Museum Blumenstein
Die Leidenschaft für das Kartenspiel war im barocken Solothurn riesig

Der Spielteufel grassierte im barocken Solothurn trotz Verboten. Die Ausstellung «Tarock im Barock» im Museum Blumenstein zeigt: Patrizier, Geistliche und Bürger, alle spielten sie.

Katharina Arni-Howald
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Spielabend im Kerzenlicht im Museum Blumenstein
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Richtig romantisch!
Karte von Franz Joseph Heri, Trumpf 7 mit seinen Initialen. Diese Karte gehört dem Schweizerischen Nationalmuseum.
Karte von Franz Joseph Heri, eine Münzen Zwei mit Heris Signatur. Diese Karte gehört dem Schweizerischen Nationalmuseum.
Karte von Joseph Stelli, für die er allerdings ein Model seines Vorgängers Urs Moser verwendet hat, was völlig üblich war. Trumpf 7, ebenfalls mit den Initialen Mosers. Diese Karten gehören dem Museum Allerheiligen in Schaffhausen
Karte von Amanz Zweili, dem letzten Kartenmacher der Stadt Solothurn. Auch diese Karte gehört dem Nationalmuseum.
Karte von Amanz Zweili, dem letzten Kartenmacher der Stadt Solothurn. Auch diese Karte gehört dem Nationalmuseum.
Karte von Conrad Iseli, die er mit einem Model von Franz Joseph Graf hergestellt hat. Auch hier ist dies gut zu sehen, da Iselis Name hervortritt. Die Karten gehören dem Blumenstein.

Spielabend im Kerzenlicht im Museum Blumenstein

zvg

Als bevorzugter Zeitvertreib erfreute sich das Spielen mit Karten im 18. und frühen 19. Jahrhundert grösster Beliebtheit. Solothurn war in dieser Hinsicht keine Ausnahme.

In den Zunftstuben, an der Ambassade, in Wirtshäusern und in den Häusern der Patrizier, Geistlichen und Bürger vergnügten sich Menschen aller Schichten mit einer Vielzahl von immer neuen Kartenspielen.

Wenig bekannt ist, dass die Karten, die dabei zum Einsatz kamen, zu einem grossen Teil in Solothurn selbst hergestellt wurden.

Eine ganze Reihe von Spielkartenmachern und Spielkartenmacherinnen widmeten sich in hiesigen Werkstätten der Spielkartenfabrikation und verkauften diese in die halbe Eidgenossenschaft und darüber hinaus.

Knausrige Solothurner

Im Rahmen der Ausstellung «Tarock im Barock» im Museum Blumenstein ging der Historiker Andreas Affolter dem Kartenspiel und der Spielkartenfabrikation in der Stadt Solothurn nach und verblüffte das zahlreich erschienene Publikum mit interessanten Details.

Nicht nur die Ratsmanuale, auch die Berichte von Besuchern, die sich im 18. Jahrhundert in der Kleinstadt aufhielten, sind Zeugen der zum Teil überbordenden Spielleidenschaft der Solothurner.

Einer davon ist der scharfzüngige Beobachter der vornehmen Solothurner Gesellschaft, David François de Merveilleux. Er erzählt in seinem Reisebericht, wie sich Auserwählte jeden Abend in der Residenz der französischen Ambassade zum Dinieren und Spielen einfanden.

Während die Gattin des Ambassadors ihr Geld auf nobelste Art und Weise verspielte, hätten sich die Solothurner äusserst knausrig verhalten, schreibt Merveilleux.

Auch Giacomo Casanova erwähnt 1970 in seinen Memoiren, wie er an der Ambassade «mit einer jungen Blonden und einer geistvollen Alten» eine allerdings langweilige Partie «Tri» spielte und dabei drei Louis verlor.

Strafen und Mandate

Wer nicht beim Ambassador eingeladen war, versammelte sich in den Zunfthäusern, wo getrunken, geraucht, gegessen und um Einsätze von sechs Kreuzern das Kartenspiel «Triomphe» gespielt wurde.

Kaum ein Abend verging, ohne dass nicht irgendwo in abendlichen Zirkeln oder bei den Geistlichen Karten gespielt wurde. Ein «plaisir», das aus Solothurn nicht mehr wegzudenken war.

Obwohl das Kartenspiel in der frühen Neuzeit nicht grundsätzlich verboten war, fühlte sich der Solothurner Rat verpflichtet, zu gewährleisten, dass alles in geordnetem Rahmen ablief und das Spielen «kein Unheil und Unordnung» anrichtete.

Gedacht wurde vor allem an den familiären Ruin und seine Folgen. Wenn nötig wurden die Spielmandate verschärft und Geldstrafen ausgesprochen.

Gewisse Spiele, zu denen auch die Glücksspiele gehörten, wurden verboten. Dass die Ratsmitglieder selbst dieser Leidenschaft verfallen waren, wurde ausgeblendet.

Während die Solothurner Patrizier wenig zu befürchten hatten, wenn sie gegen die vom Rat erlassenen Spielmandate verstiessen, hatten die Untertanen weniger Glück.

Bereits 1701 wurde der Landbevölkerung das hohe Kartenspiel verboten. Allerdings bewirkten die Verbote nach guter Solothurner Art weder in der Stadt noch auf dem Land etwas.

Anstatt in den Wirtshäusern auf dem Land zu spielen, frönten die Bauern nun ihrer Spiellust in der Stadt. Angesichts dieser unerfreulichen Entwicklung krebste der Rat zurück und erlaubte die Spiele auf dem Land erneut.

Karten made in Solothurn

Bei diesem Spielfieber, das immer mehr um sich zu greifen begann, ist es nicht verwunderlich, dass wie in anderen Städten der Eidgenossenschaft auch in Solothurn ein Zentrum der Spielkartenproduktion entstand.

Der erste greifbare Kartenhersteller des 18. Jahrhunderts in Solothurn war Franz Joseph Heri von Biberist, der aus der Not heraus Spielkarten herzustellen begann.

Kurz zuvor hatte der Rat dem obrigkeitlichen Buchdrucker mitgeteilt, dass in Zukunft bei der Auftragsverteilung Solothurner Bürger den Auswärtigen vorgezogen würden.

Der in Solothurn wohnhafte Hintersässe zog sich alsdann aus dem umkämpften Buchdruckergewerbe zurück und verlegte seine Tätigkeit auf ein Feld, auf dem er seine Fähigkeiten im Umgang mit Papier und Druck ebenfalls einsetzen konnte.

Sein Tarockspiel von 1718 ist das erste in der Schweiz hergestellte Tarock. Die Qualität seiner Karten stand seinen zeitgenössischen Vorbildern aus Frankreich in nichts nach.

Zu den besonders erfolgreichen Kartenherstellern in Solothurn gehörte auch die Witwe Barbara Moser, die sich mit der Spielkartenproduktion ein ansehnliches Einkommen erwirtschaftete.

Ihr ebenbürtig war die als «Kartenbabi» bekannte Witwe Barbara Tschan, die nach dem Tod ihres dem Alkohol verfallenen Mannes neues Kartenmacherwerkzeug anschaffte und bei ihrem Ableben 118 verschiedene Model besass.

Mit Barbara Tschan waren Ende der 1760er-Jahre auch Franz Joseph Graf und Joseph Stelli in der Spielkartenfabrikation tätig.

Mehr über das von Andreas Affolter erforschte Kartenspiel und die Spielkartenproduktion in Solothurn erfährt man im Jahrbuch für Solothurner Geschichte 2015. Es ist für 55 Fr. in der Zentralbibliothek Solothurn erhältlich.