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Der zurückgestufte Staatsanwalt der Abteilung Olten erstattet Anzeige und will seinen Kaderposten zurück. Oberstaatsanwalt Hansjürg Brodbeck habe ihn aus seiner Kaderposition gemobbt.
Viele Pendenzen, ein Sexualstraftäter, der trotz eindeutiger Beweislage und einem Geständnis wegen einem Formfehler ungeschoren davonkommt. Die Solothurner Staatsanwaltschaft und damit ihr Chef Hansjürg Brodbeck geraten immer wieder ins Kreuzfeuer der Kritik. Besonders die SVP hat sich auf Oberstaatsanwalt Brodbeck eingeschossen, seit er im März eine Überlastung beklagte und die Forderung nach mehr Stellen für die Staatsanwaltschaft unter anderem mit dem Mehraufwand bei der Umsetzung der Ausschaffungsinitiative begründete.
Die SVP schoss umgehend zurück, und zwar mit grobem Geschütz. Führungsschwäche, mangelnde Arbeitsqualität und eine «geradezu lächerliche Prioritätensetzung» seien an der Überlastung schuld. Da erstaune es doch sehr, dass der Oberstaatsanwalt eine «Hetzjagd» gegen die SVP lanciere. «Missstände sofort aufräumen», forderte die SVP. Und ihr Präsident Christian Imark kündigte auch gleich den Ruf nach personellen Konsequenzen an, sollte man seinen Forderungen nicht «innert nützlicher Frist» nachkommen.
Als wenig später auch noch öffentlich wurde, dass Oberstaatsanwalt Brodbeck trotz Wohnsitzpflicht für gewählte Beamte mit einer Sondergenehmigung des Regierungsrats wieder nach Burgdorf gezogen ist, setzte Imark noch einen drauf: Es sei eine «Schweinerei», dass es der Oberstaatsanwalt nicht für nötig halte, im Kanton Solothurn zu wohnen und seine Vorbildfunktion missachte.
In so exponierter Lage ist ein Zweifrontenkrieg das Letzte, was man brauchen kann. Einen solchen führt der Oberstaatsanwalt aber gerade. Es brodelt auch intern, Brodbeck sieht sich mit Mobbing-Vorwürfen konfrontiert.
Als Ende Februar der leitende Staatsanwalt der Abteilung Olten (die in den letzten Jahren durch überproportional viele Pendenzen auffiel) seine Kaderposition aufgab und als «normaler» Staatsanwalt nach Solothurn wechselte, konnte man zwar vermuten, dass dies nicht ganz freiwillig geschah: «Es ist kein Geheimnis, dass wir unterschiedliche Führungsauffassungen hatten», kommentierte Hansjürg Brodbeck die Personalie.
Die Rochade gab aber zu keinen weiteren Diskussionen Anlass. Zu keinen öffentlichen. Wie erst jetzt durch ein Urteil des Verwaltungsgerichts publik wird, löste die Rückstufung einen gehörigen Wirbel aus. Der betroffene Staatsanwalt reichte am 2. März, also sofort nach seiner Versetzung, beim kantonalen Personalamt eine Anzeige wegen Mobbings am Arbeitsplatz ein.
Er verlangte vom Personalamt, beim Regierungsrat die Einsetzung einer ausserkantonal besetzten Untersuchungskommission zu beantragen, wie es der Gesamtarbeitsvertrag für Mobbing-Fälle vorsieht. Es sei festzustellen, dass er Mobbing ausgesetzt gewesen sei, «ausgehend von seinem Direktvorgesetzten und möglichen weiteren Personen». Zur Verhinderung weiteren Mobbings seien die «notwendigen personalrechtlichen Massnahmen gegen die Verursacher des Mobbings» anzuordnen.
Und: Der Staatsanwalt, der für einmal als Ankläger in eigener Sache auftritt, will sich seine Degradierung nicht gefallen lassen. Er verlangte weiter, die «sich aus dem Mobbing ergebenden Anordnungen» seien rückgängig zu machen. Will heissen: Er sei schnellstmöglich, «spätestens jedoch ab Beginn der Legislatur 2021» wieder mit einer Aufgabe als leitender Staatsanwalt zu betrauen.
Was an den Mobbing-Vorwürfen dran ist, bleibt vorderhand eine offene Frage. Das Personalamt, so viel steht fest, hält sie für ein Märchen. Es stufte die Anzeige in einer Verfügung vom 20. April als «offensichtlich unbegründet» ein und leistete ihr keine Folge. Dagegen erhob der angeblich gemobbte Staatsanwalt Beschwerde beim Verwaltungsgericht. Dieses ist nun mit Urteil vom 6. Juli zwar gar nicht auf die Beschwerde eingetreten. Das heisst aber nicht, dass auch die Oberrichter die Mobbingklage als «offensichtlich unbegründet» beurteilen. Vielmehr erklären sie sich als gar nicht zuständig.
Noch nicht. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte das Verwaltungsgericht nicht direkt über Verfügungen von Ämtern zu befinden haben, sondern über Departementsentscheide und solche des Regierungsrats, wird in dem Urteil ausgeführt. Verfügungen von Ämtern in Personalangelegenheiten seien beim Regierungsrat anfechtbar. An diesen hat das Gericht die Angelegenheit nun zur weiteren Behandlung überwiesen. Erst wenn auch dieser zum Schluss kommen sollte, dass von Mobbing in der Staatsanwaltschaft keine Rede sein kann, lässt sich dieser Entscheid an das Verwaltungsgericht weiterziehen.
Das Personalamt selber hatte als Rechtsmittel gegen seine Verfügung die Beschwerde an das Verwaltungsgericht genannt. Dass sie nicht erkannten, dass dies der falsche Weg ist, sehen die Richter dem Staatsanwalt und seiner Rechtsanwältin nach: Die Verfahrenskosten gehen zulasten des Staats, ebenso die Entschädigung für den Aufwand der Anwältin von exakt 2404.15 Franken.
So weit alles klar. Ausser eben der entscheidenden Frage, ob in der Staatsanwaltschaft gemobbt wird – was wohl auch neue politische Angriffe auslösen würde. Oberstaatsanwalt Hansjürg Brodbeck sagt zu den Vorwürfen, was man von Staatsanwälten in hängigen Verfahren gewohnt ist: gar nichts. Nachdem die Sache nun bei der Regierung liegt, verweist die Sprecherin der Staatsanwaltschaft «zuständigkeitshalber» an die Medienbeauftragte des Regierungsrats Und die wiederum lässt ausrichten, dass sich der Regierungsrat zu gegebener Zeit erneut mit der Angelegenheit beschäftigen werde und – da ein laufendes Verfahren – keine weiteren Auskünfte möglich seien.