Ob in Städten, in Agglomerationen oder in ländlichen Regionen – überall prägen Baukräne die Landschaft und Wohnbauten werden aus dem Boden gestampft.
Schweizweit wurden 2011 gemäss Angaben des Bundesamtes für Statistik fast 46000 Wohnungen neu erstellt, 11,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Eine Abschwächung ist nicht erkennbar. Von «einer Wohnungsproduktion auf Vollgas» schreiben die Ökonomen der Credit Suisse in ihrer aktuellsten Immobilienstudie. Demnach dürften 2012 weitere 47000 Neuwohnungen hinzukommen.
Wohnungsbau läuft auf Hochtouren
Auch im Kanton Solothurn läuft der Wohnungsbau auf Hochtouren. Die Credit-Suisse-Experten rechnen mit einer Zunahme des Wohnungsbestandes um 1Prozent auf rund 127000 Einheiten Ende 2012. Für den Kanton Bern wird mit einem Plus von 0,7 Prozent auf 530000 Wohnungen gerechnet. In den Gemeinden mit über 5000 Einwohnern in der Region Emmental-Oberaargau (Langenthal, Kirchberg, Herzogenbuchsee, Burgdorf und Langnau) wurden im vergangenen Jahr 550 Neuwohnungen gebaut, mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr.
Der seit Jahren anhaltende Boom soll aber vorerst nicht zu einem Überangebot führen, wie zumindest eine Umfrage unter Immobilienfirmen in der Region ergab. «Es werden nicht zu viele Eigentumswohnungen gebaut. Die meisten können verkauft werden», schätzt Marcel Linder, Leiter Immobilientreuhand Mittelland bei der BDO in Solothurn, die Situation gelassen ein. Dies sei allerdings von der Lage der Liegenschaft abhängig, dem mit Abstand wichtigsten Kriterium für die Verkaufsfähigkeit. Damit meint Linder aber nicht nur die schöne Aussicht, sondern insbesondere auch die Verkehrserschliessung für den privaten wie öffentlichen Verkehr sowie die Steuersituation. «Der Hausbesitzer kann alles verändern, neue Fenster einbauen, die Heizung effizienter machen oder einen Pool im Garten installieren. Aber die Lage des Hauses kann er nicht verändern», streicht er die Wichtigkeit hervor.
Auch Gerhard Roth, Inhaber und Geschäftsleiter der Solothurner Immowengi AG, verweist auf regionale Unterschiede. «In verkehrs- oder steuergünstigen Gemeinden oder Zentren wie etwa Solothurn, Lohn oder Feldbrunnen werden uns die Angebote für Wohneigentum praktisch aus den Händen gerissen.» Dort würden teilweise auch Preise über dem Verkehrswert bezahlt. Zumindest im Fall der Steueroase Feldbrunnen trifft das offenbar zu. Ist doch auf der Gemeinde-Website aufgeschaltet, dass zurzeit kein Bauland zur Verfügung stehe. Die Wichtigkeit einer guten Verkehrserschliessung leitet Roth ferner von zunehmenden Anfragen nach Wohnraum aus den Grosszentren Bern, Zürich oder Basel ab. «Gesucht ist bezahlbares Wohneigentum in Pendlerdistanz.» Dagegen sei es deutlich schwieriger geworden, Wohneigentum in verkehrstechnisch ungünstigeren Lagen wie etwa im äusseren Wasseramt oder im Bucheggberg zu verkaufen, gesteht Roth ein.
Kaum unverkaufte Wohnungen
In der Region Grenchen wird auch nicht auf Halde gebaut, wie Mario Chirico, Chef der Grenchner Chirico Immobilien-Dienstleistungen GmbH, versichert. Es seien zwar tatsächlich sehr viele Eigentumswohnungen erstellt worden, doch gebe es kaum unverkaufte Wohnungen. «Auch bei Neubauten werden die ersten Wohnungen bereits ab Plan verkauft.» Die Gefahr eines Überangebotes bestehe zudem deshalb nicht mehr, weil nun im Raum Grenchen vermehrt in den Mietwohnungsbau investiert werde. «Dies ist sehr gut für die Region, weil ein Mangel an neuen Mietwohnungen besteht.» In diesem Segment müsse man aber wegen des «wahrhaftigen Booms» mit einem Überangebot rechnen.
Im Oberaargau ist die Nachfrage nach Wohneigentum weiterhin grösser als das Angebot, beobachtet Claudio Fischer, Immobilienbewirtschafter bei der Immondo AG in Langenthal. Gerade in den Zentren Langenthal und Herzogenbuchsee laufe der Verkauf von Eigentumswohnungen gut. Die Gefahr des Platzens einer Immobilienblase mit massiven Preiseinbrüchen sieht er in der Region keine: «Die Preise haben sich im Gegensatz zu Regionen um den Zürich- oder Genfersee moderat entwickelt.»
Unisono sind sich die befragten Immobilienhändler einig, dass im Segment der Einfamilienhäuser kaum ein Überangebot entstehen kann. «Einfamilienhäuser werden nicht spekulativ gebaut, sondern sind zu 99 Prozent bereits vor Baubeginn verkauft», erläutert Marcel Linder.
Wenn demnächst die neuen Leerwohnungsquoten publiziert werden, wird der Kanton Solothurn wiederum eine «Spitzenstellung» einnehmen. Das ist für Linder aber nicht dramatisch. «Eine Quote von 1 bis 2 Prozent ist akzeptabel. Sie bedeutet, dass der Markt funktioniert.» Und Immowengi-Chef Roth ergänzt, dass vorab ältere Wohnungen leer stünden. «Viele Liegenschaftsbesitzer haben es in der Vergangenheit versäumt, die Wohnungen sanft zu renovieren, um sie marktgängig zu machen.» Darin liegt auch der Unterschied zur letzten grossen Immobilienkrise in den 90er-Jahren. Der Anteil der Neuwohnungen am Leerwohnungsbestand beträgt heute 8 Prozent, 1992 lag er bei 57 Prozent.