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Rund 100 der bis zu 20'000 Teilnehmer am Taizé-Jugendtreffen in Basel finden Unterschlupf in der Region. Mit Erleichterung – und Verspätung – sind sie am Donnerstag in Däniken eingetroffen.
«Und wieder nichts», meint einer der Firmlinge beim wiederholten Eintreten in den Pfarrsaal in Däniken. Zusammen mit zwei Kollegen ist er dafür zuständig, die Gäste des Taizé-Treffens am Donnerstagmorgen am Däniker Bahnhof abzuholen. Die Zusammenkunft, der bis am kommenden Montag gegen 20'000 junge Erwachsene im Alter von 18 bis 35 Jahren beiwohnen werden, findet in Basel statt (siehe Kontext). Untergebracht werden sie in verschiedenen Pastoralräumen in der Schweiz, Deutschland und Frankreich. Die diesjährige Ausgabe findet zum ersten Mal in mehreren Ländern statt. Auch in den Pastoralräumen Olten und Niederamt wurden in den letzten Wochen Gastfamilien für die Teilnehmer gesucht.
Es ist alles parat in Däniken: der Pfarrsaal hergerichtet, der Punsch gekocht, die Gitarren zum Singen griffbereit. Auch der Niederämter Pastoralraumpfarrer Wieslaw Reglinski und sein Empfangsteam, bestehend aus der Sakristanin, Gastfamilien und freiwilligen Helfern, haben sich pünktlich um neun Uhr morgens im Däniker Pfarrsaal eingefunden, um die Gäste aus ganz Europa gebührend in Empfang zu nehmen. Doch: Es kommt niemand. Laut dem offiziellen Programm sollten die jungen Erwachsenen in der Basler St. Jakobshalle um 8 Uhr eintreffen, um sich anzumelden. Dann geht die Reise weiter in ihre Unterkunftsregionen, wo sie wiederum empfangen und ihren temporären Gastfamilien zugeteilt werden.
Gemäss Zeitplan hätte dies zwischen neun und zwölf Uhr vormittags stattfinden sollen. Um halb eins besteht die Gruppe der Anwesenden im Pfarrsaal nach wie vor aus Pfarrer Reglinski und seinem Empfangsteam. Die Sakristanin schenkt zum zweiten Mal Punsch nach, die Musiker klimpern auf ihren Gitarren, Pfarrer Reglinski unterhält sich mit den Gästen von der Presse: «Wir erwarten rund 100 Gäste hier im Niederamt, die wir in Gastfamilien in Dulliken, Däniken, Gretzenbach und Schönenwerd unterbringen werden.» Angemeldet sind 30 Gäste aus Polen, je 20 aus Weissrussland, Kroatien und Spanien und 10 aus Deutschland. «Das Ziel des Treffens ist das Beten für den Frieden, das Zusammenkommen von jungen Menschen und der Austausch von verschiedenen Kulturen.»
Eine dieser Gastfamilien ist das Ehepaar Anita und Peter Zumstein aus Gretzenbach. Auch sie haben sich im Däniker Pfarrsaal eingefunden, um ihre Gäste zu begrüssen. «Wir nahmen vor eineinhalb Jahren am Internationalen Weltjugendtag im polnischen Krakau mit einer Gruppe Niederämter Jugendlichen teil. Die Polen haben uns damals so herzlich aufgenommen. Da gehört es einfach dazu, dass auch wir in den kommenden Tagen den jungen Gläubigen ein Dach über dem Kopf bieten und ihnen die Schweizer Gastfreundschaft zeigen», erzählt Anita Zumstein. Zusammen mit ihrem Mann hat sie ein Zimmer hergerichtet, in welchem sie drei bis vier Gäste beherbergen werden.
Im Prospekt steht, dass die Gäste nicht mehr als zwei Quadratmeter Platz benötigen und sie auf ihren mitgebrachten Matten und in Schlafsäcken nächtigen werden. «Wir haben für sie aber Matratzen aufgestellt und Platz haben sie auch viel mehr», sagt Anita Zumstein und schmunzelt.
Nach und nach sickern Informationen durch: «Die polnische Gruppe ist seit zwei Stunden unterwegs in Richtung Däniken», meint Pfarrer Reglinski. Dann herrscht wieder Funkstille.
Den Morgen verbringen die Gäste jeweils in ihren Unterkunftsregionen mit Frühstück, Gebeten oder Ausflügen. Heute Freitag wird die Niederämter Gruppe beispielsweise das Sikh-Zentrum in Däniken besuchen. «Trotz der Tatsache, dass das Taizé-Treffen ein christlicher Anlass ist, ist uns auch der interreligiöse Austausch wichtig», führt Wieslaw Reglinski aus. Mittlerweile zeigt die Uhr kurz nach
ein Uhr nachmittags an. Und plötzlich huschen drei farbige Rollkoffer an den Fenstern des Pfarrsaales vorbei. Sie gehören zu Emilia, Margaret und Barbara. Die drei Polinnen zwischen 19 und 23 Jahren haben als erste den Weg nach Däniken gefunden. «Wir haben den Rest der Gruppe verloren, deshalb sind wir schon da», berichten sie auf Englisch. Die drei haben Glück: Sowohl der Pfarrer als auch die Sakristanin sprechen Polnisch. Mit dem Car in Polen losgefahren sind sie um 19 Uhr am Mittwochabend, in Basel angekommen am Donnerstagmorgen um halb acht Uhr.
«Ich habe schon mehrmals versucht, an einem Taizé-Treffen teilzunehmen, jetzt hat es endlich geklappt», freut sich Emilia, die das Treffen vor allem als Möglichkeit zum Reisen sieht und gerne Schweizer Land und Leute kennenlernen möchte. Ihre jüngere Schwester Margaret sagt, dass die Zusammenkunft eine grossartige Gelegenheit sei, um gleichgesinnte Leute zu treffen und neue Freunde zu finden. «Ich war noch nie in der Schweiz, habe aber gehört, dass ihr ein ruhiges und geduldiges Volk seid», berichtet Cousine Barbara und lächelt. Auch das Empfangsteam ist glücklich: Nun sind sie endlich angekommen, die Pilger. Wenn auch noch nicht alle.
Die Gemeinschaft von Taizé ist ein ökumenischer Orden in der gleichnamigen Ortschaft im Westen Frankreichs. Ihr Gründer, Roger Schutz, kam während es Zweiten Weltkriegs nach Taizé, wo er ein Haus kaufte und darin Juden und andere Kriegsflüchtlinge aufnahm. Zunächst bestand der Männerorden aus evangelischen Christen. 1969 trat mit dem Einverständnis des Erzbischofs von Paris der erste Katholik bei. Dadurch wurde der Orden zur ersten ökumenischen Brüdergemeinschaft der Kirchengeschichte. Die Communauté de Taizé zählt heute rund 100 Mitglieder und versteht sich als Zeichen der Versöhnung zwischen den gespaltenen christlichen Kirchen.
Die Gemeinschaft ist vor allem für die in Taizé und anderen Orten ausgerichteten ökumenischen Jugendtreffen bekannt. Erstmals wurde dieses 1978 durchgeführt. Der Grossanlass ist geprägt vom gemeinsamen Gebet, aber auch der Dialog über christliche sowie soziale und politische Themen findet Platz. Die Jugendtreffen bieten jungen Menschen zudem eine Gelegenheit, ein anderes Land und dessen Kultur kennenzulernen.
Zu Beginn der 90er-Jahren zählten die Taizé-Jugendtreffen bis zu 100 000 Besucher, viele davon aus Osteuropa. Seither sind die Teilnehmerzahlen wieder gesunken. Mit Basel findet der Anlass zum ersten Mal in der Deutschschweiz statt. Am Rheinknie werden gegen 20 000 Besucher erwartet. Ein Drittel stammt aus Polen und der Ukraine. Aber auch aus Deutschland, Frankreich und Kroatien haben sich viele angemeldet. Die Teilnehmer im Alter von 18 bis 35 sind in 95 Gastorten untergebracht. Um den Besucherandrang zu meistern, setzen die SBB 84 Sonderzüge ein. (cze)