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Der Kostümverleih von Marie Schreier ist nach über 60 Jahren aufgelöst worden. Die Nachfrage ist in den letzten Stunden des Verleihs noch einmal riesig gewesen.
Das Inserat im Azeiger «Fasnachtskleider zum Mitnehmen» war klein, aber seine Wirkung gross. Bereits eine halbe Stunde vor Türöffnung erschienen die ersten Leute.
Morgens um zehn Uhr schliesslich war der Eintritt in die Räume wegen der Menschenschlange nur noch tröpfchenweise möglich.
«Wir sind völlig überrumpelt worden», sagte denn auch Marianne Schreier, die Schwiegertochter von Marie Schreier.
Der mittlerweile 88-jährigen Frau ist es aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich, ihr Lebenswerk weiterzuführen. Sie lebt heute in einem Altersheim.
In den 1950er-Jahren begann Marie Schreier mit dem Vermieten von Kostümen. Fantasiereich verwirklichte sie viele Kleider auf ihrer Nähmaschine selber. Nicht nur während der Fasnachtszeit waren ihre Kostüme gefragt, sondern auch übers Jahr, etwa für Theater, Hochzeiten oder nostalgische Anlässe.
«Niemand von unserer Familie besitzt das nötige FasnachtsGen zum Weiterführen des Kostümverleihs», sagte Marianne Schreier.
Der Entschluss aufzuhören sei den beiden Söhnen, Schwiegertöchtern und Grosskindern Lea und Mirjam nicht leicht gefallen. Aufbewahrt hat die Familie die nostalgischen Kleider, die weiterhin von Theatergruppen zu haben sind.
Viele Personen suchten gezielt nach Sujets, wieder andere freuten sich über spezielle Entdeckungen. Die Interessierten begutachteten, diskutierten und häuften schliesslich die gefundenen Schätze über ihre Unterarme.
Zwei junge Männer freuten sich über die Samichlauskleider, Mutter und Tochter über das Zigeuner- und Hexenkostüm sowie das Piratenkleid für den Hausherrn.
Ein jüngeres Ehepaar suchte etwas im Barockstil und wurde fündig. Eine Frau setzte das neckische Hütchen gleich auf ihren Kopf.
Viele Anwesende bekundeten, wie grosszügig Marie Schreier stets gewesen sei. So auch die beiden Mitarbeiterinnen des Alters- und Pflegeheims Am Bach in Gerlafingen.
Die Kostüme habe sie jeweils für ein Trinkgeld abgegeben. Oder, so war zu vernehmen, hatte sie einer Jugendorganisation die Miete erlassen mit dem Wunsch:
«Betet für mich ein Vaterunser.» Gerade wegen der sozialen Ader von Marie Schreier haben sich ihre Nachkommen entschieden, für die abgegebenen Kostüme nur auf eine freiwillige Spende hinzuweisen, und zwar für den Dritt-Welt-Verein Deitingen.
«Wir stehen alle auf der Sonnenseite des Lebens, daher haben wir uns für diesen Weg entschieden», sagte Marianne Schreier.
Bereits am Samstag waren die vorher prall gefüllten Räume nahezu leer. Der Dritt-Welt-Verein darf sich über rund 3400 Franken freuen.
Am 23. und 24 Januar findet an der
Baschistrasse 11 in Deitingen wegen der grossen Nachfrage am
vergangenen Samstag keine
Kostümabgabe mehr statt.