Die Solothurner SVP nennt sie «Scheinflüchtlinge»: Mit einer Volksinitiative will sie die Sozialhilfe für Asylsuchende ohne Aufenthaltsbewilligung erheblich kürzen. Doch die Idee würde wenig Gutes bewirken.
Nein, es fällt dieser Tage nicht besonders schwer, die Asylinitiative der Solothurner SVP in Gesprächsrunden salopp vom Tisch zu wischen. Zehntausende Menschen flüchten wegen Russlands Krieg gegen die Ukraine in die Schweiz und suchen hier Schutz. Zwar könnte die Initiative die ukrainischen Flüchtlinge letztlich finanziell ebenfalls tangieren; immerhin jedoch haben sie den Schutzstatus S und müssen kein Asylverfahren durchlaufen.
Doch angesichts des verheerenden Kriegs vor unserer Haustüre wirkt das SVP-Begehren aus der Zeit gefallen. Es überrascht deshalb nicht, dass sich die Partei im Abstimmungskampf kaum engagiert. Ist ihr die eigene Initiative peinlich geworden? Schliesslich erinnert uns diese daran, dass es Flüchtende aus anderen Ländern gibt, denen wie den Ukrainerinnen und Ukrainern grosses Leid widerfahren ist. Zugleich überstrahlt derzeit die – ebenfalls aus SVP-Kreisen stammende – Steuersenkungsinitiative alle weiteren politischen Themen im Solothurnischen.
Dennoch wäre es unklug, die Initiative «Weniger Sozialhilfe für Scheinflüchtlinge» einfach so beiseitezuschieben. Das Asyldossier mag allgemein an Brisanz verloren haben. Und doch ist es noch nicht lange her, seit die SVP in anderen Kantonen restriktivere Regeln bei den Leistungen für Asylsuchende durchsetzen konnte.
Im Kern verlangt ihre Initiative eine «erhebliche» Reduktion der Sozialleistungen für Asylsuchende und vorläufig Aufgenommene. Schaut man da genauer hin, so finden sich stichhaltige Gründe, am 15. Mai ein Nein einzulegen. Selbst wer die Zügel in der Asylpolitik gerne anziehen möchte, sollte sich gut überlegen, ob die Initiative das taugliche Mittel dafür ist.
Es beginnt mit einem Konstruktionsfehler: Der Begriff «Scheinflüchtlinge» ist erstens irreführend und atmet zweitens den Geist des Generalverdachts. So bekommen abgewiesene Asylsuchende ohnehin nur noch Nothilfe. Gleichzeitig zielt die SVP-Initiative namentlich auf die vorläufig Aufgenommenen; eine Kategorie, die es so nur hierzulande gibt. Ihre Bezeichnung ist trügerisch. Schliesslich geht es um Personen ohne klassischen Flüchtlingsstatus, die das Land aber meist auf absehbare Zeit nicht mehr verlassen werden. Sie haben ein Quasi-Bleiberecht; etwa, weil sie in kriegsversehrte Länder wie Syrien oder Afghanistan nicht zurückkehren können.
Allerdings: Es ist mitnichten so, dass die Leistungen für vorläufig Aufgenommene allzu grosszügig bemessen sind. Auch im Kanton Solothurn ist die Sozialhilfe für sie – wie für Asylsuchende im laufenden Verfahren – bereits reduziert. Die entsprechenden Ansätze sind heute 20 Prozent tiefer als bei regulären Sozialhilfebezügern, sie garantieren lediglich eine minimale Existenzsicherung.
Pauschale Kürzungen verheissen in diesem Fall wenig Erfolg. Es ist illusorisch zu glauben, dass Menschen damit motiviert werden, eine nicht zumutbare Rückreise ins Krisengebiet anzutreten. Selbst in Asylfragen pointierte Freisinnige warnen vor Kollateralschäden: Würde die Sozialhilfe weiter gestutzt, könnten Betroffene in die Schwarzarbeit abrutschen und kriminell werden.
Tatsächlich wäre der Preis für die verhältnismässig geringen Einsparungen zu hoch. Es gibt bessere Lösungen. Dafür muss man zuerst mal die Realität anerkennen: Viele der vorläufig aufgenommenen Personen werden die Schweiz wegen der Konflikte in ihren Heimatländern nicht so schnell wieder verlassen.
Deshalb ist es nachhaltiger, Geld und Energie in Integrationsmassnahmen zu stecken – damit die Betroffenen dem Sozialstaat nicht über lange Zeit zur Last fallen. Diesen Weg hat der Bund eingeschlagen. Für entsprechende Massnahmen fliesst Geld aus Bern. In der Pflicht stehen die Kantone. Sie müssen sich darum kümmern, vorläufig Aufgenommene besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Zeit dafür steht durchaus zur Verfügung. Während sieben Jahren werden die Kosten für die Sozialhilfe durch den Bund gedeckt. Erst danach müssen die Gemeinden übernehmen. Die Leistungen sind schon heute knapp bemessen, ja, sie ermöglichen aber noch ein menschenwürdiges Leben und die gesellschaftliche Teilhabe.
Würden diese jedoch weiter gekürzt, droht einem vorläufig Aufgenommenen der soziale Notstand. Er würde erst recht an den Rand gedrängt, seine so wichtige Integration in den Arbeitsmarkt weiter erschwert. Auf lange Sicht sind Mehrkosten programmiert. Und mit diesen sähen sich am Ende – mal wieder – die Gemeinden konfrontiert. Dies kann nicht das Ziel der SVP sein.