«Restessbar»
Damit weniger weggeschmissen wird

Retten, was noch essbar ist, lautet die Devise. Auch Solothurn hat nun ein solches Projekt am Start

Drucken
Das Kernteam der geplanten Restessbar mit (v. l.) Marion Schweizer, Alyssa und Leonie Krattiger im Unterstand.

Das Kernteam der geplanten Restessbar mit (v. l.) Marion Schweizer, Alyssa und Leonie Krattiger im Unterstand.

Tom und Tina Ulrich

Essen wegschmeissen: Was vielen Menschen in ihrem persönlichen Moralempfinden sauer aufstösst, verdaut sich nicht besser, wenn man die Statistiken dazu liest. In der Schweiz landet laut einer Studie des WWF und foodwaste.ch rund ein Drittel aller produzierten Lebensmittel im Abfall.

So liess das Thema auch der Biberisterin Marion Schweizer keine Ruhe, als sie sich im privaten Umfeld darüber Gedanken machte: «Es ging mir gegen den Strich, beispielsweise Zucchetti auf den Kompost zu schmeissen.» Ebenso stammt ein Anteil von mehr als zehn Prozent der fortgeworfenen Ware aus den Regalen des Detailhandels.

In vielen Städten der Schweiz machen deshalb seit rund zwei Jahren Projekte Schule, die Lebensmittel aus den Einkaufsregalen vor dem Abfall bewahren, sofern diese noch geniessbar sind. Tatsächlich hat das Konzept der sogenannten «Restessbars» bereits einen beachtlichen Siegeszug durch die ganze Schweiz zurückgelegt.

In Winterthur wurde Anfang 2014 die erste Einrichtung lanciert, gefolgt von Luzern, Frauenfeld, Kreuzlingen, Schaffhausen und schliesslich Olten. Inspiriert von diesen Entwicklungen lancierte Marion Schweizer deshalb diesen März eine Facebook-Gruppe, die bis heute rund 460 Mitglieder fasst.

«Es stellte sich bald heraus, dass auf diese Weise nicht nur ‹Likes› zustande kamen, sondern viele ihre aktive Mithilfe zusicherten.» So fanden an der Idee der «Restessbar» bald auch Leonie und Alyssa Krattiger Gefallen. Es folgte ein Besuch bei der «Restessbar» in Olten, die bereits seit einem knappen Jahr in Betrieb ist.

Lange Standortsuche

Bald machte sich die Spendefreudigkeit bemerkbar: zwei Velos, zwei dazugehörige Anhänger, zwei Kühlschränke sowie weiteres Mobiliar wie ein Schrank für Brotwaren wurden zur Verfügung gestellt. Mit einem Projekt, das ohne Budget auskommen muss, war die Kerngruppe um Schweizer für die Gaben überaus dankbar. Nur: «Das grosse Stück Arbeit lag darin, den Standort zu finden.»

Aufrufe über Radio und unter Facebook wurden gestartet, auch bei privaten Grundstücken wurde nachgefragt – aber ohne Erfolg. Die Gruppe war dem Resignieren nah, bis sich vor kurzem eine Lösung abzeichnete.

Über eine Arbeitskollegin von Marion Schweizer, die als Künstlerin im Künstlerhaus S11 verkehrt, kam sie in Kontakt mit Anna Bürkli. «Sie und schliesslich das ganze ‹S11›-Team zeigten sich begeistert von der Idee.»

So war mit dem Hinterhof und Garten des Künstlerhauses entlang der Westringstrasse ein Standort für die «Restessbar» gefunden. «Und der Strom wird uns ebenfalls vom ‹Künstlerhaus› zur Verfügung gestellt», freut sich die Initiantin.

Über Facebook fand sich dann bald auch ein Schreiner, der sich des Unterstands für die Kühlschränke annahm: «Da wir kein Budget haben, hätten er und seine WG-Kollegen für die Holzkonstruktion zusammengelegt.»

Nur «unkritische Ware»

Aktuell wartet das Kernteam auf die Freigabe durch die Lebensmittelkontrolle. Denn die Hygiene- und Gesundheitsbestimmungen sind auch für ein solches Angebot streng angesetzt: So kommen nur «unkritische Lebensmittel» in die «Restessbar»: Dazu zählen, Obst, Gemüse sowie Brot- und Trockenwaren, nicht aber Fleisch, Fisch oder Speisen, die Eier enthalten.

Ebenso darf die Ware nicht mit dem Hinweis «Zu verbrauchen bis» gekennzeichnet sein. Ebenso wird das Solothurner Team um eine regelmässige Reinigung und Wartung der Bar bemüht sein.

Die Stationen, die es in Schweizer Städten mit gleichem Konzept bereits gibt, unterstützen neue Projekte bei ihrem Aufbau mit eigenem Erfahrungswissen, was beispielsweise den Gang durch die Ämter und die Konzeptarbeiten erleichtert. So konnte man im Falle von Solothurn auf die Vorarbeit der Oltner zurückgreifen.

Wunschdatum: 6. Dezember

«Sobald wir grünes Licht der ‹Lebensmitteler› haben, werden wir die Läden anfragen und einen Tour- und Einsatzplan für die Helfer erstellen», erklärt Marion Schweizer weiter. Natürlich können auch Privatpersonen Esswaren spenden.

Ihr Wunschdatum für den Start der «Restessbar» ist der 6. Dezember. «So können wir uns anlässlich des Chlausemärets auf dem Friedhofplatzpräsentieren», sagt sie in der Hoffnung auf gute Resonanzen: «Wir wollen aber nicht nur Lebensmittel vor dem Abfall retten, sondern auch das Bewusstsein für ihren Wert schärfen», so Schweizers Mission.

Zielgruppe für das Angebot sind aber nicht nur Menschen am Existenzminimum. «Unser Projekt hat weniger einen humanitären Schwerpunkt. Vom Anwalt über die Putzfrau bis hin zum Arbeitssuchenden ist jeder willkommen», sagt Schweizer, die im beruflichen Leben als Betreuerin bei Solodaris arbeitet.

Allerdings muss sie auf Fairness und Anstand beim Essensbezug hoffen: «Dass Leute hamstern könnten, lässt sich wohl nicht verhindern.» Doch dann bleibt immer noch die Zuversicht, dass die «Restessbar» in Solothurn Erfolg zeitigen wird – und zwar im Sinne ihrer Erfinder.

Mehr Infos: solothurn@restessbar.ch