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Kanton Solothurn
Der Beweis für eine Scheinehe ist schwer zu erbringen; in diesem Fall reichten dem Solothurner Verwaltungsgericht aber die Hinweise: Aufenthaltsbewilligung wird nicht mehr verlängert.
Ausländische Staatsangehörige, die eine Ehe mit einem Schweizer Bürger oder einer Schweizer Bürgerin nur eingehen, um ein Aufenthaltsrecht im Rahmen des Familiennachzugs zu bekommen, haben die Rechnung ohne die Migrationsbehörden gemacht. Im Prinzip. Aber die Latte, damit Gerichte den Beweis für eine sogenannte Scheinehe als erbracht beurteilen, hängt hoch.
Das ging auch für einen Mann aus Tunesien lange gut, der (angeblich) das Glück in Balsthal fand. Nun ist er aber mit seiner Beschwerde gegen den Entzug der Aufenthaltsbewilligung beim Verwaltungsgericht doch abgeblitzt und muss das Land verlassen.
Die im Urteil rekonstruierte Geschichte liest sich wie ein Groschenroman. Sie begann im Jahr 2011. Der heute 39-jährige Samir* heiratete im November (nach drei abgewiesenen Asylanträgen) in Balsthal die drei Jahre ältere Schweizer Bürgerin Karin, im Januar 2013 erhielt er die Aufenthaltsbewilligung. Bereits im März ging beim Migrationsamt aber die Meldung der Einwohnergemeinde ein, das Ehepaar habe sich wieder getrennt und Samir sei in den Aargau gezogen.
Dort lehnte die zuständige Behörde aber sein Gesuch für eine Aufenthaltsbewilligung beziehungsweise einen Kantonswechsel ab, also zog Samir wieder zu seiner Ehefrau Karin. Es folgte ein Hin und Her. Mal bezichtigte Karin ihren Gatten Samir, mit ihr bloss eine Scheinehe zu führen und bei einer neuen Partnerin zu leben. Mal bestätigte Samir selber die endgültige Trennung von Karin, die massive psychische Gewalt auf ihn ausgeübt habe. Dann wiederum bezeugte Karin eine neue Versöhnungsgeschichte ihres Gatten und stritt ihre frühere Aussage betreffend Scheinehe ab.
Wir schreiben inzwischen das Jahr 2015. Bei fünf polizeilichen Kontrollen am angeblichen ehelichen Domizil wurde Samir nie dort angetroffen, und in der Wohnung fanden sich auch keine persönlichen Gegenstände, die ihm hätten zugeordnet werden können. Im Wissen um die schwierige Beweislast verlängert das Migrationsamt im April 2016 dennoch seine Aufenthaltsbewilligung. Allerdings unter diversen Bedingungen, denn Samir hat unterdessen auch kleinere Straftaten auf dem Kerbholz, einiges an Sozialhilfe bezogen und Schulden angehäuft.
Im September 2017 erhält er erneut eine verlängerte Aufenthaltsbewilligung. Denn ausreichende Beweise für eine Scheinehe gibt es weiterhin nicht, Samirs Verurteilungen bewegen sich im Bagatellbereich, er bezieht keine Sozialhilfe mehr und hat auch keine neuen Schulden gemacht. Doch dann leitete das Staatssekretariat für Migration in Bern im April 2018 ein E-Mail einer Maria aus Bozen in Südtirol an das Solothurner Migrationsamt weiter.
Maria will wissen und beweisen können, dass die Ehe zwischen Samir und Karin nur Fassade ist. Sie selbst habe sieben Monate lang eine Beziehung mit Samir geführt, sie seien auch verlobt gewesen – bis Samir in Como wegen Drogendelikten verhaftet wurde. Weiter verkaufe er in einer Bar in Olten Kokain und sei nie einer geregelten Arbeit nachgegangen. Angaben, die von der Kantonspolizei bestätigt wurden.
Nun war genug. Als Samir im Juli letzten Jahres letztmals um Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung ersuchte und dabei angab, weiter mit seiner Ehefrau Karin zusammenzuleben, sagte das Migrationsamt nein. Im vergangenen Januar setzte es Samir eine Frist, um das Land zu verlassen.
Und diesen Entscheid stützt nun das Verwaltungsgericht. Im Gegensatz zum Tunesier ist es der Ansicht, dass es der Vorinstanz gelungen ist, eine Scheinehe hinreichend zu beweisen. Sie habe die Aussagen der Frau aus Bozen zu Recht als glaubwürdig eingestuft. Einerseits waren diese auch von einer ausführlichen Fotodokumentation untermauert: Samir und Maria küssend, umarmend und Händchen haltend, Bilder von Marias wie auch Samirs Familienangehörigen. Anderseits hatte Maria nur von Samir selbst von Dingen wie seiner Verhaftung in Como oder den Drogendeals in Olten wissen können.
Da scheinen dessen Aussagen, dass es sich bei der Sache mit Maria nur um eine unbedeutende, kurze Affäre handelte, den Richtern schon deutlich unglaubwürdiger. Ob die Frau aus Bozen den Schweizer Behörden die Hinweise auf Samirs Scheinehe aus Rache oder Eifersucht lieferte, wie dieser geltend machte, sei dabei «nicht entscheidrelevant» und könne offengelassen werden.