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Politiker diskutieren immer wieder über die obligatorische Zwei-Phasen-Ausbildung für Neulenker. Was bietet die überhaupt? Besuch bei einem Weiterausbildungskurs in Derendingen.
«Sehr schöne Bremsung!», lobt Roland Senn. Der Kursleiter des ersten WAB-Kurses (Weiteraubildung) steht auf einem Aussichtsturm neben dem TCS-Trainingscenter in Derendingen. Von hier aus hat er die ganze Anlage im Überblick. Ein Asphaltplatz, in der Mitte eine Piste, über die Wasser fliesst, und darum herum eine Fahrbahn. Der Reihe nach fahren zwölf Kursteilnehmer mit ihren Autos über die Piste. Dort wird eine Fontäne ausgelöst.
Sobald das Wasser hochspritzt, muss der Lenker eine Vollbremsung machen. Auch bei einer «schönen Bremsung» schlittert der Wagen noch einige Meter weiter. Mit 30 km/h kommen die Autos noch auf der Piste zum Stillstand. Mit 50 km/h wird es knapp. «Wir wollen den Neulenkern bewusst machen, wie sich eine offensive Fahrweise auswirkt», erklärt der Kursleiter. Gleichzeitig wolle man die Teilnehmer zu vorsichtigerem Fahren ermutigen.
An diesem ersten WAB-Kurs beobachtet Kursleiter Roland Senn die Gruppe und gibt Anweisungen per Funkgerät. «Ziel des Kurses ist ganz klar die Erhöhung der eigenen Sicherheit im Strassenverkehr», sagt Senn. Einige Neulenker seien oft noch «voller jugendlichen Übermutes». Das zeigt sich in einer Übung, bei welcher zwei Lenker nebeneinander auf der trockenen Fahrbahn fahren. Dabei startet der eine Lenker zuerst, der zweite fährt nach. Sobald der erste bremst, muss auch der andere toppen. Meistens schafft es der hintere Fahrer, vor dem ersten Auto zu bremsen.
In einigen Fällen hätte es aber auch gekracht, wenn beide Autos auf derselben Fahrbahn gefahren wären. Auch mit nur 30 km/h und hoher Konzentration reicht es nicht immer zum Anhalten. «Man lernt durch Erleben», sagt Senn. «Am meisten Eindruck macht es, wenn man bei der Übung im Auto sitzt.» Das gilt auch für den späten Nachmittag, wenn die Kursteilnehmer durch eine rutschige Kurve fahren müssen. Das gelingt nur bei niedriger Geschwindigkeit. Ansonsten schwenkt das Heck des Wagens aus.
Ein WAB-Kurs kostet zwischen 300 und 400 Franken. Die Kursleiter sagen, dieses Geld könne man mit etwas Glück zurückgewinnen. Einerseits könne man das Geld für die Weiterbildung von den Steuern abziehen. Andererseits gebe es Versicherungen, die das Kursgeld übernehmen. Dazu müsse man bei der Versicherung anfragen.
Neben dem praktischen Teil gibt es an diesem Kurstag auch einen Theorieblock. Es geht um Drogen am Steuer und Unfälle. «Leider kommt es immer wieder vor, dass Neulenker unter Drogen Autofahren», sagt der Kursleiter. Deshalb müsse man über diese Themen sprechen – auch wenn die Teilnehmer diese Dinge im obligatorischen Verkehrskundekurs vor der Fahrprüfung schon durchgenommen haben.
Der zweite Kurstag findet rund eine Woche später statt. Dieses Mal sitzen sechs Teilnehmer im Kursraum in Derendingen. Der Kurs heisst «Ökologisches Fahren». Es gehe aber nicht nur darum, Sprit zu sparen, sagt Kursleiterin Vreni Müller. Mit den Techniken des zweiten WAB-Kurses fahre man viel sicherer und stressfrei. «Dass man dabei Benzin spart, ist eigentlich das Dessert.»
Jeder Kursteilnehmer fährt zweimal eine halbe Stunde. Die Teilnehmer teilen sich in zwei Dreiergruppen auf. Jede Gruppe sitzt mit einem Kursleiter in ein Auto des TCS. Einer fährt, die anderen achten auf seinen Fahrstil. Wie flüssig fährt er? Wie sicher fühlen sich Beifahrer? Hält der Lenker sich an alle Vorschriften? «Hier sieht man schnell, wer viel und wer wenig mit dem Auto unterwegs ist», sagt Kursleiter Senn. Nach der ersten Runde gibt er den Neulenkern Tipps: «Früher weg vom Gas, damit die Bremsung nicht so ruckig ist.» Oder: «Beim Überholen von Velofahrern einen grösseren Bogen machen.»
Der Führerausweis auf Probe ist nach der Fahrprüfung drei Jahre lang gültig. In dieser Zeit müssen Neulenker die beiden Weiterbildungskurse absolvieren. Danach kriegen sie den definitiven Führerschein – aber nur, wenn sie ein Gesuch stellen. Vergessen sie dies, droht ein Strafverfahren: Wer drei Monate nach Ablauf des Führerausweises auf Probe noch keinen definitiven Führerschein hat, fährt laut Gesetz mit «ungültigem Fahrausweis». Der Solothurner Regierungsrat hat beschlossen, diese Regelung zu ändern. Ab Januar 2018 sollen Neulenker den definitiven Führerschein ohne Gesuch automatisch von der Motorfahrzeuge zugeschickt bekommen – wenn sie mit dem Ausweis auf Probe drei Jahre lang gefahren sind und die Weiterbildungskurse besucht haben.
Am Nachmittag fährt jeder Teilnehmer noch einmal die gleiche Strecke und versucht, diese Tipps anzuwenden. Danach gibt es zum Abschluss wieder eine Feedbackrunde. «Komfort und Sicherheit während der Fahrt kann man nicht messen», sagt Kursleiterin Müller. «Dafür haben wir am Nachmittag immer etwa ähnliche Rückmeldungen – die zweite Fahrt ist für alle immer viel angenehmer.»
Es gibt aber auch weitere Tipps wie einmal im Monat Reifendruck prüfen, vor einer roten Ampel Motor abstellen oder die Dachbox runternehmen, um Gewicht zu sparen. «Wenn sich jeder Schweizer daran halten würde, könnten wir pro Jahr eine Milliarde Liter Benzin sparen», sagen die Kursleiter. Wie viel haben denn die Kursteilnehmer gespart?
Die meisten haben bei der zweiten Fahrt zwischen 0 und 10 Prozent weniger Benzin verbraucht als bei der ersten Runde. Ein Teilnehmer verbrauchte bei der zweiten Fahrt mehr – weil er die Klimaanlage stärker laufen lassen musste. Alle anderen fuhren ökologischer. «Aber auch Sicherheit und Komfort sind erhöht», betont Müller noch einmal. Das gesparte Benzin sei eben das Dessert dieses Kurses.
Vor dem ersten Kurstag scheinen die Erwartungen der Neulenker nicht gross. «Dieser Kurstag soll besser sein als der zweite», hat ein Teilnehmer gehört. Die anderen meinen, die Kurse seien wohl zu teuer und zu lang.
Robin Riner aus Bern war gespannt auf die Zwei-Phasen-Ausbildung. Er hat im Militär bereits einen Schleuderkurs mit dem Lastwagen absolviert. «Heute haben wir das Thema aber viel ausführlicher angeschaut», sagt der 21-Jährige. «Alles in allem war der Kurs ein guter Auffrischer», meint Riner. «Mehr aber nicht.» Ähnlich sieht das auch Andrea Rickli aus Biberist. Man kriege schon vor Augen geführt, wie sich Geschwindigkeit und Reaktion auf den Bremsweg auswirken. Aber: «Ältere Leute fahren viel schlimmer – den Kurs müssen aber nur die Jungen machen», sagt die 21-Jährige.
André Schenk und Sascha Kohler haben beide ebenfalls den Schleuderkurs im Militär schon gemacht. «Ich fahre ja eh mit Abstand – auch ohne diesen Kurs», meint Schenk aus Aefligen. «Die, die den Militärkurs nicht schon hatten, können wahrscheinlich schon etwas mitnehmen.» Dem pflichtet Kohler aus Grenchen bei. Es sei sinnvoll, im eigenen Auto einmal die Grenzen auszutesten. «Für mich war das aber überhaupt nichts Neues.»
Happige Preise
Marilena Imhof und Steve Lewis berichten nach dem zweiten Kurstag von ihren Eindrücken. Beide fuhren am Vor- und Nachmittag jeweils eine halbe Stunde mit dem TCS-Auto. In der zweiten Runde haben sie die Tipps der Kursleiter angewendet. Und einen Unterschied festgestellt: «Man fährt mit diesen Tipps schon viel stressfreier», sagt Imhof aus Wabern. «Ich fand diesen Kurstag fast hilfreicher als den ersten.» Lewis hingegen fand, der erste WAB-Kurs habe mehr Spass gemacht. Auch er könne aber etwas mitnehmen. «Ich werde künftig sicher den einen oder anderen Tipp anwenden – und zum Beispiel darauf achten, frühzeitig vom Gas zu gehen.»
In einem Punkt sind sich Teilnehmer des ersten und zweiten WAB-Kurses einig: Günstig ist die Zwei-Phasen-Ausbildung nicht. Je nach Kursdatum kostet sie einen Neulenker zwischen 300 und 400 Franken – pro Kurs. (nka)