Ballyana
«In den Krisenjahren loderte das Feuer der Kreativität»: Die Geschichte der Bally-Herrenschuhe

Philipp Abegg zeigte in der Ballyana den modischen Wandel der Bally-Herrenschuhe im vergangenen Jahrhundert.

Lorenz Degen
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Philipp Abegg erläuterte den modischen Wandel des Bally-Herrenschuhs

Philipp Abegg erläuterte den modischen Wandel des Bally-Herrenschuhs

Patrick Lüthy

Vor hundert Jahren steckte Bally in der Krise. Seit 1900 war die Firma rasant gewachsen, hatte in vielen Städten Läden eröffnet und gehörte zu den grössten Schuhproduzenten der Welt. «Aber der Erste Weltkrieg liess die Exportmärkte einbrechen», erklärte Philipp Abegg in seinem Vortrag zum Thema «Bally Monsieur – zur Geschichte eines Qualitätsproduktes», der am Dienstagabend in der Ballyana in Schönenwerd stattfand. Gut 25 Personen hatten sich, alle maskentragend, im ehemaligen Fabriksaal verteilt, um den Ausführungen des Stiftungsratspräsidenten zu folgen, der sich seit über 20 Jahren mit der Materie befasst.

Hinweis

Am Freitag, 20. November, öffnet Ballyana erstmals am Abend von ca. 17 bis 23 Uhr seine Türen und bietet Führungen an, im Rahmen der kantonalen Aargauer Museumsaktion «Helle Nacht».

Dabei hatte das Jahrhundert für Bally sehr gut angefangen. Seit den 1850er-Jahren wurden billige Schuhe für eine Massenkäuferschaft produziert. «Die Schweiz war das China der damaligen Welt», sagte Abegg. «Die spottbilligen Schuhe von schlechter Machart wurden dann abgelöst von einer Qualitätsproduktion, die sich am Luxus orientierte.» Nun aber hatte der Krieg die Volkswirtschaften zerrüttet, die ehemalige Käuferschaft war teilweise verarmt.

Abegg schilderte anhand zahlreicher Schuhmodelle, wie die schwierige Nachkriegszeit einen umgekehrten Effekt auf die Gestaltung ausübte. «In den Krisenjahren loderte das Feuer der Kreativität!» Die Werbung wurde auf höchstem Niveau betrieben. Heute gleichen die farbig gemalten Plakate von damals eher Kunstwerken denn kommerziellen Werbeträgern.

Halbschuh nimmt Form an und löst Bottine ab

Für Schönenwerd blieben die frühen 1920er-Jahre dennoch sehr schwierig. Bei Bally mussten 2'500 Angestellte entlassen werden. «Der Druck am Markt war unglaublich», so Abegg. Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges veränderte sich die Gesellschaft und mit ihr der Herrenschuh. War zuvor die Bottine fast allgegenwärtig, entstand nun der Halbschuh, meistens in den Farben Braun oder Schwarz. Abegg führte aus, dass erst die Veränderung in der Lederbearbeitung eine Farbvariation ermöglichte. «Pflanzlich gegerbtes Leder war zwar sehr robust, aber es konnte nur schwer gefärbt werden. Die schönen Farben entstanden erst mit dem Chromsalz.»

Anhand zahlreicher Bilder dokumentierte Abegg, wie der «klassische» Herrenschuh von Politkern von Churchill bis Obama getragen wurde und wird. Um 1960 kam noch der Loafer als neue Form dazu, die sich aber nicht dauerhaft durchsetzen konnte. Beide sind heute ein Nischenprodukt: «Der Sneaker hat dem Herrenschuh den Rang abgelaufen», bilanzierte Abegg.

Rochaden im Vorstand

An der Generalversammlung, die vor dem Vortrag stattfand, kam es zu einer Umbesetzung des Vorstandes. Neue Mitglieder sind Franziska Aletti aus Niedergösgen, Heidi Käch aus Obergösgen, Ursula Gut aus Schönenwerd und Manfred Stücheli aus Schönenwerd.
Franziska Aletti übernahm 2019 den Museumsshop. Ursula Gut ist ehemalige Bally-Archivarin. Heidi Käch ist Mitglied des Weberei-Teams. Manfred Stücheli übernimmt von Tony Frei das Amt des Kassiers. Pernille Valentin ist zurückgetreten. (ld)