vordergrund, dass sich die Wesen durch das Sammeln von Gegenständen ihres eigenen Wertes als liebliche Geschöpfe vergewissern.

Ein entschleunigter Aufenthalt

Vor ihrer gegenwärtigen Tätigkeit als Skulpturen- und Installationskünstlerin war Kyong in der Filmbranche als Designerin für Special-Make-up-Effekte in Filmen tätig. Danach wirkte sie bei der Konzipierung von Figuren in Erlebnisparks mit. Ihr Kunststudium absolvierte sie an der Chung-Ang-Universität in Seoul, gefolgt unter anderem von mehreren Auslandsaufenthalten wie jetzt in Solothurn. Neben der künstlerischen Inspiration konnte Daniel Kyong in den vergangenen Monaten auch persönlich auftanken: «Während es in Südkorea oft hektisch zu und her geht, kam ich in Solothurn sehr zur Ruhe. Ausserdem ist die Luft klarer.»

Gastkünstleratelier Öffnungszeiten: Fr, 17. Juni, 8 bis 12 und 14 bis 18 Uhr; Sa, 18. Juni, 10 bis 12 und 14 bis 17 Uhr; So, 19. Juni, 14 bis 17 Uhr. Seminarraum im Alten Spital. Infos: www.altesspital.ch