R'n'B
In diesem «Bunker» entstehen Perlen

Der R’n’B-Musiker Ay Dee arbeitet in seinem Tonstudio an seinem Debütalbum. Widerstandt und Skepsis konnten ihn nicht von seinem Vorhaben abbringen.

Andreas Kaufmann
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Es ist ein Ort, an den die Sonne nie hingelangt, es sei denn, in einen Songtext verpackt. Stattdessen regen im Tonstudio an der Wengistrasse Kunstlicht in Rot und Grün und Wandgraffiti zu Inspirationen an. Ay Dee, der hier kreativ wirkt, hält sich auch gar nicht an den Turnus, den das Tageslicht vorgibt. Wenns um die Musik geht, wird die innere Uhr abgeschaltet. Ay Dee arbeitet oft bis über die Morgendämmerung hinaus, schläft einige Stunden, um dann wieder in den «Bunker» zurückzukehren. So nämlich nennt der 27-jährige gebürtige Kosovare mit bürgerlichem Namen Adnan Mursula sein kleines Atelier. Hier reift sein erstes R’n’B-Album «Hard Days» heran – durch eine scheinbar endlose Abfolge an Feinschliffen: «Ich kann mir ein Stück zehnmal anhören und zehnmal was finden, was sich verbessern liesse.» Und dann wird neu eingesungen, neu gemixt, neu eingespielt. Anfang 2011 soll das Album fertig sein.

Ein Weg voller Hürden

Perfektionist ist Ay Dee in jeder Hinsicht, als Sänger, Komponist, Produzent und Mischer. Genau deshalb sind seine Begegnungen mit dem Tageslicht ebenso flüchtig wie diejenigen mit regelmässigen Mahlzeiten. Bei aller Aufopferung für die Leidenschaft Musik vergisst er zeitweise zu essen: «Dann bekomme ich zu hören, ich sähe schon aus wie der hier», sagts und deutet grinsend auf das Knochengerüst auf seiner Kapuzenjacke.

Den Weg der Aufopferung verfolgt er beharrlich, beinahe seit der Wiege, allem Widerstand trotzend. Denn Widerstand hatte Mursula reichlich zu meistern, nachdem er sich 1996 einen Traum verwirklichte: Zusammen mit seinem Bruder und einem Freund gründete er eine Gruppe, die sang und tanzte. «Doch wie reagieren viele Eltern auf den Wunschtraum Musiker? Sie machen dir klar, was ‹Anständiges› zu lernen», spricht er aus Erfahrung. Zu Hause nämlich bekam Ay Dee dies schmerzhaft zu spüren, als der Vater versuchte, ihm die Liebe zur Musik auszutreiben. Und nicht selten waren die Jungs auf dem Pausenplatz dem Spott ihrer Gspänli ausgesetzt: «Ihr schafft das nie», lästerten sie. Und obwohl die Gruppe den Zweifel durch Erfolg zerstreute und sich 2001 einen Plattenvertrag sichern konnte, kam es im gleichen Jahr zum Knatsch im Management und auch zum Ende der Gruppe.

Auch die Stimme braucht Pausen

Darauf folgte der hartnäckige Alleingang von Adnan Mursula. Den feurigen Antrieb sieht man ihm noch heute an, wenn er teilweise 20 Stunden im «Bunker» sitzt. Doch dann gibt es Zeiten, da muss er raus, weil die Stimmbänder ihre Pause einfordern. Oder weil zur Inspiration auch buntes Kunstlicht nicht immer ausreicht. «Dafür genügt dann der Klang von Kirchenglocken, die mich zu einer Melodie für einen Song inspirieren.» Und der Rohstoff seiner Themen liefert das Leben selbst: «Mein neues Album handelt von Themen wie Familie, Liebe, Geld, Armut, Sex, Drogen.» Wie sein Weg als Musiker ist auch das Album eine Achterbahnfahrt, die vom luftigen Popsong bis zum schweren R’n’B überall vorbeiführt.

Von Lob und Kritik unbeeindruckt

Vor der Gesangskabine prangt Michael Jackson in Posterformat. Und wer in die bereits veröffentlichte Single «Come back to me» hineinlauscht, kommt nicht umhin, Ähnlichkeiten zu dessen leichter Stimme heraushören. Im Falsett singt Ay Dee die Backing Vocals gleichsam stimmsicher und gefühlvoll über seine eigene Leadstimme. Stets schlägt er jedoch seinen eigenen Weg ein, singt in seinem ureigenen Timbre: Kopieren will er nichts, und so sind seine Songs von einer ganz eigenen Prägung: Dies gilt auch für sein Outfit, das eher an Hip-Hop erinnert.

In eine Schublade lässt sich Ay Dee ohnehin nicht stecken: «Lob ist was Schönes, kann aber auch ablenken. Und Negativkritik geht bei mir zum einen Ohr rein und zum anderen raus.» Umgekehrt wünscht er sich, dass seine Songs eben dort haften bleiben. Dies ist bei seiner siebenjährigen Tochter der Fall, die sich für das Schaffen ihres Vaters begeistert und zuweilen selbst das Mic schnappt. Ay Dee, der sich stets mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser halten konnte und jetzt den steinigen Weg des Musikers weitergeht, will aber, dass seine Tochter etwas Anständiges lernt. Will sie jedoch was singen, dann sagt Papa: «Prinzessin, hier ist die Gesangskabine, da das Mic. Geh hinein, let’s rock!»