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Niederamt
Obwohl sie eine Asylunterkunft bereitstellte, könnte die Gemeinde Kienberg nun zur Kasse gebeten werden. Der Gemeinderat ist besorgt.
«Wir wissen nicht, wie es weitergeht.» Adriana Gubler, Gemeindepräsidentin von Kienberg, klingt resigniert. Der Grund: Seit über einem Jahr steht die Liegenschaft, die die Gemeinde für die Unterbringung von Asylsuchenden zur Verfügung stellt, leer.
Ob der Gemeinde jemals wieder Asylsuchende zugewiesen werden, ist ungewiss. Für Kienberg bedeutet dies in erster Linie Planungsunsicherheit: Solange unklar sei, ob noch Bedarf nach einer Asylunterkunft bestehe, sei der Gemeinderat bei der Ausarbeitung einer alternativen Nutzung der Liegenschaft gehemmt, erklärt Gubler.
Die Sozialregion Unteres Niederamt (SRUN) wurde 2009 gegründet. Sie umfasst die Gemeinden Däniken, Eppenberg-Wöschnau, Erlinsbach SO, Gretzenbach, Kienberg, Niedergösgen, Rohr, Schönenwerd und Walterswil. Zu den Aufgaben der Sozialregion gehört unter anderem die Unterbringung und Betreuung von Asylsuchenden. Für die
Leistungen, die die Sozialregion im Bereich des Asylwesens erbringt, erhält sie eine Pauschale vom Kanton ausbezahlt. (LBO)
Mitten in dieser unbefriedigenden Situation keimte für kurze Zeit Hoffnung auf. Die Sozialregion Unteres Niederamt (SRUN), die für die Unterbringung von Asylsuchenden zuständig ist (siehe links), fragte im vergangenen Juli bei der Gemeinde Kienberg an, ob diese bereit wäre, eine siebenköpfige syrische Familie aus dem Resettlement-Programm des UNHCR aufzunehmen.
Flüchtlinge aus diesem Programm reisen direkt in die Schweiz ein und werden ohne Umwege in einer Gemeinde untergebracht. Im vorliegenden Fall hätte die Familie zwei Jahre lang ein intensives Integrationsprogramm durchlaufen und eine spezielle Betreuung vor Ort erfahren, die im Auftrag des Kantons von der ORS Service AG geleistet worden wäre.
Hätte, wäre – denn obwohl der Gemeinderat sofort seine Bereitschaft erklärte, erhielt er den Bescheid, Kienberg komme als Unterbringungsstandort doch nicht infrage. Wie die SRUN festhält, sei der abschlägige Entscheid nicht bei ihr, sondern bei der ORS Service AG gefällt worden: Für die Betreuer der privaten Firma hätte die Anreise ins abgelegene Kienberg einen erheblichen Mehraufwand bedeutet.
«Diese Rückmeldung hat innerhalb des Kienberger Gemeinderates für Frustrationen gesorgt», sagt Gemeindepräsidentin Gubler. «Einmal mehr wurde Kienberg bei der Unterbringung von Asylsuchenden aus betriebswirtschaftlichen und finanziellen Gründen nicht berücksichtigt.»
2014 hat die Gemeinde Kienberg die Liegenschaft an der Hübelistrasse 26 saniert, um sie als Asylunterkunft zur Verfügung zu stellen — «auf Druck der Sozialregion hin», wie es in einer Mitteilung heisst. In den folgenden Jahren wurden insgesamt neun Asylsuchende in Kienberg untergebracht. Auf Ende März 2017 kündigte die SRUN den Mietvertrag. Seither ist die Liegenschaft unbewohnt.
Hans Ulrich Bürgi, Geschäftsleiter der SRUN, und Angelina Rohrbach, Asylkoordinatorin der SRUN, betonen, man habe keinen Druck auf Kienberg ausgeübt. Die Gemeinde habe sich auf Anfrage dazu entschieden, der Sozialregion das Haus an der Hübelistrasse 26 zu vermieten.
Auf die Frage, weshalb der Gemeinde Kienberg von der SRUN seit über einem Jahr keine Asylsuchenden mehr zugeteilt wurden, antwortet Bürgi, zurzeit würden keine zusätzlichen Unterkünfte benötigt. Die periphere Lage und die Mietkosten der Unterkunft seien in Kienberg im Vergleich zu anderen Gemeinden aber eher nachteilig.
Der Gemeinde Kienberg entgehen durch die geringe Auslastung der eigenen Liegenschaft nicht nur Mieteinnahmen. Gemeindepräsidentin Gubler fürchtet, Kienberg könnte zu einer finanziellen Entschädigung verpflichtet werden, weil die Gemeinde weniger Asylsuchende beherbergt als im Aufnahmesoll vorgesehen. «Das wäre im Fall der letzten eineinhalb Jahre absolut inakzeptabel und unfair gegenüber der Gemeinde Kienberg», findet sie. Schliesslich habe die Gemeinde die Bereitschaft an den Tag gelegt, ihrer gesetzlichen Aufnahmepflicht nachzukommen.
Das Aufnahmesoll einer Gemeinde respektive einer Sozialregion richtet sich nach der Einwohnerzahl des Einzugsgebiets. Wird das Soll nicht erfüllt, entsteht ein negativer Saldo. Eine Bereinigung der Saldi könnte nun im laufenden Jahr anstehen: Wie David Kummer, Abteilungsleiter beim kantonalen Amt für soziale Sicherheit (ASO), erklärt, sollen die heute bestehenden Unterschiede in der Erfüllung des Aufnahmesolls ausgeglichen werden – dies im Hinblick auf die bundesrechtliche Neustrukturierung des Asylbereichs, die ab 2019 ihre Wirkung entfalten wird.
Der Ausgleich wird auch vom Verband Solothurner Einwohnergemeinden (VSEG) empfohlen. Die Bereinigung der negativen Saldi soll allerdings auf freiwilliger Basis geschehen, betont der Geschäftsführer des VSEG Thomas Blum. Wie die finanzielle Entschädigung im Detail geregelt wird, sei Sache der einzelnen Sozialregionen. Weil jede der vierzehn Sozialregionen im Kanton unterschiedlich organisiert sei, werde es unter Umständen auch zu unterschiedlichen Ausgleichslösungen kommen, erklärt Blum weiter.
Wie die Lösung im Fall der SRUN aussieht, scheint noch unklar: Auf Anfrage teilt die Geschäftsleitung mit, vor einer Bereinigung des Aufnahmesolls der einzelnen Gemeinden seien mit dem ASO noch offene Fragen zu klären.
Ob Kienberg eine finanzielle Entschädigung wird leisten müssen, bleibt also ungewiss.