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Welche Geschichte hat die Vorstadt Solothurn hinter sich? Die Frage wird nun beantwortet. Die Stadtverantwortlichen luden zu einer Diskussionsveranstaltung. An dieser wurde über Wünsche und Massnahmen diskutiert.
«Ein Stadtteil, in dem sich im Lauf der Jahrhunderte so viel Spannendes ereignet hat, darf nicht als mindere Stadt bezeichnet werden.» Dies die markanten Worte von Urs Scheidegger, der zurzeit mit seinen Vorträgen unter dem Titel «Nostalgieflüge über Solothurns Aussenquartiere» viele Leute anlockt. Über die Vorstadt und ihre Vergangenheit sprach der ehemalige Stadtpräsident auf Einladung der Vereinigung Pro Vorstadt im Volkshaus im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung, an der über zukunftsorientierte Massnahmen und Wünsche diskutiert wurde.
Vor der Lynchjustiz bewahrt
Wie Scheidegger betonte, wohnt zurzeit im südlichen Teil der Stadt rund ein Fünftel der städtischen Bevölkerung. Das sei nicht immer so gewesen: «Wer in den dicken Büchern über Solothurn forscht, erkennt rasch, dass die Vorstadt darin kaum existiert.» Lange war die Vorstadt ein landwirtschaftlich geprägtes Gebiet mit wenigen Bauten, das von vielen Überschwemmungen heimgesucht wurde.
Erst nach dem Bau des imposanten Festungswalls, der dreimal so gross war wie der historische Brückenkopf in der alten Vorstadt, planten die gnädigen Herren rund um das damalige Kornhaus ein «luftiges, schönes Wohnquartier» in dem sich Solothurner Patrizier ansiedeln sollten. Obwohl zu diesem Zweck ein prächtiger Quai mit Rollhafen gebaut wurde und 1697 die als Fussgängersteg gebaute Kreuzackerbrücke dazu kam, zeigten die Wohlhabenden wenig Interesse, in die Vorstadt umzuziehen. Lediglich das Gressly- und das Kaiserhaus zeugen von diesem Unterfangen.
22 Jahre gewartet
Dagegen tat sich im Laufe der Zeit einiges im Alten Spital, das im Oberen und im Unteren Winkel gelegene Alte Spital. Wie Scheidegger festhielt, waren dort die Zustände jedoch so miserabel, dass es erst den 1784 nach Solothurn berufenen Spitalschwestern gelang, für Ordnung zu sorgen.
Statt Patrizierhäusern wurde 1756 schliesslich das «Prison» gebaut, das in ein Untersuchungsgefängnis umgewandelt wurde, nachdem die Gefangenen ab 1859 im umgebauten Kornhaus einquartiert wurden. Nach dessen Abbruch dauerte es 22 Jahre, bis dort nach endlosen Diskussionen endlich die Gewerbeschule gebaut werden konnte. Wie Scheidegger erzählte, kam es 1798 beim Prison zu einer gefährlichen Situation.
Als bekannt wurde, dass die französische Armee näher rückte, wurden dort die so genannten Patrioten kurzerhand eingesperrt, und die aufgebrachte Bevölkerung war nahe daran, die Eingesperrten zu lynchen. «Nur die im Galopp von Grenchen herbeigeeilten Reiter General Schauenburgs konnten das Massaker verhindern.»
Ein Bauboom mit Folgen
Mit den Jahren fanden aber auch bedeutende Gewerbetreibende den Weg in die Vorstadt. Scheidegger nannte viele beim Namen: Die Baumwollfabrik Franz Josef Gerber, die Glockengiesserei Kaiser, wo alle Glocken der St.-Ursen-Kirche gegossen wurden, die ehemalige Malzfabrik, die Weinhandlung Lüthy, die Sattlerei Bohnenblust, die Kafferösterei und Essigfabrik Oetterli sowie die Uhrenmanufaktur Watex.
Zahlreiche Emotionen und Erinnerungen löste Scheidegger aus, als er in seinem mit viel Bildmaterial angereicherten Vortrag auf den Bauboom in «Neu-Solothurn» zu sprechen kam und gleichzeitig an den kaum nachvollziehbaren Abbruch von prächtigen Gebäuden wie etwa das alte Hotel Metropol erinnerte. Vieles allerdings blieb erhalten, so etwa die so genannten «Genferhäuser» an der Dornacherstrasse (sie wurden von einer Genfer Firma in Auftrag gegeben), die Häuserzeile beim einstigen Hotel Terminus, von deren prächtigen Eleganz und Atmosphäre ausstrahlenden Vorgärten allerdings wenig übrig geblieben ist.
Kino-Premiere im Rosengarten
Bei der Vorstadt denke man aber auch an die vielen traditionsreichen Gaststätten, deren Dichte höchstens noch mit den heutigen Restaurationsbetrieben entlang der Aarenordseite verglichen werden könne. Viele Gesichter hellten sich auch auf, als Scheidegger auf das einstige Begegnungszentrum Rosengarten zu sprechen kam, wo die Jugend erstmals mit Kino in Berührung kam.
Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn man verrückten Ideen wie dem Bau der inneren Westtangente nicht rechtzeitig den Riegel gesteckt hätte. Und wenn beim Spaziergang durch die Vorstadt schon Erinnerungen wach werden: «Von nirgendwo hat man 1955 den Brand des Landhauses in der mehreren Stadt besser beobachten können als vom Kreuzackerquai aus», schmunzelte Scheidegger.