In der vorindustriellen Zeit waren die Ufergebiete an der Aare im Niederamt Quelle von Mühe und Gefahr. Und genau dort entstand im 19.Jahrhundert der Bally-Park.
Ein wilder und gefährlicher Fluss: Das war die Aare, bevor der Mensch in der Lage war, ihren Lauf zu beeinflussen. Hochwasser, Vereisung und immer wieder Veränderungen im Flussbett waren die Regel. Vor der Juragewässerkorrektion (seit 1878 wird die Aare durch den Bielersee geleitet) betrug der Unterschied der höchsten und niedrigsten Pegelstände bei Solothurn sieben Meter.
Bis weit ins 19. Jahrhundert fror der Fluss in den Wintermonaten regelmässig zu. Im Winter 1829/1830 sei die Aare in der Wöschnau so stark überfroren gewesen, dass man sie mit einem zweispännigen Pferdeschlitten überqueren konnte. Jeden Frühling und nicht selten auch in anderen Jahreszeiten gab es Hochwasser, welche die ufernahen Gebiete überschwemmten.
Am 21. Mai zeichnete der Schweizer Heimatschutz den Bally-Park in Schönenwerd, Gretzenbach und Niedergösgen mit dem Schulthess-Gartenpreis 2016 aus. In einer Serie beleuchten wir die Entstehung und Entwicklung dieses «ersten Volksparks in der Schweiz». Der Autor Philipp Abegg, Präsident der Stiftung für Bally Familien- und Firmengeschichte, stützt sich auf die im Ballyana-Archiv in Schönenwerd gesammelten Text- und Bildquellen aus der Zeit.
Der vorliegende erste Beitrag schildert die Voraussetzungen am Aareufer bei Schönenwerd, die Carl Franz Bally kannte, bevor er 1868 mit dem Bau eines Industriekanals den ersten Schritt zur Anlage des späteren Bally-Parks machte.
Bei Schönenwerd bildete die Aare Inselchen, die ihre Lage immer wieder änderten. Hochwasser spülte bestehende weg und nachdem sich die Situation beruhigt hatte, bildeten sich neue. Einem solchen Hochwasser dürften auch die ursprünglichen Bauten des im 7. oder 8. Jahrhundert gegründeten Stifts St. Leodegar zum Opfer gefallen sein. Die Gebäude lagen nach einer Urkunde aus dem Jahr 778 auf einer Aareinsel oder -halbinsel und verschwanden vollständig. Jedenfalls wurden nie Spuren einer mittelalterlichen Anlage gefunden, die vor die Zeit des Baus der Stiftskirche (um 1000) zurückgeht.
Auf einer Planzeichnung des Schultheissenamts Olten von 1721 sind alleine zwischen Gretzenbach und der Kantonsgrenze sieben Inseln eingezeichnet. Auf der berühmten Zeichnung des Stifts von Emanuel Büchel von 1758 ist eine Insel oberhalb von Schönenwerd zu erkennen, die auch auf dem oben abgebildeten Aquarell von David Alois Schmid aus der Zeit um 1840 erscheint. Gut erkennbar sind jeweils der weite, mäandernde Strom und die ihn säumende Auenlandschaft. Auf beiden Seiten der Aare befanden sich Streifen von Schachenland, die häufig überschwemmt und weder landwirtschaftlich noch anders genutzt wurden.
Entlang der Aare errichteten die Gemeinden Verbauungen und Wehre, um das Land zu befestigen und zu schützen oder um neues zu gewinnen. Vermutlich ebenfalls als Folge eines Hochwassers legte man 1832 auf Gretzenbacher Gemeindegebiet ein neues «Wuhr» (Damm, Wehr) an, um das Ufer zu sichern. Dadurch veränderte sich die Schachenlandschaft oberhalb von Schönenwerd.
Eduard Bally machte später in seiner «Geschichte der C. F. Bally AG» (1915-1925) deutlich, dass diese Anlage erst das Land für den späteren Bally-Park schuf: «Im Herbst 1832 machten die Schönenwerder mit Hülfe der Gretzenbacher die Flusssperre der Aare beim sogenannten Fohrenwäldli (die sogenannte Gretzenbacher-Wehrung). (...) Dieser Wehrung verdankt Schönenwerd das ganze Land der jetzigen Parkanlage.» Bally beschreibt die Wirkung dieses Bauwerks: «Der alte Lauf der Aare, welcher durch das Gretzenbacherwuhr in sein neues Bett gewiesen wurde, reduzierte sich auf eine Reihe von Bächen und Weihern, über die ein Laden zum Überschreiten gelegt war, damit man zum damaligen Badeplatz unterhalb der Ausmündung der obern Schlittschuhweiher gelangen konnte. Dieser Bach wurde zum Teil im Kanal 1868 aufgenommen.»
1852 erlebten die Menschen am gesamten Aarelauf ein schreckliches Hochwasser, das auch das Niederamt heimsuchte und den Talboden bis an die Geländestufe, auf dem die alten Dorfkerne von Schönenwerd und Gretzenbach liegen, überschwemmte. Das gesamte Schachenland bildete einen einzigen See. Eduard Bally berichtet um 1920: «Ältere Leute behaupten, dass von der Aarauerstrasse bis zur Kirche in Erlinsbach das ganze Tal ein See schien.» Da zu dieser Zeit auf dem Niveau des Schachens noch kaum Gebäude standen, dürfte sich der Schaden in Grenzen gehalten haben. Anders war die Situation im Berner Seeland, wo solche Hochwasser zu Notständen führten. Nach der Katastrophe von 1852 entschlossen sich die Kantone Bern, Neuenburg, Freiburg und Solothurn zur Juragewässerkorrektion, die dann ab 1867 umgesetzt wurde.
Das epochale Hochwasser von 1852 veränderte den Lauf der Aare im Niederamt. Das Erlinsbacher Uferland, das zuvor bis auf das heutige rechte Aareufer gereicht hatte, wurde vollständig weggeschwemmt. Die Aare frass sich tief ins linke Ufer ein und bildet seither eine hohe, steile Uferböschung. Arnold Bally zufolge gab es noch in den 1880er Jahren Erlinsbacher, die für längst verschwundenes Ackerland Schuldzinsen bezahlen mussten.
Auch bei Obergösgen verschob sich das Flussbett um mehrere Dutzend Meter Richtung Norden, so dass Häuser, die vor dem Hochwasser auf dem linken Ufer standen, nun auf dem rechten lagen. Hingegen scheint die oben erwähnte, in den Zeichnungen von 1758 und 1840 erkennbare Schönenwerder Insel keinen nennenswerten Schaden genommen zu haben. Auf der Dufour-Karte von 1861 ist sie auf der Höhe des heutigen Parks eingezeichnet.
1855/56 baute die Centralbahn die Linie Aarau–Olten durch das Niederamt und liess hierfür den noch heute bestehenden Damm aufschütten. Dieser Damm lag auf weiten Strecken mitten im Schachenland. Die Dufour-Karte von 1861 zeigt einen schmalen Seitenarm der Aare, eine sogenannte «Giesse», der sich entlang des Bahndamms hinzieht und etwa auf der Höhe des Bahnhofs wieder in den Hauptstrom einmündet. Oberhalb Schönenwerd und in der Wöschnau grenzte der Damm direkt an den Fluss oder einen Ausläufer.
Vor 1864 gab es am Aarelauf zwischen den Städten Olten und Aarau keine einzige Brücke. Dafür verkehrte unter anderem zwischen Schönenwerd und Gösgen eine Fähre, auch «Fahr» genannt. Der Fährbetrieb war bis zur Aufhebung der alten Feudalrechte eine Erbpacht der Familie Spielmann von Niedergösgen. An einer zwischen den Ufern gespannten Kette (oder Seil) war ein Boot befestigt, das hin und her pendelte.
Der Fährbetrieb war aber eine gefährliche Angelegenheit. Eines Abends im Januar 1861 riss das Seil und das Fährboot mit 46 Fabrikarbeitern, die sich auf dem Heimweg befanden, trieb stromabwärts. Arnold Bally berichtet von diesem Ereignis: «Der Geistesgegenwart des alten Belser, Ferger in der Elastique-Fergstube von Franz Bally, war es zu verdanken, dass das Schiff auf der unteren Gösger Insel landen konnte und die Arbeiter sich retten konnten, allerdings vom Durchwaten des linksufrigen Aarearmes durchnässt.»
Durch die 1864 erbaute Brücke verloren die Spielmann ihr traditionelles Gewerbe und mussten durch die Regierung entschädigt werden: «Die Familie Spielmann wurde von der Regierung für ihr Erbrecht der Fährer abgefunden durch Abtretung von ca. 40 Jucharten Schachenland, das ihr eigentümlich zugestellt wurde und welches Land später Carl Franz Bally kaufte zur Anlage des Parkes à Fr. 150.- per Jucharte» (so Eduard Bally). Eine Jucharte mass 36 Aren oder 3600 Quadratmeter. Bally bezahlte demnach 42 Rappen pro Quadratmeter.
Im 19. Jahrhundert gab es in der Gegend noch vier Berufsfischer. Dabei ist erstaunlich, dass das Fischen in der Aare bis 1893, als eine eidgenössische Regelung in Kraft trat, für jedermann auch mit Netzen frei war. Bis gegen 1900 konnten laut Arnold Bally in der Aare bei Schönenwerd sogar noch Lachse gefangen werden.