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Im September haben polnisch-schweizerische Mitbürger die «IG der Nachkommen internierter Polen in der Schweiz» gegründet. Nun trafen sie sich zu einem Gedankenaustausch gegen das Vergessen und stellten im Aaregarten den Verein vor.
Zahlreiche Gemeinden in der Schweiz waren während des Zweiten Weltkrieges von der Internierung polnischer Soldaten betroffen. Trotz des Kontaktverbotes mit Frauen heirateten bis Oktober 1945 316 Schweizerinnen einen polnischen Internierten. 369 Polen wurden Väter von unehelichen Kindern.
Laut Dunkelziffer dürften es etliche mehr sein, wie Rudolf Käser im Rahmen eines spannenden Vortrages zum «Concentrationslager» Büren an der Aare betonte. «Viele tragen das Vaterland Polen in sich und wissen es gar nicht», so der Obmann der Vereinigung für Heimatpflege Büren.
Stadtpräsident Kurt Fluri erinnerte daran, dass in der Region in insgesamt 13 Ortschaften internierte Polen untergebracht waren. Dort wurden sie vornehmlich auf bäuerlichen Betrieben eingesetzt und waren geschätzte Arbeitskräfte. Mit einem Blick auf den polnischen Freiheitshelden Kosciuszko, der 1815 in Solothurn eine Bleibe fand und zwei Jahre später in seinem solothurnischen Asyl starb, und Johann Viktor der II. von Besenval, der die polnische Gräfin Katharina Bielinski heiratete, unterstrich Fluri die vielfältigen Beziehungen zu Polen.
Ab in Kosciuszko-Museum
Thomas Wallner, Präsident der Kosciuszko-Gesellschaft, die am Sterbeort von Kosciuszko ein Museum betreibt, berichtete, dass das Hilfskomitee «Pro Polonia» und die 2. Polnische Schützendivision während der Internierungszeit eine Renovation der Polenanlage in Zuchwil in die Wege leiteten. Was das Museum betreffe, sei dieses in der Kriegszeit «als Hort der Emigrierten» geradezu überschwemmt worden. So lese man in den Weisungen des Internierungs-Kommandanten 1940: «Ausflüge ausserhalb der Region werden keine bewilligt. Ausgenommen ist der Besuch des Kosciuszko-Museums.»
Nach der Niederlage Frankreichs gegen Deutschland traten im Juni 1940 rund 42 000 Mann der französischen Armee über die Schweizer Grenze und liessen sich internieren. Darunter befand sich die 2. polnische Schützendivision mit 6000 Mann. Für sie wurde ein «Concentrationslager» in der Aare-schlaufe des «Häftlis» bei Büren errichtet, das bereits im Herbst 1940 bezugsbereit war. Gesichert durch einen Wachturm, Stacheldraht und Wachen mit Polizeihunden sollte das Lager vor allem einen Punkt bei Internierungen erfüllen: dass die Soldaten nicht mehr in Kampfhandlungen eingreifen konnten. Doch wurden die Offiziere in Privatwohnungen in Büren untergebracht. Ein Arbeitseinsatz am Aareufer zerschlug sich mangels Interesse der Solothurner Regierung, und es kam zu Unruhen im «Polenlager», das bis zu 8000 Bewohner zählte, zuletzt auch Italiener und Russen. (WW)
Als berührend bezeichnete der polnische Minister Jan Stanislaw Ciechanowski, Abgeordneter für Kriegsveteranen, die historisch gewachsene Gastfreundschaft der Solothurner gegenüber den Polen. «Solothurn hat unseren Nationalhelden empfangen und die Schweiz schuf während des Zweiten Weltkrieges unter grossem Druck von aussen Bedingungen, von denen andere Soldaten nur träumen konnten. Sie durften arbeiten und sich weiterentwickeln.» Dank dieser Gastfreundschaft hätten viele polnische Männer im Alter von 18 und 19 Jahren ihre Jugend nicht verpasst.
Dankbar zeigte sich auch Wlodiemerz Cieszkowski, einer der letzten noch lebenden Internierten, der Kurt Fluri ein Emblem der polnischen Luftwaffe überreichte. «Wir wurden von der schweizerischen Bevölkerung am letzten Tag der offenen Grenzen mit Jubel empfangen.» Verwundete seien gepflegt worden, und «wer sonst noch Hilfe benötigte, hat diese bekommen». Die gütige Aufnahme habe zudem beigetragen, «dass wir ruhig werden und wieder ein normales Leben führen konnten». Nur einmal sei er unter Arrest gestellt worden, nämlich dann, als er sich verbotenerweise mit Schweizerfrauen getroffen habe.
Daran waren aber nicht nur die Internierten schuld, wie Rudolf Käser festhielt: «Die Frauen strömten teilweise zu Hunderten mit dem Velo nach Büren, um mit den gut aussehenden jungen Männern in Kontakt zu kommen.» Trotz der Restriktionen hätten die militärischen Behörden gute Arbeit geleistet, denn es sei kein Honigschlecken gewesen, die Sympathien der Bevölkerung in die richtigen Bahnen zu lenken. «Schliesslich wollte man nicht den Ärger von Hitler auf sich ziehen.»
Umrahmt wurde der Anlass von einer polnischen Tanzgruppe, die für ihre Darbietungen mit viel Applaus belohnt wurde.