Amteiarzt Jean-Pierre Summ muss ausrücken, wenn aussergewöhnliche Todesfälle vorliegen.Seit fünf Jahren stellt sich der dreifache Familienvater dieser delikaten Aufgabe, die nicht jedermanns Sache ist
Längst nicht allen Menschen ist es vergönnt, im hohen Alter im Kreise der Familie friedlich und schmerzfrei zu sterben. Immer wieder ist die Todesursache unklar, die betroffene Person offenbar unter unnatürlichen Umständen umgekommen, oder die Identität eines Leichnams unbekannt. Dann rücken Staatsanwaltschaft, Kriminaltechnischer Dienst und Amteiarzt aus. Sie müssen herausfinden, worauf der Tod zurückzuführen ist.
Viel mehr Suizide als Verkehrstote
Einer dieser Amteiärzte ist Allgemeinpraktiker Jean-Pierre Summ, 61, aus Bettlach. Seit fünf Jahren stellt sich der dreifache Familienvater dieser delikaten Aufgabe, die nicht jedermanns Sache ist. Mit einem Kollegen aus Biel teilt er sich die fünf Bezirke Solothurn, Lebern, Bucheggberg, Wasseramt und Thal.
Laut einer Umfrage einer europaweiten Initiative zur Depressionsaufklärung versuchen in der Schweiz jedes Jahr zwischen 15000 und 25000 Menschen, sich das Leben zu nehmen. Über 1000 von ihnen erreichen ihr Ziel. Eine Zahl, dreimal so hoch wie diejenige der Verkehrstoten. Ein Viertel wählt für den letzten Schritt die Schusswaffe, etwa gleich viele den Strick. Tabletten schlucken, sich ins Wasser stürzen oder vor den Zug sind weitere Methoden. Früher musste der Notarzt bei aussergewöhnlichen Todesfällen ausrücken, heute ist diese Aufgabe halb-professionalisiert. Summ kommt auf jährlich etwa 100 Fälle. Manchmal lange nichts, dann wieder drei Einsätze an einem Tag. Binnen einer Stunde sollte der Bettlacher am Fundort sein. Tag und Nacht. Bis ins Hintere Wasserfallen, an der Grenze zum Baselbiet, hat ihn sein Nebenjob schon gebracht.
Am Fundort untersucht Summ den Leichnam von aussen, zum Beispiel nach Einstichstellen bei Drogenabhängigen, bespricht Massnahmen mit der Polizei und der Staatsanwaltschaft, entscheidet, ob der Leichnam zur Bestattung freigegeben werden darf. Diese Arbeit ist auch wichtig, um Angehörige zu entlasten. Etwa bei einem plötzlichen Kindstod. In einigen Fällen hat Summ mit Diensten wie der Sterbehilfeorganisation Exit zu tun. Denn auch der sogenannte begleitete Suizid ist ein aussergewöhnlicher Todesfall. Summ sagt, diese Organisation arbeite äusserst sauber. Zeugen seien vorhanden, alle nötigen Protokolle auch. Bilanzsuizide bei Exit als aussergewöhnliche Todesfälle zu klassifizieren, sei daher im Interesse der Angehörigen.
Summ: «Suizid ist keine Lösung»
All dies ist im Gesundheitsgesetz genau definiert. Muss es auch, denn Sterbehilfe nimmt in der Schweiz stetig zu, genauso wie Suizidtodesfälle bei Personen im hohen Alter, wie das Bundesamt für Gesundheit BAG schreibt. Im internationalen Vergleich nähert sich die Schweizer Suizidrate dem europäischen Mittel. Der Bundesrat entschied sich deshalb vor einem Jahr, die Suizidprävention weiter zu fördern. Solche Kampagnen findet der Allgemeinpraktiker und Amteiarzt Summ wichtig. «Man muss den Leuten bewusst machen, dass der Suizid keine Lösung ist.»