Starrkirch-Wil
Die FDP gewinnt das heisse Rennen um die Einführung der Tempo-30-Zone

Die Gemeindeversammlung von Starrkirch-Wil lehnte eine flächendeckende Einführung von Tempo-30 mit 82 zu 69 Stimmen ab.

Karin Schmid
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Bruno Kissling

Dass die Budget-Gemeindeversammlung in Starrkirch-Wil für einen vollen Dorfchäller sorgen würde, war keine grosse Überraschung, hatte die geplante flächendeckende Einführung von Tempo-30-Zonen auf dem Gemeindegebiet schon im Vorfeld für Opposition gesorgt.

Am vergangenen Montag füllten 155 Stimmberechtigte den «Chäller» komplett. Christian Bachofner ging an seiner ersten «Gmeind» als Präsident auf die zehnjährige Vorgeschichte der Vorlage ein. Im Gemeinderat seien drei mögliche Varianten diskutiert worden:

  • Keine Einführung, weil die Verkehrssicherheitsmassnahmen umgesetzt worden seien und funktionierten.
  • Eine partielle Tempo-30-Zone in beiden Schulstrassen und dem Nigglisberg.
  • Die nun der Bevölkerung vorgelegte flächendeckende Einführung von Tempo 30.

«Es geht heute Abend nicht um das Kreditbegehren, sondern um den Grundsatzentscheid», hielt Bachofner fest. «Je nach Entscheid kann der Gemeinderat die notwendigen Kredite für die Umsetzung sprechen.» Der Rat stimmte im September für die flächendeckende Variante, die eine – gesetzlich unübliche, aber mögliche – schulwegsichernde Beibehaltung aller Fussgängerstreifen beinhaltet.

Ausgenommen sind die Kantonsstrassen Aarauer- und Dullikerstrasse. Laut Bachofner ist kein spezielles Parkplatzregime vorgesehen. Die Umsetzung der Signalisierungsmassnahmen kostet 65'000 Franken.

Applaus für beide Seiten

Bei der Detailberatung hielten sich die Voten von Befürwortern und Gegnern die Waage. Immer wieder brandete für beide Seiten zustimmender Applaus auf.

Umweltkommissionspräsident Martin Engel sprach an, was auch viele andere im Dorfchäller erwähnten. Starrkirch-Wil sei kein Raserdorf, habe keine Rennstrecken und sei kaum Schauplatz von Unfällen. «Die Situation ist nicht alarmierend.» Dennoch empfahl Engel eine Einführung von Tempo 30. «Die Quartierstrassen sind unübersichtlich. Tempo 50 ist selten situationsgerecht und laut Gutachten zu hoch einzustufen.» Gemeinderat Thomas Buss machte auf das behördenverbindliche Leitbild und das darin festgehaltene Ziel der Sicherheit für Kinder und die ganze Bevölkerung aufmerksam. «65'000 Franken sind viel Geld, doch sie werden für die Sicherheit ausgegeben.»

Gemeinderat Felix Hug rief die Anwesenden auf, finanzielle Verantwortung zu übernehmen und die Einführung von Tempo 30 abzulehnen. «Seine» Partei, die FDP, hatte bereits im Vorfeld gegen die Vorlage opponiert. «Wir haben sechs Millionen Franken Schulden und wollen so viel Geld ausgeben für etwas, das so wenig bringt.»

Ins gleiche Horn blies Otto Steck: «Es ist die Aufgabe der Eltern, die Kinder sicher durch den Verkehr zu führen. Alle kritischen Stellen wurden umgebaut, das System funktioniert gut. Wir haben andere Probleme in der Gemeinde, die wir lösen müssen.» Alt Baupräsident Werner Bussmann bezeichnete die geplante Investition als «hinausgeworfenes Geld»: «Zu 70 Prozent kann man wegen des 90-Grad-Winkels nicht mit 50 km/h in die Strassen einbiegen. Es hat keinen Wert, eine solche Vorlage durchzuziehen, wenn sie nur einzelne Stellen betrifft.»

Weitere Entwicklung verfolgen

Die Diskussion lief engagiert, friedlich und sachlich ab. Die Entscheide der Stimmberechtigten schienen schon vor Versammlungsbeginn festgestanden zu haben. Die 155 Personen lehnten die flächendeckende Einführung von Tempo 30 mit 82 Nein-, 69 Ja-Stimmen und vier Enthaltungen ab.

Gemeindepräsident Christian Bachofner – ein Freisinniger – enthielt sich der Stimme. «Ich wäre für die Variante an der Schulstrasse gewesen.» Im November 2016 hatte ein Komitee eine Petition «Tempo 30 an der unteren Schulstrasse für unsere Kinder» eingereicht. «Als Sitzungsleiter wollte ich aber keinen Antrag stellen.» Einen solchen hätte Bachofner dem Gemeinderatsantrag gegenüber stellen müssen. Und nun? «Nun schauen wir weiter, wie sich die Situation entwickelt.»

In Kürze

  • Das Budget 2018 mit einem Ertragsüberschuss von 104'100 Franken und gleichbleibenden Steuerfüssen (siehe Kennzahlen) wurde diskussionslos und einstimmig verabschiedet. Der Wasserpreis beläuft sich weiterhin auf Fr. 1.50 pro Kubikmeter, der Abwasserpreis auf Fr. 0.60. Nach Ablehnung der Tempo-30-Vorlage durch die Versammlung reduzieren sich die ursprünglichen Nettoinvestitionen von 583'400 auf 518'400 Franken.
  • Die Ortsplanungsrevision ist laut Christian Bachofner weiterhin auf Kurs. Nach gemeinderätlicher Verabschiedung werde der Vorbericht am Donnerstag dem Kanton zur Vorprüfung eingereicht. Der Gemeinderat erwartet das Vorliegen einer entsprechenden Beurteilung im Sommer 2018. «Das wäre der Startschuss für die Mitwirkungsphase», so Bachofner.
  • Der Gemeindepräsident informierte die Anwesenden über das weitere Vorgehen bezüglich ursprünglich geplanter Sanierung der Hardstrassenbrücke. Eine Zustandsprüfung habe ergeben, dass «die Brücke in noch schlechterem Zustand ist als gedacht. Die Kosten sind drei Mal höher als geplant». Deshalb sollen erst alle Möglichkeiten und Kosten geprüft werden. «Wir diskutieren sicher wieder an einer Gemeindeversammlung über einen Sanierungskredit. Es ist noch nichts entschieden.»
  • In den ersten Wochen 2018 werden die Öffnungszeiten in der Gemeindeverwaltung reduziert sein. Aufgrund einer doppelten Knieoperation wird Verwalter Beat Gradwohl für vier Monate ausser Gefecht gesetzt sein.

Vorplatz wird saniert

Nach Aussagen von Gemeindepräsident Christian Bachofner ist seit Jahren bekannt, dass der Werkhof-Vorplatz zwingend saniert werden muss, weil er undicht ist und Wasser in die darunterliegende Zivilschutzanlage läuft.

Ein Ingenieurbüro hat den Zustand des Vorplatzes untersucht und grosse Mängel im Gussasphaltbelag und in der Abdichtungsfolie auf der Betondecke festgestellt. Die Gemeindeversammlung verabschiedete das von der Oltner TSW Trachsel, Schibli, Walder + Partner AG erarbeitete Sanierungsprojekt und den zur Ausführung nötigen Kredit von 325'000 Franken mit drei Enthaltungen und einer Gegenstimme.

Neben Sanierung und Abdichtung des Werkhofvorplatzes werden fünf der sieben Tore des Werkhofs und des Feuermagazins durch Sektionaltore ersetzt. Die beiden unnötig gewordenen Tore werden mit fixen Elementen geschlossen. Die Sanierungsarbeiten müssen laut Bachofner 2018, möglichst zeitgleich mit dem Umbau des Feuerwehrmagazins, ausgeführt werden. (kas)