Lostorf
Ein Antrag mit Seltenheitswert: Einwohner wollten höheren Steuerfuss

An der Budgetgemeindeversammlung in Lostorf forderte eine beachtliche Zahl der Teilnehmer eine Erhöhung des Steuersatzes auf 112 Prozent. Dies entgegen der Empfehlung von Gemeinderat und Finanzplankommission.

Christoph Zehnder
Drucken

Bruno Kissling / OT

Lostorfs Gemeindepräsident Thomas Müller freute sich, dass am Dienstagabend trotz dichtem Nebel und Champions League mehr Stimmbürgerinnen und Stimmbürger als erwartet den Weg in die Aula des Schulhauses 1912 gefunden hatten. Insgesamt 51 Stimmberechtigte zählten die Stimmenzähler.

Bevor das eigentliche Hauptgeschäft des Abends in Angriff genommen werden konnte, regte ein Versammlungsteilnehmer noch eine Änderung der Reihenfolge auf der kurzen Traktandenliste an. Er schlug vor, den Steuerfuss für das kommende Jahr erst festzulegen, nachdem über das Budget entschieden wurde. «Was machen wir, wenn es im Budget noch eine Änderung gibt?», fragte er und betonte, dass umliegende Gemeinden dies ebenso handhaben würden.

Mit dem Einverständnis der Versammlung wurde der Fahrplan entsprechend angepasst. Spätestens jetzt war klar, dass der Steuerfuss im Verlaufe des Abends noch Anlass zur Diskussion geben würde.

Von 718'000 auf 280'000 Franken

Ivo Suter, Präsident der Finanzplankommission, erläuterte den Anwesenden den Finanzplan 2018 bis 2022 und gewährte so einen ersten Einblick in die finanzielle Situation der Gemeinde. Suter verdeutlichte, dass die Gesamtinvestitionen in jüngster Zeit stetig gestiegen sind. Trotz eines Aufwandüberschusses von knapp 280 000 Franken im Budget 2018 halte es die Kommission aber für möglich, den Bilanzfehlbetrag aus den Vorjahren bis Ende 2019 abzutragen.

Yannic Lüthi, im Gemeinderat zuständig für das Ressort Finanzen, fasste den Prozess der Budgeterstellung kurz zusammen und beschrieb den Weg von den ersten Zahlen bis hin zum vollständigen Budgetvorschlag. Er wies darauf hin, dass ein erster Entwurf noch einen Aufwandüberschuss von 718'000 Franken vorsah. «Es war allen Gemeinderäten klar, dass wir damit nicht vor die Gemeindeversammlung treten können», so Lüthi.

Drei Monate und mehrere intensive Sitzungen später konnte dieser Betrag schliesslich auf die erwähnten 280'000 Franken heruntergeschraubt werden. Dies mit der Empfehlung, den Steuerfuss auf 109 Prozent zu belassen. «Das Ziel ist immer ein ausgeglichenes Budget», so Lüthi. «Ohne Steuererhöhung wäre das in diesem Jahr aber nicht möglich gewesen.»

Finanzverwalterin Karin Dettke beleuchtete die einzelnen Bereiche des Budgets und zeigte dabei im einzelnen die finanziellen Auswirkungen auf. So steigt die Belastung im Bildungsbereich beispielsweise um 66 Franken pro Einwohner. Auffallend der Hinweis der Finanzverwalterin bei jedem einzelnen Punkt, dass «Kosteneinsparungen auf jeder möglichen Position» vorgenommen worden seien.

Stimmbürger ergreifen Wort

Bevor es zur eigentlichen Budgetabstimmung kam, ergriffen zwei Stimmbürger das Wort. Ein Votum betraf den Spareffekt der Streichung von 35'000 Franken für den Ersatz der Computer-Server. «Was, wenn der ‹abliegt›?» Gemeindepräsident Müller versicherte, dass das Risiko vertretbar sei und Yannic Lüthi klärte auf, dass die Gemeinde in dieser Hinsicht bereits einen Schritt weiter denke und man sich im kommenden Jahr um eine weitergehende Lösung als bloss einen Ersatz der Server bemühen werde.

Die zweite Frage drehte sich um den Stand der Sanierung der Hauptstrasse Nord. Diesbezüglich konnte Bauressort-Leiter Sämi Bünder vermelden, dass im kommenden Jahr der politische Prozess ins Rollen gebracht werde und «wenn alles gut läuft» 2019 mit dem Baubeginn gerechnet werden darf.

Blosses Wunschdenken?

Nach der Abstimmung um das Budget, welches mit 50 zu 1 Stimme klar angenommen wurde, flammte die Diskussion über den Steuerfuss erneut auf. Ein besorgter Stimmbürger stellte schliesslich den Antrag, diesen für das kommende Jahr auf 112 zu setzen. «Der Gemeinderat hat sicher gute Arbeit geleistet», so der Antragssteller. «Aber mit einem budgetierten Verlust ins neue Jahr zu starten, ist blauäugig.»

Sich auf kommende Einnahmen zu verlassen, sei blosses Wunschdenken. Eine Erhöhung von einem Prozent entspräche bei einer Familie mit einem Jahreseinkommen mit 100'000 Franken einer Mehrbelastung von 65 Franken pro Jahr, meinte eine andere Wortführerin und appellierte an die Versammlung: «3 Prozent wären verkraftbar.»

Erhöhung nicht legitim

Man schleppe keine Altlasten mit, versicherte Thomas Müller und bemühte sich, die Argumente der immer zahlreicher werdenden Erhöhungsbefürworter zu entkräften. Nach drei Jahren mit positivem Ergebnis sei es nicht legitim, die Steuern nach nur einem schlechteren Jahr zu erhöhen. «Wir wollen keine Steuererhöhung auf Vorrat», machte der Gemeindepräsident klar.

Schliesslich wurden beide Sätze zur Abstimmung freigegeben. 12 Stimmberechtigte stimmten dem Einwohnerantrag für eine Erhöhung auf 112 Prozent zu, 39 folgten dem Vorschlag des Gemeinderates, den Steuersatz auf 109 Prozent zu belassen. Alle übrigen Budgetpunkte wurden ebenso gutgeheissen, inklusive dem Beschluss, auch 2018 keinen Skonto zu gewähren.

Mit dem Hinweis auf den Adventsfenster-Apéro im Gemeindehaus vom 20. Dezember (17 bis 19 Uhr) und einem Applaus für die schöne Weihnachtsdekoration des Bastelteams wurde die Versammlung kurz nach 21 Uhr bereits wieder aufgelöst. Früh genug, um die Beschlüsse noch am von der Clientis Bank offerierten Apéro zu diskutieren – oder doch noch anderswo die Champions League mitzuverfolgen.