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Solothurn
Niederamt
167 000 Franken und jede Menge Helfer - das braucht es für die Aufwerung eines der ältesten Naturreservate im Kanton Solothurn. So wurde an der Aare ein neuer Lebensraum für Amphibien geschaffen. Und weitere sollen noch folgen.
Nach den Hochwassern der Aare in den letzten Jahren war der Hochwasserschutz eines der wichtigsten Themen der Region Niederamt. Daneben ging das Thema Amphibien etwas vergessen, obwohl diese Tiere zu den am meisten bedrohten Spezies in ganz Europa gehören.
Und da der Mensch immer mehr in die Natur eingreift, schafft sie es alleine nicht mehr, natürliche Lebensräume für Amphibien wie Frösche und Molche oder andere Arten zu schaffen.
Zu den Aufgaben der Abteilung für Natur und Landschaft im kantonalen Amt für Raumplanung gehört es, diese Lebensräume zu erhalten, aber auch neue aufzubauen.
Als wissenschaftlicher Mitarbeiter dieser Abteilung ist Jonas Lüthy zurzeit damit beschäftigt, ein solches Biotop beim Altlauf (Restwasserstrecke des Kraftwerks) der Aare zwischen Schönenwerd und Aarau in Erlinsbach zu schaffen.
Da für das Wasserkraftwerk ein Grossteil des Aarewassers in den Kanal abgezweigt wird, hat die Wasserdynamik im Altlauf stark abgenommen. Durch die vorhandenen Auenreste hat der Abschnitt Grien bei Erlinsbach jedoch ein grosses Aufwertungspotenzial.
Als Auen werden Flächen bezeichnet, die zeitweise durch Überflutung oder durch hohe Grundwasserstände unter Wasser stehen.
Das Erlinsbacher Grien ist eines der ältesten Naturreservate des Kantons Solothurn. Weil Auen nur an Orten gedeihen, die regelmässig überschwemmt werden, sind sie mit der Einengung der Flusslandschaften selten geworden.
Der Bund trägt der Seltenheit der Auen mit einem eigenen Inventar der Auengebiete von nationaler Bedeutung und einer entsprechenden Auenverordnung Rechnung.
«Diese Aue auf der Erlinsbacher Seite der Aare wurde als erste im Gebiet zwischen Olten und Aarau, aufgrund ihrer ökologischen Werte, in das Inventar aufgenommen. Im nächsten Jahr wird sie auch offiziell als Aue im Kanton Solothurn aufgeführt sein», erzählt Lüthy stolz.
Sein Ziel ist es, das Gebiet wieder in einen Lebensraum für Amphibien zu verwandeln. «Auf dem ganzen Auengebiet Grien hat es keine Amphibien, und das ist nicht natürlich», erklärt Lüthy seinen Beweggrund für dieses Projekt.
Denn das Biotop sei momentan noch vom Wasser isoliert und enthalte keine stehenden Gewässer. «Das Wasser erreicht die Aue nur bei extremem Hochwasser und ist dann für Amphibien und Libellen nicht interessant», so Lüthy.
Um diese Auenlandschaft in ein Amphibienparadies zu verwandeln, musste einiges getan werden. Die Gesamtkosten des Vorhabens betrugen 167 000 Franken. «Das Wasserkraftwerk Alpiq Hydro Aare AG in Ruppoldingen hat dafür gleich eine Beitragszusicherung gegeben, weil ihnen die enorme Wichtigkeit der Artenerhaltung der Amphibien bewusst ist. Am Ende haben sie sogar die Gesamtkosten durch den Fonds naturemade star beglichen, mit dessen Qualitätszeichen das Kraftwerk zertifiziert ist», sagt Lüthy erfreut.
Denn wer Stromprodukte aus Wasserkraftwerken mit dem Gütesiegel naturemade star bestellt, zahlt in diesen Fonds für ökologische Verbesserungsmassnahmen ein.
Auch die IBAarau habe das Baugesuch mitunterschrieben. «Die IBA hat selber eine angrenzende Parzelle in dem Auengebiet, auf der wir noch Folgeprojekte planen», verrät er.
Im Obergösger Schachen wird ebenfalls ein Auengebiet wieder instand gestellt. Ziel sei es natürlich, eine Vernetzung von Amphibien-Lebensräumen im ganzen Bereich entlang der Aare wiederaufzubauen, sodass diese Tiere sich entlang der Wasserstrasse Aare wieder genetisch austauschen können.
Nachdem das Bau- und Rodungsgesuch bewilligt war, konnten die Arbeiten starten. Ein Ingenieurbüro habe die Bauplanung übernommen und der Revierförster habe alle Bäume, die im Weg standen, beseitigt.
«Es ging alles unglaublich schnell. Die drei Becken wurden innerhalb von nur zwei Tagen ausgehoben», berichtet Lüthy weiter. Die abgeholzten Bäume würden ebenfalls wiederverwendet: «Ein Teil der gefällten Bäume wurde auf einen Haufen gelegt, auf dem sie langsam vermodern und so zum idealen Versteck für Amphibien werden», erklärt Lüthy weiter. In diesem Haufen fänden die Lurche Futter wie Springschwänze und weitere Insekten.
Der neu errichtete Lebensraum misst 230 mal 20 Meter und besteht aus drei Weihern. «Im Frühling werden die Weiher geflutet, weil der Fluss dann viel Wasser führt», weiss Lüthy Bescheid.
Ideal sei ein Wasserpegel von einem Meter, damit die benötigte Dynamik für die Amphibien entsteht. «Wir haben einen kleinen Damm gebaut, damit Wasser aus der Aare nicht ungehindert hineinfliessen kann. Denn mit dem Wasser würden auch Fische in den Weihern landen und sie sind die grossen Feinde der Amphibien», meint er weiter.
«Mit dem Frühling und dem Sommer wird hier während der Vegetationsperiode alles ergrünen», sagt Lüthy. Rohrkolben und Unterwasserpflanzen sollen sich bilden. Weiter erwartet Lüthy ab März Grasfrösche und Erdkröten im Biotop.
Auch der Bergmolch sollte den Weg in die Aue zurückfinden. Typisch für einen solchen Lebensraum sei auch die Gelbbauchunke.
Ansonsten soll die Nutzungsplanung noch ausgearbeitet und die Reservatbestimmungen angepasst werden. «Das Reservat soll auf keinen Fall als Naherholungsgebiet deklariert werden», meint Lüthy energisch.
Die Menschen könnten die Arbeiten wieder zerstören und die Amphibien verdrängen. Weiter soll noch alles genau beschildert werden, und nach der Vegetationsperiode werden Unterhaltsarbeiten nötig sein.
Des Weiteren möchte Lüthy den Kammmolch im Kanton fördern. «Der Kammmolch hat nur noch ein einziges Vorkommen im ganzen Kanton Solothurn, in Wolfwil», erläutert Lüthy.
In einem Testlauf hat er in Zusammenarbeit mit der Amphibienbeauftragten des Kantons, Esther Schweizer, 111 Kammmolche aus Eiern zweier Weibchen aus Wolfwil im neuen Biotop aufgezogen.