Amtsgericht
20 Monate bedingt für Flaschen-Attacke auf die Ehefrau

Der Türke, der seiner damalige Ehefrau Flaschen auf den Kopf geschlagen hatte, wird wegen versuchter schwerer Körperverletzung verurteilt. Weiter gibt es Kritik an der Staatsanwaltschaft: Sie habe nur mangelhaft untersucht.

Christian von Arx
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Der Schlag mit einer Flasche auf den Kopf war eine versuchte schwere Körperverletzung (Symbolbild). AZR

Der Schlag mit einer Flasche auf den Kopf war eine versuchte schwere Körperverletzung (Symbolbild). AZR

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Ein 54-jähriger Türke, der seiner damaligen Ehefrau im Februar 2014 in der ehelichen Wohnung in Trimbach von hinten eine Wein- oder Whiskyflasche auf den Kopf geschlagen hatte, ist vom Amtsgericht Olten-Gösgen wegen versuchter schwerer Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt worden. Die Strafe wird ihm auf eine Probezeit von 2 Jahren bedingt erlassen.

Der Verurteilte muss seiner Ex-Frau eine Genugtuung von 6000 Franken zahlen. Zudem muss er Prozesskosten von insgesamt 27 200 Franken (Gerichtsgebühr und Untersuchungskosten) übernehmen. Die Kosten der amtlichen Verteidigung und der anwaltschaftlichen Vertretung des Opfers – zusammen rund 21 000 Franken – gehen dagegen zulasten des Staates. Weiter erteilte das Gericht dem Mann die Weisung, sich einer psychotherapeutischen Behandlung zu unterziehen, und unterstellte ihn der Bewährungshilfe.

Tötungsabsicht nicht erwiesen

Eine Tötungsabsicht sah das Amtsgericht unter dem Vorsitz von Präsidentin Eva Berset als nicht erwiesen an, sodass es keine Verurteilung wegen des von der Staatsanwaltschaft erhobenen Eventualvorwurfs der versuchten vorsätzlichen Tötung aussprach. Zu den Nebenvorwürfen der Drohung und Beschimpfung fällte das Gericht Freisprüche aus, weil diese Vorwürfe nicht nachgewiesen seien.

Für eine schwere Körperverletzung sieht das Strafgesetzbuch einen Strafrahmen bis zu 10 Jahren vor. Dieser wurde im Urteil aber weit unterschritten, weil es beim Versuch blieb und die beim Einsatz einer Flasche als Schlaginstrument gegen den Kopf mögliche lebensgefährliche Verletzung nicht eintrat. Auch die in zwei Gutachten festgestellte leicht verminderte Zurechnungsfähigkeit des Täters – seine Lebensumstände in der ihn ablehnenden Familie hatten bei ihm eine grosse Wut aufgestaut – habe sich strafmildernd ausgewirkt, erläuterte Gerichtsschreiber Beat Zweiacker auf Anfrage zum Urteil.

Der bedingte Strafvollzug wurde gewährt, weil das Gericht keine akute Gefahr weiterer, ähnlicher Straftaten erkannte. Der Mann wurde nach der Tat von seiner Frau geschieden und hat heute keinen Kontakt mehr zu seiner Familie, in der der Konflikt geschwelt hatte. Zudem hat er die Absicht geäussert, in seine Heimat Türkei zurückzukehren, von wo er vor rund 40 Jahren als Jugendlicher in die Schweiz ausgewandert war.

«Zu wenig untersucht»

Verschiedene von der Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift behauptete Umstände des Gewaltausbruchs des Türken gegen seine damalige Frau liess das Amtsgericht unberücksichtigt, weil sie nicht nachgewiesen seien. Zum Beispiel war es für das Gericht nicht erwiesen, dass der Mann das Opfer die Treppe des Wohnhauses hinuntergestossen und gewürgt hatte.

Die objektiven Beweise, die die Staatsanwaltschaft erbracht hatte, seien spärlich gewesen: Der Kriminaltechnische Dienst der Kantonspolizei sei nicht aufgeboten worden, das Spurenbild am Tatort deshalb viel zu lückenhaft dokumentiert, um verwertbare Beweise zu liefern.

Auch habe der damalige Staatsanwalt die Ehefrau, das Opfer des Gewaltausbruchs ihres Mannes, nicht einvernommen.«Notwendige Untersuchungshandlungen wurden nicht vorgenommen, das ist höchst problematisch», sagte der Gerichtsschreiber. Die Polizei habe zwar «nach Schema F» alles gemacht, was sie konnte, doch hätten ihr die nötigen Aufträge der verfahrensleitenden Staatsanwaltschaft gefehlt, so Zweiacker.

Der Vorwurf trifft nicht Staatsanwalt Ronny Rickli, der letzte Woche die Anklage vor dem Gericht in Olten vertrat: Er hatte den Fall erst nach seinem Amtsantritt im letzten Oktober übernommen, als die Untersuchung bereits abgeschlossen war.

Als «Türkenfehde» abgetan?

Dass das Strafverfahren in diesem Fall «nachlässig, ja schlampig» geführt worden sei, hatte in ihrem Plädoyer bereits Rechtsanwältin Andrea Stäuble Dietrich aus Olten als Vertreterin des Opfers beklagt. Sie hatte allerdings die Polizei kritisiert, die sich «bei der Einschätzung der Wichtigkeit dieses Falles völlig verschätzt» und sich vom Migrationshintergrund der Beteiligten habe leiten lassen: «Sie kategorisierte das Geschehen unter der Rubrik ‹häusliche Gewalt in türkischen Familien›.»

Dies seien «provokative Aussagen», die er nicht teile, meinte Beat Zweiacker auf Anfrage. Der Migrationshintergrund habe nach seiner Einschätzung keine Rolle gespielt, das Ergebnis wäre nicht anders herausgekommen, wenn die Beteiligten Schweizer gewesen wären. «Es wurde einfach schlecht gearbeitet», so der Gerichtsschreiber.