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Nach der Mail-Attacke von Donnelley-Chef Urs Birrer auf SVP-Kantonsrat Manfred Küng ist für Kantonsräte klar: Die Auslagerung des Steuerdaten-Scannings ist «nicht mehr tragbar»
Zweifel gab es ohnehin, doch jetzt scheinen diese noch grösser geworden. Und die SVP lässt nicht locker: Fraktionschef Christian Imark hält das Steuerdaten-Scanning bei RR Donnelley für «nicht mehr tragbar». Man müsse nun rasch Konsequenzen ziehen, fordert der frühere Kantonsratspräsident. «Es wird Zeit, dass sich die Behörden nach Alternativen umsehen.» Seit sechs Jahren lässt der Kanton Solothurn von RR Donnelley sämtliche Steuererklärungen einscannen. Die Firma hat ihren Sitz im zürcherischen Urdorf.
Imark reagiert damit auf einen Bericht dieser Zeitung. Demnach wurde sein Fraktionskollege Manfred Küng von Donnelley-Chef Urs Birrer im vergangenen Dezember scharf angegriffen. Offenbar war es ihm sauer aufgestossen, dass Küng einen kritischen Vorstoss zum Steuerdaten-Scanning eingereicht hatte. In einer E-Mail bezeichnete Birrer die Interpellation des Kantonsrats «bestenfalls als schlechten Witz» und vermutete, Küng wolle damit «dümmliche SVP-Politik» machen.
Verärgerung im linken Lager
Die Mail-Attacke sorgt auch bei Finanzdirektor Roland Heim (CVP) für Unverständnis. Er war bereits im Dezember von Küng über die Angelegenheit informiert worden. Das Verhalten von Urs Birrer sei nicht tolerierbar, sagte Heim (wir berichteten). Dies sei dem Donnelley-Chef auch «unmissverständlich mitgeteilt» worden.
Seit sieben Jahren lässt der Kanton Soloturn sämtliche Steuererklärungen bei RR Donnelley im zürcherischen Urdorf einscannen. Im November 2014 war eine Delegation der kantonsrätlichen Geschäftsprüfkommission (GPK) zu Besuch bei RR Donnelley. Publik wurde der Besuch durch einen Bericht dieser Zeitung. GPK-Mitglieder sprachen hinter vorgehaltener Hand von einem «fragwürdigen Umgang mit Steuerdaten» und gaben dazu Details preis. Tatsächlich hat die Kommission in der Zwischenzeit eine unabhängige Untersuchung eingeleitet. Dass Details des Besuchs bereits vorher bekannt wurden, ist bei der Leitung des Kantonsrats derweil auf Unverständnis gestossen. So war im Ausschuss offenbar geprüft worden, ob eine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) eingesetzt werden soll. Diese sollte eine mögliche Verletzung des Kommissionsgeheimnisses prüfen. Das bestätigen mehrere Quellen unabhängig voneinander. Zur Diskussion stand ausserdem eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft. Die Strafbehörden sollten demnach ermitteln, wer Informationen aus der GPK an diese Zeitung weitergereicht hatte. Dem Vernehmen nach soll insbesondere das von Roland Heim (CVP) geführte Finanzdepartement eine Untersuchung forciert haben. Zur Erinnerung: Der Regierungsrat hatte die GPK-Delegation bei ihrem Besuch in Urdorf begleitet – auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin. (sva)
Reicht das? Oder hätte Heim da nicht schärfere Konsequenzen ziehen müssen? Für SVP-Mann Imark jedenfalls ist klar: «In der Privatwirtschaft hätte ein solcher Angriff schnell zum Ende der Geschäftsbeziehungen geführt.» Der Kantonsrat sei schliesslich das Kontrollgremium von Regierung und Verwaltung. Imark zieht Analogien zur Geschäftswelt, das Parlament sieht er dabei in der Rolle eines Verwaltungsrats. «Ich bezweifle, dass sich ein Verwaltungsrat als Kunde derart beleidigen lassen würde.»
Der Unmut wächst nicht nur im rechten Lager. Auch SP-Kantonsrat Urs Huber zeigt sich verärgert nach den jüngsten Enthüllungen. Das Verhalten von Donnelley-Chef Urs Birrer sei «höchst unprofessionell», sagt er. «Das ist kein Umgang mit dem Vertreter eines Auftraggebers. In der Privatwirtschaft würde sich das niemand gefallen lassen.» Und auch er findet: Man müsse sich nun die Frage stellen, wie lange der Kanton noch am Steuerdaten-Scanning bei RR Donnelley festhalten könne.
Huber erinnert daran, dass ihn die Auslagerung von Anfang an gestört habe. Als die Zusammenarbeit mit RR Donnelley vereinbart worden war, deponierte er im Kantonsrat eine Interpellation mit kritischen Fragen. Das war 2007. In den anderen Fraktionen stiess Huber mit seinen Bedenken allerdings auf wenig Resonanz. Das Outsourcing sei die effizienteste Lösung, hiess es, gerade angesichts der knappen Kantonsfinanzen. Alles sei bestens abgesichert, der Datenschutz berücksichtigt, Misstrauen völlig fehl am Platz. «Das könnte sich jetzt rächen», glaubt Huber. Selbst wenn man davon ausgehe, dass die Sensibilität in Sachen Datenschutz gestiegen ist, hätte die Steuerdaten-Verarbeitung niemals in fremde Hände übergeben werden dürfen.
Untersuchung abwarten
Zurückhaltender äussert sich CVP-Mann Peter Brotschi. Er präsidierte den Kantonsrat bis im Dezember 2014 und war von Manfred Küng ebenfalls über die Attacke des Donnelley-Chefs unterrichtet worden. Mit Verweis auf die parlamentarische Kontrollfunktion sagt er: «Ich frage mich, ob Herr Birrer noch ein wenig staatspolitischen Unterricht braucht.» Allerdings warnt Brotschi vor voreiligen Schlüssen.
Finanzdirektor Heim, sein Parteikollege, nimmt er in Schutz. Dieser habe erst mal gut reagiert und klar gemacht, «dass Herr Birrers Aktion nicht toleriert wird».
Man müsse nun das Ergebnis der geplanten Untersuchung abwarten, so Brotschi. Die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Kantonsrats will das Steuerdaten-Scanning von einem Gutachter prüfen lassen. Brotschi kann sich vorstellen, dass der Kanton die Steuererklärungen seiner Bürger künftig selbst einscannen wird. Genauer könne er das jedoch erst beurteilen, wenn das Gutachten vorliegt.