Startseite
Solothurn
Kanton Solothurn
Vertreter der Türkei weibelten in Günsberg im Saal der Kirchgemeinde – diese wusste von nichts. Künftig sollen Mietanfragen gründlicher kontrolliert werden. Auch der Verband der Solothurner Einwohnergemeinden ruft zu Achtsamkeit auf.
Die Kirchgemeinde vermietete für den 5. März das Kirchgemeindehaus in Günsberg an eine Privatperson. Doch statt dass im Saal ein privates Fest gefeiert wurde, frühstückte im Saal Murat Alparslan, Vize-Chef der AKP Ankara und weibelte für die Verfassungsänderung in der Türkei. Ganz im Sinne seines Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.
«Es gab keine Anzeichen, dass etwas ungewöhnlich ist», sagt Barbara Fankhauser auf Nachfrage. «Wir hatten keinen Hinweis, dass etwas anderes als ein üblicher Privatanlass dahinterstecken könnte.» Ganz normal wurde das Lokal am Sonntagmorgen an die Mieter abgegeben und am Abend im besten Zustand wieder abgenommen.
Wäre die Räumlichkeit vermieten worden, wenn man den wahren Zweck gewusst hätte? «Auf keinen Fall», sagt Barbara Fankhauser. «Wir vermieten unsere Räumlichkeiten für keine politischen Anlässe. Das passt nicht zu unserer Kirchgemeinde». Die einzige Ausnahme ist die Gemeindeversammlung der Einwohnergemeinde Günsberg. Und dies auch nur, weil es im Dorf keinen anderen genügend grossen Saal gibt.
«Eine unschöne Geschichte», sagt Peter Schweri, Präsident der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Olten. Er erfuhr über den Brief vom Vorfall. Man werde nun die Pfarrkreise für die Problematik sensibilisieren. Doch er warnt davor, jetzt eine Hetzjagd zu veranstalten. «Wenn jemand mit türkischen Namen einen Saal mieten will, plant er nicht automatisch eine Propagandaveranstaltung.» Und Urs Umbricht, Vize-Präsident, der römisch-katholischen Synode des Kanton Solothurn, meint: «Letztlich kann jeder auf eine Täuschung reinfallen.»
Das Frühstück in Günsberg gibt nicht nur in Kirchenkreisen zu reden. Auch der Verband der Solothurner Einwohnergemeinden hat sich der Thematik nach dem Bericht in der «SonntagsZeitung» angenommen. Er publizierte auf seiner Website einen «Aufruf zur Achtsamkeit bei externer Vermietung von Räumlichkeiten», den sie auch per Mail an alle Gemeindepräsidien verschickte. Geschäftsführer Thomas Blum begründet: «Die Gemeinden sollten darüber Bescheid wissen. Was sie mit der Information machen, ist ihre Sache.»
Bei den Gemeinden gibt es einen aktuellen Bezug. Seit der Inkraftsetzung des neuen Wirtschafts- und Arbeitsgesetz (WAG) am 1. Januar 2016 sind sie für die Erteilung von Anlassbewilligung zuständig und nicht mehr der Kanton. So wurden die Gemeinden bereits bei Informationsveranstaltungen im Oktober und November für die Thematik sensibilisiert. Zu dieser Zeit gab das Neonazi-Konzert im Toggenburg zu reden. Auch dort wurde der Vermieter über den wahren Zweck der Veranstaltung hinweggetäuscht.
Wie will sich die reformierte Kirchgemeinde Solothurn zukünftig vor solchen Täuschungen schützen? «Wir werden viel restriktiver unsere Räumlichkeiten vermieten. Das ist nun halt die Folge», sagt Fankhauser. Die Kirchgemeinde will potenzielle Mieter besser kontrollieren. Das «wie?», wird derzeit abgeklärt. Eine Änderung gab es per sofort. «Unsere Verwaltung hat angefangen, den Zweck der Veranstaltung gründlicher zu befragen als bisher», sagt die Kirchgemeindepräsidentin.