Bellach
Auszeit vom Schreinerjob: Unternehmer wird für sechs Monate Carchauffeur

Philipp Späti ist Unternehmer und führt eine gut funktionierenden Schreinerei in Bellach. Im April erfüllt er sich seinen lang ersehnten Traum: Für sechs Monate wechselt er in die Front eines Reisebusses und fährt als Carchauffeur quer durch Europa.

Dominique Simonnot
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Ferdinand Schneider (links) freut sich auf seien neuen Chauffeur Philipp Späti.zvg

Ferdinand Schneider (links) freut sich auf seien neuen Chauffeur Philipp Späti.zvg

2322620 CH frentzel

Beruf hat selten mit Berufung zu tun. Häufig ist es eine andere als die innere Stimme, die einen ruft. Doch glücklicherweise ändern sich die Dinge: die Möglichkeit der Selbstverwirklichung hält immer mehr Einzug in unsere Gesellschaft. Dank der Erkenntnis: Tut man das, was man gerne tut, dann tut man es meist auch gut. So werden Herzchirurgen zu Taxifahrern, Finanzberater zu Schreinern und Schreiner zu Carchauffeuren. Und allen geht es gut dabei. So auch Philipp Späti, Inhaber und Geschäftsführer der Späti Innenausbau AG in Bellach, ein Unternehmen mit 30 Mitarbeitern.

Nebenerwerb in der Ausbildung

Schon als kleiner Junge zog es ihn bei Ausfahrten auf den Beifahrerplatz ganz vorne im Car. Diese Begeisterung machte er nach der Schule konkret zu einem Stück Papier: beim Militär erwarb er den LKW-Schein und anschliessend den Car-ausweis. Damit verdiente er sich während der Ausbildung zum Schreinermeister ein paar Brötchen dazu. Denn damals war klar, dass er die Späti Innenausbau AG in dritter Generation weiterführen würde.

Klar war aber auch, dass ihn seine Leidenschaft nicht loslassen würde. Sie zerrte ihn regelmässig ans Lenkrad. «Ich habe mich damals oft gefragt, ob ich nicht meinen Beruf verfehlt habe», so Philipp Späti. Vor 20 Jahren heuerte er deshalb bei Schneider Reisen Langendorf an, um seine Leidenschaft als Carchauffeur zumindest an seinen freien Tagen ausleben zu können. Er fuhr Fremde und bald Vertraute quer durch Europa, in die Sonne, in den Schnee. Trotzte Lothar in Davos, wechselte Reifen im tiefsten Schneesturm und übernachtete auch schon einmal mit einer Gruppe im Car, weil in Frankreich eine Strasse gesperrt war.

Doch die Stimme der Leidenschaft kann sehr laut sein. Ihr widerstehen kann hart sein, ihr nachzugeben die Erlösung. Und so beschloss Philipp Späti, ihr nachzugeben und Nägel mit Köpfen zu machen. Zumal seine Familie ihn dazu ermutigte, seinen Traum vom Vollzeitcarchauffeur nicht länger aufzuschieben. «Wenn alte Leute meinen, sie müssen sich im Alter verwirklichen, sollen sie das tun», lautete der Kommentar seiner jüngeren Tochter Aline. Ein wohlwollendes Kompliment – muss man wissen - aus dem Mund einer 15-Jährigen.

Fahren ist auch Ausgleich

Auch sein Team reagierte begeistert und ist sehr stolz, dass er ihnen diesen grossen Vertrauensbeweis entgegenbringt. In seiner Funktion als Carchauffeur kennen sie ihn bereits von verschiedenen Ausfahrten. Und ein Mitarbeiter gesteht: «Er ist ausgeglichener, wenn er ab und zu ans Steuer kann». Eine Mitarbeiterin aus der Buchhaltung hat allerdings auch Angst, dass es ihm zu gut gefallen könnte und er gar nicht mehr wiederkommt. «Die Gefahr besteht nicht, dafür liebe ich meinen Job viel zu sehr», schmunzelt Philipp Späti.

Am 14. April 2017 ist es nun soweit. Der Geschäftsführer nimmt sich eine Auszeit und wird für sechs Monate ausschliesslich als Carchauffeur von Schneider Reisen Langendorf unterwegs sein. Bis zum 14. Oktober wird er durch Europa touren, über Kulturen und Regionen erzählen, Antworten parat haben, Anlaufstelle für die Sorgen der Reisenden sein und auch mal improvisieren müssen.

Die Frage, auf welche Fahrt er sich am meisten freut, scheinen andere allerdings besser beantworten zu können: «Auf die letzte, wenn er wieder ins Geschäft kommen kann», so sein Stellvertreter Patrick Sutter. «Auf die Damenriege, mit der er schon seit Jahren fährt», weiss Ferdinand Schneider, Geschäftsführer von Schneider Reisen Langendorf und ab April sein neuer Chef. Und Philipp Späti selbst? «Ich bin gespannt auf die Länder, die ich noch nicht kenne, zum Beispiel Nordpolen. Aber ich mag vor allem Fahrten in den Süden, wegen dem Klima und dem guten Essen».