Wahlen 2011
SP-Parteipräsidentin sieht «ein bis zwei Prozent mehr» als realistisches Ziel

SP-Parteipräsidentin Evelyn Borer bestimmt im Interview den politischen Standort der Partei im Vorfeld der eidgenössischen Wahlen. «Ein bis zwei Prozent Wähleranteil mehr sind aber ein realistisches Ziel», so Borer.

Marco Zwahlen
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Evelyn Borer, Präsidentin der SP Kanton Solothurn.

Evelyn Borer, Präsidentin der SP Kanton Solothurn.

Oliver Menge

CVP-Präsidentin Annelies Peduzzi stellt Ihnen folgende Frage: Eigeninitiative und Eigenverantwortung sollen belohnt werden. Teilt die SP diese Meinung?

Evelyn Borer: Jeder gesunde Mensch ist grundsätzlich eigenständig und kann damit für sich verantwortlich sein. Leider gibt es aber Menschen in unserer Gesellschaft, die das aus was für Gründen auch immer nicht können. Ich betone: Nicht können und nicht nicht wollen. Die die nicht könne, dürfen dafür nicht gestraft werden. Sie brauchen die Unterstützung des Gemeinwesens.

Was tut Ihre Partei, damit die Arbeitslosigkeit im Kanton Solothurn in den kommenden vier Jahren nicht steigt?

Wir legen Wert darauf, dass die Rahmenbedingungen funktionieren. Diese können auch von Fall zu Fall unterschiedlich sein. Ein konkretes Beispiel: Wir setzen uns vehement dafür ein, dass das Stahlwerk zu vernünftigen Strompreisen produzieren kann. Zudem setzen wir alles daran, dass in die erneuerbaren Energien investiert wird. Damit würden nachhaltig nicht nur Jobs erhalten bleiben, sondern unzählige neue Arbeitsstellen geschaffen werden.

Soeben haben viele Jugendliche ihre Lehre begonnen. Wie können Sie ihnen garantieren, dass sie mit 65 eine genügend hohe AHV-Rente erhalten?

Als SP werden wir uns mit aller Kraft für den Erhalt einer guten und finanziell tragfähigen AHV einsetzen, diese Garantie kann ich abgeben. Das System auf der solidarischen Finanzierungsbasis hat sich bewährt. Ob es in Bezug auf die demografische Entwicklung Anpassungen braucht, wird die Zukunft weisen.

Lena ist fünf Jahre alt und wohnt in Däniken. Wenn sie aus dem Fenster schaut, sieht sie den Kühlturm des AKW Gösgen. Wird sie in 30 Jahren immer noch Wasserdampf sehen?

Ich befürchte es. Nur wenn wir ab jetzt und heute konsequent auf alternative Energien setzen und in diese Geld buttern, wird Lena in 30 Jahren keinen Dampf mehr aus dem Kühlturm steigen sehen. Eines ist uns aber auch klar: Wir brauchen Energie, entsprechend braucht ein Atomausstieg seine Zeit.

An den Stammtischen heisst es, es kommen zu viele Ausländer in die Schweiz, um hier zu arbeiten. Muss die Personenfreizügigkeit angepasst werden?

Nein. Die Schweiz ist ein typisches Migrationsland. Der Einwanderung Schranken setzt unsere Gesetzgebung. Was wir aber nicht wollen, ist Lohndumping usw. Es kann nicht sein, dass wir unsere Wirtschaft an die Wand spielen. Ich glaube, Kontingente sind keine Lösung mit Zukunft, die Wirtschaftskraft eines Landes regelt die Zuwanderung von selbst.

Es gibt in der Schweiz Chefs, die verdienen 4 Millionen Franken pro Jahr, ihre Untergebenen bis zu 100 Mal weniger. Finden Sie das richtig?

Auf keinen Fall. Ich habe die Abzockerinitiative 1:12 der Juso unterschrieben. Ich bin aber realistisch genug: Sie wird kaum umsetzbar sein. Wichtig ist aber, dass die Initiative die gesellschaftlichen Folgen der zunehmenden Lohnschere aufzeigt. Und: Wenn sich die Unternehmen nicht selber besinnen, muss der Staat eingreifen.

Mit Fukushima ist der Atomausstieg brandaktuell geworden. Hinzu kommt die kriselnde Wirtschaft. Die SP kann momentan aber nur im Kernthema Wirtschaft punkten. Weshalb?

Wenn ich das nur wüsste. Politik ist Gedulds- und Sisyphusarbeit. Der SP haftet zwar das Image der reinen «Arbeiterpartei» an, sie verfügt aber über ausgewiesene Fachleute auch in Wirtschaftsfragen. Ihre Vorschläge in Bezug auf die Frankenstärke wurden zuerst verpönt, werden jetzt aber nach und nach umgesetzt. Die Frankenstärke und die Auswirkungen auf Kaufkraft und Arbeitsplatzverlust machen Angst. Dann rückt selbst eine Katastrophe wie Fukushima in den Hintergrund. Zudem sind die Probleme in der Atom- resp. Energiefrage sehr komplex. Der Eindruck kann entstehen, dass wir immer über das Gleiche reden und nichts würde sich bewegen. Manchmal erklären wir unsere Standpunkte und Anliegen etwas kompliziert. Trotzdem ist es für mich ein unerklärliches Phänomen, wie eine Partei mit immer den drei gleichen Themen und ihrer Schlagwörterpolitik punktet, obwohl sie nur heisse Luft produziert und keine Lösungen bietet.

Sind Sie froh, wenn sie ihren Wähleranteil von 19,5 Prozent (inklusive Juso) halten können?

Ja, es würde mich entlasten. Wir haben in den letzten Wahlen ziemlich Verluste eingefahren. Diesen Trend wollen wir stoppen. Ein bis zwei Prozent Wähleranteil mehr sind aber ein realistisches Ziel. Unser Leistungsausweis stimmt und wir haben gute Leute auf unseren Listen.

Welche Frage haben Sie an die Grünen?

Der Bund gibt eine Broschüre zu den Wahlen heraus «In der Kürze liegt die Würze». Bei den Grünen wird mit keinem Wort die Atomkraft, ein Ausstieg oder Ähnliches formuliert. Warum nicht?