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Der Nachfragerückgang in China wirkt sich auch in der Region Solothurn aus. Die Folge: Gewinnwarnungen und Kurzarbeit.
Was machen Sie, wenn Ihr Auto nicht mehr rund fährt? Genau: Motorhaube auf und ein Blick ins Getriebe. Ähnlich läuft es, wenn der Automarkt ins Trudeln gerät. Der Motor des stetigen Wachstums der letzten Jahre war China, das eine rasante Entwicklung durchmachte: Wurden 2007 noch verhältnismässig bescheidene 6,3 Millionen Personenwagen registriert, waren es 2017 24,7 Millionen. Kam 2007 noch knapp ein Zehntel der Weltnachfrage aus China, war es zehn Jahre später ein Drittel. Doch 2018 war der chinesische Auto-Hunger erstmals leicht rückläufig. Eine Tendenz, die sich zuletzt verstärkte. Allein in den ersten fünf Monaten brach die Nachfrage in China um 15 Prozent ein, so eine Studie des CAR-Instituts der Universität Duisburg-Essen.
Nun könnte man denken: China ist so weit weg, betrifft uns nicht. Die Zeiten sind längst vorbei. Die Globalisierung beschert uns nicht nur billigste Produkte dank Aliexpress und Konsorten, sondern sie führt auch dazu, dass solche Nachfrageeinbrüche ziemlich schnell weltweite Auswirkungen haben. Die Folgen der Marktunruhen in China sind drastisch: 10 der grössten 16 Autoproduzenten mussten im zweiten Quartal einen Gewinnrückgang hinnehmen. Nun produziert die Schweiz selbst keine Autos mehr, trotzdem wirken sich die Turbulenzen auf die hiesige Wirtschaft aus. Und zwar auf die Autozulieferer, auch auf jene in der Region. Der Einbruch in China wird zum Stresstest. Für die einen mehr, für die anderen weniger. Drei Beispiele.
Mehr als die Hälfte des Umsatzes macht die Firma im Automobilsektor. Die Krise der Branche kriegt Häni & Co. sehr direkt zu spüren. Verwaltungsratspräsident Urs Steinemann sagt: «Wir mussten im Mai im Automobil-Bereich Kurzarbeit einführen, weil die Nachfrage um 15 bis 20 Prozent einbrach.» Davon betroffen ist rund die Hälfte der insgesamt 110 Mitarbeiter. Die anderen Unternehmensbereiche, zum Beispiel die Medizinaltechnik oder der Industriesektor, liefen sehr gut. «Da merken wir nichts, was auch immer aktuell für Wirtschaftskriege stattfinden», sagt Steinemann. Im Moment seien keine Arbeitsplätze gefährdet. Auch dank der Möglichkeit, die Mitarbeiter kürzer arbeiten zu lassen. «Wir beliefern zum Glück noch andere Branchen.» Diese Entwicklung dürfte weitergehen: weg von der Autoindustrie. Denn, so Steinemann: «Wir haben das Gefühl, dass nach dem ersten groben Einbruch die Nachfrage bald wieder ein bisschen anzieht. Aber bestimmt nicht mehr auf das Niveau von 2018.»
Das letzte Jahr war für Schaffner ein absolutes Rekordjahr. Auch im Autobereich, wie CEO Marc Aeschlimann erzählt. Doch dieses Jahr lahmt die Branche, und das hat dazu geführt, dass Schaffner Anfang letzter Woche die Gewinn- und Umsatzerwartungen nach unten korrigieren musste, obwohl das Unternehmen nur rund einen Viertel des Umsatzes (221 Millionen 2018) in der Autoindustrie macht. Die rund 100 Arbeitsplätze in der Schweiz seien zurzeit nicht in Gefahr. Auch weil Schaffner sehr breit aufgestellt ist. Und Aeschlimann sagt: «Ich bin sicher, dass es sich um ein vorübergehendes Phänomen handelt. Mittelfristig sind wir zuversichtlich.» Auch weil man schon bald neue Geschäftsfelder erobern will.
Der Dieselskandal in Deutschland war ein Weckruf für Aeschlimann. «Es gab Zeiten, da haben wir um die 60 Prozent unseres Umsatzes in der Autoindustrie gemacht. Wir haben diese Abhängigkeit während der letzten fünf, sechs Jahre deutlich reduziert. Jetzt sind es vielleicht noch 25 bis 30 Prozent», sagt Michael Ingold, Mitinhaber der Firma und kaufmännischer Leiter. Zum Glück, muss man sagen. Denn die Nachfrage für gewisse Produkte, die in die Autoindustrie gehen, ist um 50 bis 80 Prozent eingebrochen. Andere laufen dagegen auf Höchstniveau, wie beispielsweise Teile für Kurvenlichter. Die 165 Arbeitsplätze sind vorerst nicht gefährdet. Aber, so Ingold: «Jetzt ist die Sommerflaute durch. Es muss anziehen, wenn wir eine schwarze Null wollen.»
Die Flaute in China hat den Stress für die Zulieferer erhöht. Daran gibt es keine Zweifel. Weniger einfach ist die Frage nach den Ursachen für den Einbruch. Zentral ist mit Sicherheit der Handelskrieg mit den USA. Aber es gibt auch interne Gründe. So hat China zum Beispiel den Zugang zu Krediten erschwert oder die Abgasvorschriften verschärft. Sollte Donald Trump irgendwann zur Vernunft kommen, würde das der Branche sicherlich helfen. Dass die Nachfrage in China dann wieder so wächst wie zuvor, darf aber bezweifelt werden.
E-Autos Während der Weltmarkt zwischen 2007 und 2017 boomte, oszillierte die Jahres-Nachfrage nach Personenwagen in der Schweiz während dieser Zeitspanne um die 300 000 (plus/minus zehn Prozent) Stück. «Der Schweizer Markt ist sehr speziell, er ist kaum vergleichbar», sagt Christoph Wolnik, Sprecher von Auto-Schweiz, dem Verband der Schweizer Autoimporteure. Wachstum gibt es praktisch nicht mehr. Wenigstens im Bereich der Verbrennungsmotoren. Die Nachfrage nach Alternativ-Antrieben (Gas, Hybrid, Elektro und Wasserstoff) dagegen boomt (siehe Grafik rechts). Ein Trend, der anhaltend sein wird. Auch aufgrund der ambitiösen CO2-Ziele, die sich die Hersteller gesetzt haben. So wollen beispielsweise Mercedes und Volkswagen ab 2040 nur noch klimaneutrale Fahrzeuge auf den Markt bringen.
Dass dieser Teil der Branche während der letzten Jahre im Durchschnitt zweistellig wuchs, hängt auch mit der höheren Kaufkraft in der Schweiz zusammen. Der E-Boom hat auch dazu geführt, dass die Gesamt-Nachfrage nach Personenwagen in der Schweiz bis und mit Juli im Vergleich zum Vorjahr und im Vergleich zu Deutschland nur minim, um 0,4 Prozent, zurückging. «Während der Handelskrieg die Autozulieferer ziemlich hart trifft, bleiben die Autoverkäufer hierzulande wohl verschont», sagt Wolnik. Weil es der Schweiz nach wie vor gut geht, weil die nationale Wirtschaft nach wie vor wächst. (sel)