Seit dem 1. Januar dürfen die Drogerien im Kanton Solothurn wieder Neocitran und Co. verkaufen.Nach einem engagierten Kampf der Drogisten bis nach Bundesbern können Drogerien nun diese wieder anbieten.
In den letzten zwei Jahren galt in allen 29 Solothurner Drogerien ein striktes Verkaufsverbot für populäre Arzneimittel wie PrétuvalC, Neocitran, Vicks Medinait oder das beliebte Anti-Durchfall-Mittel Imodium. Insgesamt betroffen von diesem Verkaufsverbot waren 600 Medikamente, rund ein Fünftel des rezeptfreien Arzneimittelangebots. Erhältlich waren diese fortan nur noch in den Apotheken. Nach einem engagierten Kampf der Solothurner Drogistinnen und Drogisten, der diese bis nach Bundesbern führte, können die Drogerien jetzt zur altbewährten Praxis zurückkehren: Seit 1. Januar 2011 haben sie wieder grünes Licht für den Verkauf sämtlicher Medikamente, die auf der Heilmittel-ListeC figurieren.
Bemerkenswert dabei: Die Solothurner Drogerien haben sich damit schweizweit ein – zumindest derzeit – einzigartiges Recht erstritten. «Drogisten, Apotheker und Politiker aus der ganzen Schweiz schauen nach Solothurn», sagt Anton Löffel nicht ohne Stolz. Er ist Präsident der Solothurner Sektion des schweizerischen Drogistenverbandes.
Abschiedsgeschenk von Couchepin
In den meisten anderen Kantonen werden die Medikamente der Kategorie C – sie sind rezeptfrei, erfordern aber die Beratung durch einen Arzt oder Apotheker – seit Jahrzehnten einzig in Apotheken verkauft. Das eidgenössische Heilmittelgesetz, das im Jahr 2002 in Kraft getreten ist, machte daraus eine schweizweit gültige Regel und räumte mit kantonalen Sonderrechten auf. Im Kanton Solothurn hatten die Drogerien seit 1978 das Recht, Medikamente der Kategorie C zu verkaufen. Ähnliche Sonderregelungen kannten andere, ländlich geprägte Kantone wie Glarus, Appenzell und Obwalden. Die Solothurner Drogistinnen und Drogisten nützten die Übergangszeit, die ihnen das neue Gesetz einräumte, vollständig aus. Per 1. Januar 2009 mussten aber auch sie die betreffenden Medikamente aus ihren Läden entfernen.
So schnell aber wollten die Drogisten unter der Führung von Präsident Anton Löffel dennoch nicht aufgeben. Innert kürzester Zeit sammelten sie 17000 Unterschriften für ihre «Petition für eine bewährte Versorgung mit rezeptfreien Arzneimitteln». Diese überreichten sie dann bereits Mitte März 2009 dem damaligen Gesundheitsminister Pascal Couchepin höchstpersönlich. Sukkurs erhielten sie in ihrem Engagement von einem grossen Teil der Solothurner Politik. Der Hintergrund: Kurz zuvor, im Oktober 2008, hatte das eidgenössische Parlament – wesentlich auf Antrag der Solothurner Parlamentarier – einer Motion zugestimmt, welche den Bundesrat beauftragt, das bestehende Heilmittelgesetz zu überarbeiten. Ziel des Vorstosses ist es, dass künftig alle rezeptfreien Medikamente in allen Schweizer Drogerien abgegeben werden können. Damit aber soll die seit vielen Jahren bestehende Solothurner Regelung gesamtschweizerisch eingeführt werden. Mit ihrer Petition verfolgten die Drogisten in erster Linie das Ziel, dass die Bundesverwaltung die Umsetzung der Motion möglichst rasch an die Hand nimmt. Auch wenn sich diese Hoffnung nicht so schnell erfüllen dürfte, machte noch Bundesrat Pascal Couchpin den Solothurner Drogisten im Sommer 2009, gleichsam als eine seiner letzten Amtshandlungen, ein Geschenk: Mittels einer Änderung der Verordnung zum eidgenössischen Heilmittelgesetz sollen jene Kantone, die Erfahrung mit dem Verkauf von Arzneimitteln der Kategorie C haben, Ausnahmeregelungen verfügen dürfen.
Stellvertreterinnen ausgebildet
Die zuständigen kantonalen Behörden, insbesondere der Kantonsapotheker, gewährten daraufhin den Drogerien wieder den Verkauf der entsprechenden Medikamente. Allerdings nur unter einer Bedingung. «Wir müssen ähnlich der Praxis in den Apotheken sicherstellen, dass in der Drogerie immer ein diplomierter Drogist oder eine fachlich gleich qualifizierte Stellvertretung anwesend ist», hält Drogisten-Präsident Anton Löffel fest. In Zusammenarbeit mit der Höheren Fachschule für Drogisten in Neuenburg wurde eine nachqualifizierende Ausbildung kreiert. Ab Mitte letzten Jahres dann drückten 25 künftige Stellvertreter bzw. Stellvertreterinnen während sechs Tagen und weiteren sechs Abenden die Schulbank. Hinzu kamen rund 300 Stunden Selbststudium. Der Unterricht fand jeweils in Solothurn statt, die Schlussprüfung in Neuenburg. Im Dezember 2010 beendeten sie erfolgreich die kantonal anerkannte Ausbildung. Und jetzt, am 29. März, wurden ihnen im Rahmen der Generalversammlung der Solothurner Sektion des Drogistenverbandes die Diplome übergeben. Im Sommer oder im Herbst soll gemäss Anton Löffel bereits ein weiterer Kurs starten.
Damit aber erfüllen die Drogerien die Voraussetzungen für den Verkauf der Medikamente der Liste C. Die Investitionen, die die Betriebe in die Ausbildung der Stellvertreterinnen gesteckt haben, dürfte sich längerfristig wirtschaftlich lohnen. Mit dem Verkaufsverbot mussten die Drogerien Umsatzeinbussen von
2,6 bis 8 Prozent in Kauf nehmen.