Archäologie
Die Hingerichteten von Feldbrunnen leben weiter

Vor fast fünf Jahren fanden Bauarbeiter in Feldbrunnen vier Skelette von Hingerichteten in Feldbrunnen. Der Kantonsarzt Christian Lanz befasst sich privat noch immer mit dem Fall, eine Buchpublikation über das Schicksal der Skelette ist geplant.

Lucien Fluri
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2012 wurden die Skelette in Feldbrunnen ausgegraben
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Skelettfunde in Feldbrunnen

2012 wurden die Skelette in Feldbrunnen ausgegraben

Andreas Kaufmann

Kantonsarzt Christian Lanz konnte diesen Fall bis jetzt nicht loslassen. Im Juni 2012 wurde der ausgebildete Rechtsmediziner nach Feldbrunnen gerufen, als auf einer Baustelle mehrere Skelette zum Vorschein kamen. Lanz fiel sofort auf: Was er da sah, entsprach keiner regulären Friedhofssituation. Ein sauberer Schnitt an zwei Halswirbeln bestätigte den Verdacht: Die Frau und die drei Männer, deren Überreste da lagen, waren im 18. Jahrhundert mit dem Schwert hingerichtet worden. Bis in die Nacht hinein arbeitete das Ausgrabungsteam mit der Taschenlampe auf der Fundstelle.

Längst ist der Fall für den Kantonsarzt abgeschlossen. «Die Pflicht ist getan», sagt der Mediziner. Er sitzt in der Cafeteria an seinem Arbeitsort, dem Ambassadorenhof, und hat ausgestempelt. Heute beschäftigt er sich in der Freizeit mit dem Fall weiter, gemeinsam mit der Bieler Historikerin Sabine Kronenberg. Beide planen nun eine Buchpublikation zu den Toten von Feldbrunnen.

Wer waren die Toten? Lanz und Kronenberg hatten die Hoffnung, den Geköpften Namen zuordnen zu können. «Eine Hinrichtung war kein wöchentliches Spektakel», sagt Lanz. «Und bei den Frauen ist die Auswahl kleiner.» Trotzdem bleibt nach der Recherche kein Name übrig. «Es gibt zu viele Unwägbarkeiten», sagt Historikerin Kronenberg. So viele Aktenspuren wie heute gibt es nicht.

Knochen sprechen lassen

Ein Leben zurückerhalten sollen die Toten dennoch. In ihrer Publikation, einem kleinen Büchlein, wollen Kronenberg und Lanz aufzeigen, wer die Hingerichteten gewesen sein könnten, aus welchem sozialen Milieu sie gekommen sein könnten. Darüber hinaus könnte die Publikation durchaus auch allgemeinere Themen umfassen: Wie ging man mit Körperstrafen um, was bedeutete das Strafen in der Vormoderne oder wie hat sich die Rechtsprechung verändert. Voyeurismus soll es trotz des spektakulären Themas nicht geben.

Geschichten kann Lanz auch schon aufgrund der gefundenen Knochen erzählen. Denn diese hatte eine spezialisierte Anthropologin zusammen mit dem Kantonsarzt genau untersucht: Das Frauenskelett ohne Kopf, der männliche Oberkörper und die beiden guterhaltenen Männerskelette, bei denen die Köpfe zwischen den Beinen lagen, gaben schon einige Auskunft. Die Frau dürfte zwischen 35 und 45 Jahre alt gewesen sein, ebenso der ältere Mann. Seinen Zähnen nach war er Pfeifenraucher. 17 bis 20 Jahre alt war der jüngere der gerichteten Männer.

Alle Skelette wiesen auch schon krankhafte Veränderungen auf oder Verletzungen, die vor dem Tod entstanden. Der Jugendliche hatte Entwicklungsstörungen. War er unter schlechten Umständen aufgewachsen? Einer war robust gebaut und hatte wohl hart gearbeitet. Folterspuren fand man keine an den Skeletten.

Polizei «fand» die Tatwaffe

Bis Ende Jahr möchten Lanz und Kronenberg das Büchlein erstellt haben. Derzeit suchen sie noch Sponsoren. Unterstützt werden sie von den Gemeinden Solothurn und Feldbrunnen, dessen Gemeindepräsidentin Anita Panzer quasi das Patronat über die Publikation hat. Unterstützung kommt vom Team rund ums Dorfmuseum Feldbrunnen und auch Lokalhistoriker sollen als Autoren einbezogen werden.

Zudem kann das Team auf bereits eine Dokumentation zum Thema zurückgreifen: Die Kantonsarchäologie hatte sich in ihrem Jahrbuch 2014 dem Feldbrunner Fund gewidmet und etwa Ergebnisse zum Richtplatz festgehalten, der stadtauswärts für Reisende gut sichtbar war und eine abschreckende Wirkung haben sollte. In der Nähe war auch ein Siechenhaus und ein Platz für Tierkadaver. «Alles waren Orte, die bei den damaligen Zeitgenossen Abscheu, Verachtung, Ekel und Ängste auslösten und deshalb möglichst fernab der Stadtmauer zu liegen hatten», so die Kantonsarchäologie.

Mit sehr grosser Sicherheit kennt man die Tatwaffe in diesem Fall: Der Kriminaltechnische Dienst der Kantonspolizei Solothurn hat schon vor geraumer Zeit nachgewiesen, dass eines der beiden im Museum Altes Zeughaus aufbewahrten Richtschwerter wohl tatsächlich verwendet worden war. Das Spurenbild des Schliffs und «einzelne individuelle Merkmale» auf dem Schwert stimmen laut den Kriminaltechnikern mit den Spuren an den Halswirbeln überein. Mit hundertprozentiger Sicherheit ist die Aussage allerdings nicht zu machen: Das Schwert ist mittlerweile gereinigt und wohl auch poliert worden.