«Needle Spiking»
Mysteriöser Trend: Junge Frauen wurden auch im «Kofmehl» in Solothurn gestochen – jetzt sorgen Kameras für mehr Sicherheit

Bereits im Herbst 2022 kam es in der Solothurner Kulturfabrik Kofmehl zu mehreren Fällen von sogenanntem Needle Spiking. Junge Frauen wurden an Partys mit einer Nadel gestochen, und sie berichteten danach von Schwindel und Unwohlsein. Die Aufklärung ist schwierig, das «Kofmehl» hat nun reagiert.

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Party im «Kofmehl»: Mehrere Fälle von «Needle Spiking» bestätigt.

Party im «Kofmehl»: Mehrere Fälle von «Needle Spiking» bestätigt.

Bild: José R. Martinez

«Needle Spiking» sorgte vor zwei Jahren in Grossbritannien und letztes Jahr an der Street Parade in Zürich für Schlagzeilen. Dabei werden junge Frauen im Ausgang mit einer Nadel gestochen. Wie am Freitag bekannt wurde, kam es auch in der Kulturfabrik Kofmehl zu ebensolchen Vorfällen.

«Letzten September an einer Party mit vor allem jungem Publikum mussten wir erstmals solche Fälle von ‹Needle Spiking› feststellen», bestätigt Stefan Wigger, Programmleiter der Kulturfabrik Kofmehl, gegenüber dem «Regionaljournal» von SRF. Es blieb nicht bei dem einen Abend:

Stefan Wigger in der Kulturfabrik Kofmehl.

Stefan Wigger in der Kulturfabrik Kofmehl.

Bild: Hanspeter Bärtschi
«Wir wissen von drei bestätigten und nachgewiesenen Fällen, dazu kommen mindestens zehn Verdachtsfälle.»

Die betroffenen jungen Frauen hätten sich noch am selben Abend bei der Anlassleitung gemeldet und liessen sich im Spital untersuchen. Dort konnten zwar die Stiche bestätigt, allerdings keine ungewöhnliche Substanz im Körper der Opfer nachgewiesen werden.

«Needle Spiking»

Erstmals trat das Phänomen «Needle Spiking» 2021 in Schottland auf, später auch in England. Dabei werden Opfer mit Nadeln oder Spritzen gestochen, häufig an Partys. In der Schweiz wurden an der Street Parade 2022 ähnliche Vorfälle gemeldet. Opfer schildern Symptome wie Schüttelfrost, Orientierungslosigkeit, Schwindel, Schweissausbrüche. Sie weisen Einstichstellen auf, bisher konnte jedoch in keinem der Fälle Drogen oder K.-o.-Tropfen nachgewiesen werden – bei keinem der rund 2000 Fälle in ganz Europa.

Auch das Motiv der Täter ist unklar. Vermutet wird, dass das Opfer so unter Drogen gesetzt werden soll. Das hält Jan Fehr, Infektiologe an der Uni Zürich, für unwahrscheinlich: «Es braucht eine gewisse Kontaktzeit und den richtigen Ort, nämlich die Vene. Einfach etwas ins Gewebe zu spritzen, was dann effektiv sein soll – das ist wirklich schwierig», sagte er gegenüber SRF. Es spiele sicher eine Rolle, dass an Partys Alkohol und andere Drogen konsumiert würden.

Prof. Dr. med. Jan Fehr,  Infektiologe und Leiter des Departements Public & Global Health an der Universität Zürich.

Prof. Dr. med. Jan Fehr, Infektiologe und Leiter des Departements Public & Global Health an der Universität Zürich.

Bild: zvg

Der Kantonspolizei Solothurn wurden im Herbst 2022 mehrere Fälle von jungen Frauen gemeldet: «Sie berichteten von Schmerzen am Oberarm, geröteter Haut oder Kopfschmerzen. Auffallend war, dass die Geschädigten alle dieselbe Veranstaltung besucht hatten.» Die Ermittlung der Täter sei sehr schwierig, die Beweislage häufig dünn. Trotzdem: «Die Kapo nimmt jeden gemeldeten Fall selbstverständlich sehr ernst.» Bei den Fällen im Herbst hat die Kapo Anzeige wegen Körperverletzung gegen unbekannt bei der Staatsanwaltschaft erstattet, wie sie gegenüber SRF bestätigte.

Videoüberwachung soll Täter abschrecken

Infektiologe Fehr fasst zusammen: «Es gibt dieses Phänomen, aber wahrscheinlich ist die Blase, die man darum macht und die von den Medien aufgenommen wird, grösser als das Problem selbst.»

Für «Kofmehl»-Programmleiter Wigger ist jedoch klar: «Wir haben tatsächlich bestätigte Fälle - entsprechend müssen wir jeden Verdachtsfall ernst nehmen. Es herunterzuspielen, wäre das Schlimmste, was man machen könnte.» Nicht zuletzt verzeichnete das «Kofmehl» einen massiven Rückgang der Besucherzahlen in der Folge der ersten Fälle von «Needle Spiking» im Herbst.

«Es ist ein Thema, das die Leute – vor allem die jungen – sehr verunsichert», so Wigger. Im «Kofmehl» ist aus diesem Grund nun in allen öffentlichen Räumen eine Videoüberwachung installiert. (szr)