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Der Solothurner Verein x-talent bringt Schulaustretende und Ausbildungsbetriebe zusammen. Denn die paradoxe Situation von leeren Ausbildungsplätzen und zugleich Jugendlichen ohne Lehrstelle ist immer wieder zu beobachten.
Der Widerspruch ist augenfällig: Einerseits können nicht alle Lehrstellen besetzt werden, andererseits suchen Schulaustretende verzweifelt nach einem Ausbildungsplatz. «Das kann nicht sein», sagte sich Nicole Frei vor anderthalb Jahren.
Die Ökonomin, Personalentwicklerin und Geschäftsführerin der Beratungs- und Bildungsfirma Startbahn 11 GmbH in Solothurn, gründete den Verein x-talent. «Unser Ziel ist es, das Matching zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Lehrstellenmarkt zu verbessern.» Es gehe also darum, den Ausbildungsbetrieb mit einer offenen Lehrstelle mit dem «richtigen» Schulabgänger zusammenzubringen.
Und zwar rechtzeitig. Das Zusammenführen von Schülerinnen und Schülern mit den beruflichen Ausbildnern soll vor Ende des letzten Schuljahres erfolgen. «Die Jugendlichen sollen nach Schulabschluss nicht zuerst arbeitslos werden. Es ist wichtig, positiv ins Berufsleben starten zu können», erklärt Frei.
Interessant sei, dass der geschilderte Widerspruch sowohl in Zeiten eines Lehrstellenmangels wie eines Überflusses auftrete, beobachtet Frei. Allerdings werde die Problematik durch die derzeitige demografische Entwicklung verstärkt: Die Zahl der Schulaustretenden nimmt stetig ab, die Zahl der Lehrstellen bleibt ungefähr gleich hoch.
Trotzdem arbeiten offenbar die auf dem Lehrstellenmarkt tätigen Akteure erfolgreich. Im Kanton Solothurn haben jeweils nur rund drei Prozent nach der obligatorischen Schulzeit keine direkte Anschlusslösung. Braucht es also dieses zusätzliche Angebot wirklich? Ja, ist Nicole Frei überzeugt.
Denn rund 15 Prozent der Schulabgängerinnen wählen den Weg über Brückenangebote oder Zwischenlösungen. «Diesen Jugendlichen ist es also nicht gelungen, selbstständig eine geeignete Lehrstelle zu finden.»
Das müsse nicht so sein. «Denn jeder Jugendliche hat bekannte oder unbekannte Talente und fast jeder ist in der Lage, eine Berufslehre mit Fähigkeitszeugnis oder mit einem Berufsattest zu absolvieren», sagt die 40-jährige Personalentwicklerin.
Hier setze die Arbeit von x-talent ein. Und zwar in der Regel jeweils ab Januar, denn dann trenne sich die Spreu vom Weizen. Jene, die noch keinen Lehrvertrag unterzeichnen konnten, benötigten zusätzlichen Support.
In persönlichen Gesprächen würden das Profil, die Talente und Wünsche der Schülerinnen und Schüler oder auch von Lehrabbrechern erfasst und in den sogenannten «Talentpool Berufsnachwuchs» eingespeist. Dabei gehe es etwa um eine Standortbestimmung (Stand Berufswahl, Kenntnisse der Fähigkeiten, Infos über Bildungssystem), Erstellen eins Schülerprofils, Bewerbungsstrategie und Erstellen von Bewerbungsdossiers.
Auf der anderen Seite werden die offenen Lehrstellen und die Anforderungen an die Bewerbenden erfasst. «Danach bringen wir die beiden Akteure zu einem persönlichen Treffen zusammen», erläutert Frei das Vorgehen.
Ganz wichtig sei zu wissen, dass x-talent keine Entscheide treffe. «Die Entscheidung für ein Lehrverhältnis fällen der Lehrbetrieb und der Lehrstellensuchende.» Dass der Solothurner Verein nicht im luftleeren Raum operiert, zeigt die Unterstützung des Projektes «Talentpool Berufsnachwuchs» durch den Bund.
Das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) leistet nämlich im Rahmen des landesweiten Projektes «Match-Prof» einen namhaften Beitrag an die Kosten.
Die Dienstleistungen des Vereins x-talent sind sowohl für die Schülerinnen und Schüler wie für die Lehrbetriebe kostenlos. «Wir werden massgeblich vom Bund und von privaten Gönnern unterstützt», erklärt Vereins-Geschäftsführerin Nicole Frei.
Konkret leiste das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) befristete finanzielle Beiträge. Das Amt will mit dem Projekt «Match-Prof» einen Beitrag zur Fachkräfteinitiative leisten. Ziel des Projektes ist es, die Zahl der offenen Lehrstellen und der Personen in Zwischenlösungen markant zu senken.
Ab 2014 suchte das SBFI landesweit nach entsprechenden Projektideen. «Wir haben uns mit unserer Idee von x-talent erfolgreich gemeldet und die Arbeit 2015 aufgenommen», so Frei. Bis 2018 übernehme das SBFI 60 Prozent der Kosten des bewilligten Projektes.
Danach soll sich der Betrieb selbst finanzieren. Dazu würden verschiedene Massnahmen geprüft, zum Beispiel, dass die Ausbildungsfirmen einen Beitrag leisten bei einer erfolgreichen Vermittlung, sagt Frei. Aktuell ist der «Talentpool Berufsnachwuchs» des Solothurner Vereins x-talent landesweit eines von neun Projekten von Verbundpartnern, die aktuell unter dem Label «Match-Prof» gestartet sind, wie der SBFI-Projektleiter, Reto Trachsel, auf Anfrage erklärt.
Stand heute liessen sich noch keine konkreten Aussagen über den Erfolg der Massnahmen formulieren. «Viele Projekte befinden sich immer noch in der Anlaufphase. Mit allen Projekten sollen schweizweit über 2000 Jugendliche direkt vermittelt werden.» (FS)
Das erste «Geschäftsjahr» seit der Gründung des Vereins 2015 habe gezeigt, dass ein Bedürfnis nach den Dienstleistungen durchaus vorhanden sei. Bis dato hätten sich 74 Schulaustretende beim Verein gemeldet.
«Davon haben wir für 50 Jugendliche eine Lehrstelle vermitteln können», meldet Frei. Dies entspreche einer zwischenzeitlichen Erfolgsquote von fast 70 Prozent. Mittelfristiges Ziel sei es, jährlich rund 60 Lösungen zu finden. Mit dem Resultat im ersten Jahr und angesichts des noch tiefen Bekanntheitsgrades könne man zufrieden ein.
Das Spektrum der erfolgreichen Vermittlungen sei breit, reiche von handwerklichen über mechanische und kaufmännische Berufe bis hin zu Lehren im Verkaufsbereich. Die bisher eingegangenen Rückmeldungen seitens der Lehrfirmen, Lernenden und deren Eltern seien positiv.
Dafür, dass nicht alle Jugendlichen eine Lehrstelle finden, macht Nicole Frei mehrere Gründe geltend. Schulseitig werde zwar auf die Berufswahlvorbereitung grosses Gewicht gelegt, aber nicht alle Eltern könnten den notwendigen individuellen Support leisten.
Es fehlten die Kenntnisse über die Laufbahnmöglichkeiten nach einer Berufslehre, die Durchlässigkeit des Bildungssystems oder Eltern hätten realitätsfremde Wünsche. Zwar sei Letzteres nachvollziehbar, weil alle Eltern nur das Beste für ihre Kinder wollten.
«Deshalb gilt es, ihnen eben die Breite der Berufsmöglichkeiten aufzuzeigen und dass eine Berufslehre keinesfalls Sackgasse, sondern ein Sprungbrett ist.» Hinzu kämen individuelle Handicaps wie schulische, soziale und/oder sprachliche Schwächen, welche die Lehrstellensuche zusätzlich erschwerten.
Auf Seite der Ausbildungsfirmen werde leider bereits in der Vorselektion zu stark und zu einseitig nur auf das Zeugnis abgestellt. «Vielfach ist die Stellenbesetzung weniger eine Frage des Intellekts oder des Könnens als des ersten Eindruckes vom Kandidaten.» Deshalb lege man auch besonderen Wert auf die Erstellung eines korrekten Bewerbungsdossiers.
«Das ist einfach wichtig, um nicht bereits bei der Vorauswahl auszuscheiden.» Dass es unter den Schulabgängern auch nicht-vermittelbare «Fälle» gebe, bestreitet Frei nicht, diese seien aber selten. Bei jenen fehle es oft an Zuverlässigkeit und Motivation. «Da wird es trotz allen Unterstützungsangeboten schwierig, überhaupt eine Lösung zu finden.»