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Theres Gabi und René Henz werden in ihrer Tätigkeit als Schulsozialarbeiter mit vielschichtigen, jungen Lebenswelten konfrontiert. Schüler, denen etwas unter den Nägeln brennt, können mit den Sozialarbeitern über ihre Probleme sprechen.
Durchs Schulzimmer 50 dringt Tageslicht von draussen in den dunklen Gang des Hermesbühl-Schulhauses. Die meiste Zeit steht dort die Tür offen, und das aus gutem Grund: Hier, etwas abseits vom Schülerstrom, empfängt die Sozialarbeiterin Theres Gabi Schülerinnen und Schüler, denen es unter den Nägeln brennt: «Wenn ich nicht gerade besetzt bin, können sie einfach reinkommen», sagt Gabi, «das ist ein wichtiger Punkt.» Gelebte Niederschwelligkeit, die sich schon im Türrahmen ankündigt und vielleicht jenen Erhellendes verhofft, die den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen. Man ist vorbereitet auf unerwartete Besuche: «Gerade in der jugendlichen Lebensphase kann von der einen auf die andere Stunde etwas Neues hinzukommen, was die Jungen beschäftigt.»
Auch das im Schulhaus Kollegium befindliche Büro ihres Arbeitskollegen, dem Sozialpädagogen René Henz, ist Anlaufstelle für Probleme der Jugendlichen. Zusammen decken Gabi und Henz alle Stadtschulen ab. Dies tun sie seit 2005, zunächst als Projekt und seit 2008 in definitiver Form. Die Schulsozialarbeit wird von den Perspektiven Region Solothurn als Leistungsauftrag der Gemeinde wahrgenommen. Und die Arbeit geht nicht aus, im Gegenteil: «Im Moment läuft sehr viel», stellt Gabi fest.
Was unter der Eisbergspitze liegt
«Vordergründig sind sinkende Schulleistungen oder drohende Zeugniseinträge wegen Disziplin die Hauptprobleme, die an uns herangetragen werden», sagt Gabi. Schulische Sorgen sind allerdings in den meisten Fällen bloss die Spitze des Eisbergs, wie Henz ausführt: «Meistens sind oft andere Themen die wahre Ursache. Unsere Aufgabe ist es, diese zu erfragen und herauszufinden.» Dies könne sich auch durch Verhaltensauffälligkeiten ausdrücken. Schliesslich werden je nach Problem mit dem Ratsuchenden Handlungsperspektiven erarbeitet, dann Ziele vereinbart und die konkrete Arbeit angegangen. Dies kann in Zusammenarbeit mit Eltern oder Lehrpersonen erfolgen, wenn es der Schüler oder die Schülerin denn so will. Bisweilen wird auch der Schulsozialarbeiter zum Vermittler zwischen Fronten und Interessen.
So werden im Rahmen der Schulsozialarbeit vielfältige Themen zutage gefördert: vom Verliebtsein über Prüfungsängste bis hin zu häuslicher Gewalt. Vorwiegend stehen Gabi und Henz aber Konflikten zwischen Lehrern und Schülern gegenüber – und solchen unter Schülern: Zwar kommt selten eine Faust zu fliegen, schliesslich sind die offiziellen Aufenthaltsorte kontrolliert. Aber subtile Gewalt beobachten beide öfters: «Da werden Znünis, Schirme oder Jacken von Klassenkameraden versteckt oder gestohlen.» Auch grobschlächtige Beleidigungen oder Auslachen seien festzustellen: «Das geht oft über den Spass hinaus und zielt schon bald auf Mobbing ab», sagt Henz. Demgegenüber gibt es die «Peacemaker», Schüler, die als Streitschlichter unter Begleitung der Schulsozialarbeit eingesetzt werden.
Wie stehts mit der Zukunft?
Neben Feuerwehr und Kummerkasten stellt aber auch die Prävention eine wichtige Funktion in der Arbeit von Gabi und Henz dar. Beispielsweise beim Thema «Sexuelle Gewalt» oder «Drogen»: «Wir begleiten auch Lehrer bei Gruppenarbeiten der Oberstufe. Das Thema Drogen wird dort im Fach Lebenskunde behandelt», erklärt Gabi. In der Schule selbst hingegen sei vor allem die Problematik des Tabakkonsums tragend, «aber dafür haben wir ein Rauchverbot auf dem ganzen Schulgelände.»
Und wenn es ums Thema Zukunft geht, beschäftigen sich die Jugendlichen der Oberstufe auch mit der Berufswahl: «Viele kommen mit einem eigenen Bild hierhin und glauben, sie hätten keinen Stich für einen Sprung in die Sek.» Vielfach spielen auch Versagensängste und fehlendes Wissen eine Rolle. Den Schülerinnen und Schülern steht bei Bedarf ein Berufswahl-Coach zur Seite. Eine Zusammenarbeit zwischen diesem Coaching und der Schulsozialarbeit ist in vielen Fällen sinnvoll und hilfreich.
Berührungsängste mit Zimmer 50
Eine Schülerin hats bis unter den Türrahmen geschafft und lehnt sich an, um mit Theres Gabi ein Problem zu besprechen. Berührungsängste mit dem Zimmer 50 gibts weniger als früher: «Solange sie unser Angebot nicht kennen, bleibt allerdings trotz offener Türe eine Hemmschwelle bestehen», sagt Gabi. Zeitweilen hört man in den Gängen schon mal ein «Ich bin doch nicht psycho!», wenn die Schulsozialarbeit als Option zur Sprache kommt. «Am Anfang war ich der Lehrer, der Psychiater, der Psychologe. Und es brauchte Zeit, bis sie verstanden haben, was wir wirklich tun», sagt René Henz.
Theres Gabi ergänzt: «Wir wollen sie ermutigen, auch neue Handlungsmöglichkeiten auszuprobieren – in kleinen Schritten. Denn auch wir haben weder ein Grundrezept noch einen Zauberstab, um die Probleme heutiger Jugendlicher einfach wegzufegen. Sie können jedoch erfahren, dass in jeder Lebensphase Schwierigkeiten und Konflikte auftreten können und werden – und die gute Botschaft dabei ist: Es gibt Möglichkeiten, diese zu verändern und zu lösen.»