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Wirtschaftsvertreter befürchten bei einem Ja zur Durchsetzungsinitiative eine höhere Unsicherheit für Investitionen. Die Politprominenz warnt vor einer Aushöhlung des Rechtsstaates
Sie wollen sich für den Rechtsstaat wehren. Am Dienstag rief die Solothurner Wirtschaft – flankiert von Vertretern der bürgerlichen Parteien CVP und FDP – zur Medienkonferenz gegen die Durchsetzungsinitiative. Am Mittwoch tat es die grosse Mehrheit der Solothurner Bundesparlamentarier.
«Die Durchsetzungsinitiative betrifft uns erheblich» sagt Unternehmer Josef Maushart, der als Präsident des Industrieverbandes Solothurn und Umgebung (Inveso) rund 70 Firmen aus der Region Solothurn vertritt. «Wir haben mit dem starken Franken und den Ungewissheiten bei den bilateralen Verträgen schon genügend Probleme. Wir brauchen nicht noch weitere Unsicherheiten.»
Maushart, Besitzer der Bellacher Fraisa, ist überzeugt: Internationale Verträge würden durch die Initiative verletzt. «Das würde zu noch mehr Investitionsunsicherheit führen.»
In den kommenden Wochen wollen deshalb die Solothurner Handelskammer und der Industrieverband Inveso eine Plakatekampagne starten. «Wenn die nationalen Wirtschaftsdachverbände nicht handeln, müssen wir dies kantonal an die Hand nehmen», sagt Maushart. Bezahlt werde die Aktion nicht aus der Verbandskasse, sondern von einzelnen Unternehmen.
Reich und arm sind nicht gleich
Für Maushart ist unbestritten: Volk und Stände wollten 2010 die Ausschaffungsinitiative und diese muss deshalb umgesetzt werden. «Aber die Bundesversammlung hat diesem Auftrag entsprochen.»
Das Parlament habe gute Arbeit geleistet – anders als die Initianten der Durchsetzungsinitiative. «Warum wird dort der Steuerbetrug nicht als Grund für eine Ausschaffung genannt?», fragt Maushart. «Es geht nicht an, das der Sozialbetrug des Kriegsflüchtlings im Wert von tausend Franken zur Ausschaffung führt, während der millionenschwere Steuerbetrug des reichen Steuerflüchtlings ungeahndet bleibt.»
Die Initiative sei unverhältnismässig. «Zwei Ohrfeigen in zehn Jahren und die Ausschaffung ist zwingend.» Maushart setzt auf den Umsetzungsvorschlag des Parlaments, der «die Superreichen nicht schone und auch nicht die Schwächsten der Gesellschaft ignoriert.»
«Noch mehr Aufwand»
Auch für den Deitinger Unternehmer Adrian Flury, Inhaber der Arthur Flury AG und Vizepräsident der Solothurner Handelskammer, geht die Durchsetzungsinitiative viel zu weit. «Selbst Bagatellfälle führen im Wiederholungsfall zu einer Ausschaffung.» Flury bemängelt, dass es für Härtefälle keine Einzelfallprüfung gibt. «Durch die Ungleichbehandlung gibt es ein neues Verhältnis zwischen Schweizern und Ausländern. Wir sollten uns aber dafür einsetzen, dass dies besser wird.» Der Unternehmer befürchtet, «dass Firmen wegen Lappalien wertvolle Arbeitskräfte verlieren könnten.»
Die Wirtschaft leide bereits an einer Überregulierung, so Flury. «Die Durchsetzungsinitiative führt zu noch mehr Aufwand durch Abklärungen bei Einstellungen.» Flury erinnerte zudem an die Balkankriege, als es in seinem Unternehmen Konflikte zwischen Arbeitern unterschiedlicher Herkunft gab. Heute müsste er sich gut überlegen, ob er die Polizei rufen würde. «Ich würde mich nicht wohlfühlen in meiner Haut, wenn ich Konflikte unter diesem Aspekt betrachten müsste.»
«Unnötig und unschweizerisch»
«Der Gesetzgeber wird faktisch umgangen. Das passt nicht zu unserer Demokratie», sagt CVP-Präsidentin Sandra Kolly, die den Begriff Durchsetzungsinitiative für falsch hält. Es gehe nämlich um eine zusätzliche Verschärfung. Und dafür, so Kolly, würden dreieinhalb Druckseiten Gesetzesbestimmung in die Verfassung geschrieben, während die richterliche Unabhängigkeit ausgehebelt werde.
Als «unnötig und unschweizerisch» bezeichnete FDP-Kantonalpräsident Christian Scheuermeyer die Initiative. «Ich kann die Ängste und die Verunsicherung verstehen. Aber wir können das mit der Initiative nicht lösen. Wir schaffen uns nur zusätzliche Probleme.» Die Initiative untergrabe die gesetzgeberische Arbeit des Parlamentes. «Sie ist einmal mehr eine Verweigerung der SVP zu einem Kompromiss.»
Scheuermeyer warb für eine harte Ausländerpolitik. «Dafür aber rechtsstaatliche Prinzipien zu verletzen, ist falsch.» Der FDPler befürchtet zusätzliche Sozialkosten, wenn der Haupternährer einer Familie ausgeschafft würde.