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85'000 Eintritte wurden in der Kulturfabrik Kofmehl in dieser Saison gezählt. Mittlerweile gibt es mehr Konzerte, aber weniger Partys. Die Macher sinnieren über den Sinneswandel bei Publikum und Künstlern.
In der Kulturfabrik klingt die elfte Saison am «neuen» Standort aus, und längstens weibelt Programmleiter Patrick Juchli bei Bands und Managements für die zwölfte: «Wir sind mitten in der Planung.» Lorbeeren gäbe es zwar einige für die 250 ehrenamtlichen Mitstreiter, nur fürs Ausruhen bleibt keine Zeit: 250 Anlässe fanden in dieser Saison statt. 320 Bands oder 1400 Einzelkünstler standen auf der Bühne.
Der Wermutstropfen findet sich bei der Besucherstatistik: Mit 85'000 Eintritten gingen die Zahlen um rund zehn Prozent zurück. «Der Rückgang ist aber nicht dramatisch», winkt Betriebsleiter Pipo Kofmehl ab: «Keine Saison ist wie die andere.» Tatsächlich lässt sich die Entwicklung damit begründen, dass bewusst weniger Partys und mehr Konzerte programmiert wurden (siehe Kasten unten).
Für Juchli und für Anlassmanager Stefan Wigger steckt dahinter ein verändertes Besucherverhalten. «Die Freitagabende werden nicht mehr so sehr für den Partyausgang genutzt», so Juchli. Hingegen nimmt man sich für ein gezielt ausgewähltes Konzert sogar unter der Woche Zeit. Kofmehl weiss: «Für Konzertbesucher ist es wichtiger geworden, dass sie planen können.»
Wilde Zeiten sind vorbei
Auch die Künstler haben sich gewandelt: Abstecher auf den Weissenstein, Fitness im «Athena» und danach direkt auf die Konzertbühne, so das neue Profil. «Sex, Drugs and Rock’n’Roll waren einmal. Doch heute zählt das bewusste Leben ohne das Klischee des Rebellischen», sinniert Kofmehl und spielt damit auf wilde Pionierzeiten an.
Der Wandel habe auch mit den Sozialen Netzwerken zu tun: «Sogar hinter den Kulissen wird alles fürs Internet dokumentiert und zugänglich.» Beispielsweise ist der Rostwürfel auch in einem Videoblog der Band Kodaline zu sehen.
«Mit solchen Mitteln bindet eine Gruppe seine Fangemeinde.» Und auch als Veranstalter ist man bemüht, sich repräsentabel zu zeigen. Entsprechend sei der Betrieb «gefestigt»: «Die Kulturfabrik ist ins Quartier integriert.» Ausserdem habe man die Reibungsflächen punkto Lärm und Littering im Griff. «Bei 250 Anlässen pro Jahr gibt es natürlich einzelne Vorfälle. Dennoch ist die Zusammenarbeit mit Polizei, Werkhof und Nachbarschaft sehr gut.»
Der Mix machts
Mehr Konzerte, weniger Parties, so das Fazit für die zu Ende gegangene Saison. So findet sich auf dem Saisonflyer eine stattliche Anzahl an Gassenfegern. Für Programmleiter Patrick Juchli zählen «Kodaline» und «Sabaton» dazu, die zweite Gruppe gar, «bevor sie durch die Decke schoss.» Dasselbe mit «Glasperlenspiel» die vor ihrem Erfolg engagiert wurden. Steht dahinter ein Frühwarnsystem für musikalische Senkrechtstarter? «Nein, es war einfach Glück», meint Pipo Kofmehl. Andere Erfolgsgaranten vor allem aus dem heimischen Markt runden den Reigen ab: «Patent Ochsner», «77 Bombay Street», Polo Hofer, Stephan Eicher, Sophie Hunger, Bastian Baker, Baschi, Seven, Bligg, «Breitbild» oder Manillio. «Der Mix machts», sagt Kofmehl – und darüber hinaus die kleinen Konzerte. «Sie machen den wichtigen Löwenanteil aus.» Es sind Künstler, die an der Schwelle zum Durchbruch stehen. (ak)
Nach ihrer «Sturm und Drang»-Phase befindet sich die Kulturinstitution seit wenigen Jahren in der Konsolidierungsphase. «Ankommen ist schön, aber nicht immer einfach», sagt Kofmehl. «Dass die Dynamik bestehen bleibt, ist unsere Herausforderung, die wir dank spannender Inhalte und toller Menschen um uns herum meistern können.» Ein Credo, das seit 1992 gilt: «Man muss Fan sein, um hier mitzuwirken.»
Junge Leute zwischen 20 und 25 Jahren sind in Projekten oder dauerhaft aktiv – während 40'000 ehrenamtlichen Stunden pro Jahr. Meistens nehmen die Möglichkeiten zum Engagement erst mit dem Berufseinstieg ab. «Aber das hält die Crew jung», sagt Juchli. Gleichzeitig bringen die «Älteren» weiterhin ihre Erfahrung ein. «So entstehen keine Lücken», sagt Wigger. Gleichzeitig sei eine Auffrischung der Crew nur schon deshalb nötig, um ein authentisches, junges Programm anbieten zu können.
Werbung damals und heute
Damit sich selbiges dann auch vermarkten lässt, ist der Informationsstrategie geschuldet: «Die Leute in der Informationsflut packen zu können ist die Herausforderung», sagt Kofmehl. Der Umbruch der Werbung von Papier auf Internet nimmt laut Juchli seit einem Jahrzehnt seinen Lauf. Dabei gehörte die Institution zu den Pionieren, wenn es um eine Webseite und eine Mailadresse geht. «Die Webseite ist noch heute das Herzstück unserer Informationsstrategie.»
Zudem: Heute ist die Kofmehl-Facebook-Gruppe die zweitgrösste unter den Schweizer Veranstaltungslokalen. So wird auch hier das Stichwort «Big Data» immer wichtiger: «Wissen wir mehr zum Voraus über das Besucherverhalten, so können wir auch Bereiche wie Personal und Sicherheit noch besser planen. Früher prognostizierte man oft ins Blaue hinaus.»
Doch allein an Klickzahlen und Facebook-Likes bemisst sich der Kofmehl-Erfolg nicht. «Wir sind eine gute Adresse für Konzerte geworden – dafür sprechen unser Publikum, unsere Crew, die Technik, der Backstage-Bereich und nicht zuletzt die Stadt Solothurn selbst», sagt Pipo Kofmehl.Nichtsdestotrotz bedarf das Kofmehl immer wieder kleiner Auffrischungen. So ist für diese Saisonpause ein Ausbau im ton- und lichttechnischen Bereich vorgesehen, von denen der Besucher aber nichts mitbekommt. «Unser grosses Update ist voraussichtlich für nächstes Jahr vorgesehen», sagt Kofmehl und zeigt auf die Bühne, die revidiert werden muss: «Langsam aber sicher ist sie ziemlich ‹verrockt›.»