Polizeiarbeit
Stadtpräsidenten sind erzürnt: «Man kann nur die Faust im Sack machen»

Solothurn und Grenchen fordern vom Kanton seit Jahren mehr Geld für die Arbeit ihrer Stadtpolizeien. Doch der Kanton bleibt hart. Die Stadtpräsidenten sind erzürnt.

Lucien Fluri
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In Ketten gelegt? Die Stadtpräsidenten von Grenchen und Solothurn sehen zu wenig Verhandlungsspielraum. Sie werfen dem Kanton eine Machtdemonstration vor.

In Ketten gelegt? Die Stadtpräsidenten von Grenchen und Solothurn sehen zu wenig Verhandlungsspielraum. Sie werfen dem Kanton eine Machtdemonstration vor.

ZVG

Die Stadtpräsidenten von Solothurn und Grenchen sind wütend über den Kanton. «Man kann nur die Faust im Sack machen», sagt Kurt Fluri. Und sein Grenchner Kollege François Scheidegger sagt: «So geht es nicht. Das ist keine faire Zusammenarbeit.»

Um was geht es? Seit Jahren sind Grenchen und Solothurn unzufrieden mit den Abgeltungen, die sie vom Kanton für die Arbeit ihrer Stadtpolizeikorps erhalten. Die Städte sind überzeugt: Sie hätten mehr zugute, leisten ihre Korps doch viel Polizeiarbeit und liefern auch noch stattliche Bussensummen an den Kanton ab. Deshalb haben die Städte 2017 die bisherige Abgeltungsvereinbarung gekündigt.

Inzwischen ist lange verhandelt worden. Doch seit gestern ist klar: Die Neuverhandlungen haben den Städten nicht allzu viele Verbesserungen gebracht. Und dies erzürnt die Stadtpräsidenten, insbesondere weil sie in dieser Frage keine Möglichkeit sehen, gegenüber dem Kanton Druck aufzusetzen. «Die Städte müssen sich der Macht des Stärkeren beugen», schreiben Fluri und Scheidegger in einer gemeinsamen Medienmitteilung. «Wir sind sehr enttäuscht», so Fluri. Der Kanton habe die beiden Städte quasi «in den Schwitzkasten genommen». Nun seien die Städte gezwungen, dieses «unbefriedigende» Angebot anzunehmen – «im Interesse des Personals der Stadtpolizeien» und um die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufrechtzuerhalten. Denn gibt es bis Ende Jahr keinen neuen Vertrag zwischen Städten und Kanton, droht ein Zuständigkeitenchaos zwischen Kantons- und der Stadtpolizeikorps oder gar eine Reduktion der Korps.

Konkret hätten die Städte gerne 80 Prozent der Aufwände entschädigt haben wollen. Dies hätte für Grenchen 1,65 Mio. Franken ausgemacht und für Solothurn 2,75 Mio. Das Angebot wurde vom Kanton jedoch abgelehnt. Am Ende bot der Kanton ähnliche Zahlen wie bisher – zu wenig aus Sicht der Städte.

Wenn sie für höhere Kantonsbeiträge argumentieren, dann verweisen Fluri und Scheidegger jeweils auf Olten, wo die Stadt 2016 ihre Stadtpolizei aufgab. Diese wurde Teil der Kantonspolizei. Diese Übernahme (inkl. 25 Stellen) habe den Kanton 3,15 Mio. Franken gekostet, sagt Fluri. Spätestens seither wisse man, wie hoch die effektiven Kosten einer Stadtpolizei seien.

Schaffner dementiert

«Olten ist nicht mit Solothurn und Grenchen vergleichbar», sagt dagegen Polizeidirektorin Susanne Schaffner. Es gebe in Olten einen Bahnknotenpunkt, das Rotlichtmilieu und risikoreiche Eishockeymatchs.

Schaffner ist – glaubt man den Stadtpräsidenten – die Frau, die die Städte in den Verhandlungen mit einer Machtdemonstration in die Knie gezwungen hat. Wer allerdings Schaffner zuhört, der erhält ein ganz anderes Bild aufgetischt als dasjenige der Stadtpräsidenten. Schaffner ihrerseits bezeichnet die Verhandlungen mit den Städten als «sehr herausfordernd». «Die Argumentationen haben immer wieder geändert.» Aus Schaffners Sicht hat die Regierung ein «faires und angemessenes Angebot» gemacht, denn dem Regierungsrat sei es wichtig, die Zusammenarbeit fortzuführen. Unter dem Strich erhält bei ihrer Rechnung die Stadt Solothurn um 47 Prozent höhere Abgeltungen als heute, Grenchen 20 Prozent. Denn der Regierungsrat bot den Städten an, dass sie weniger Personal für die gemeinsamen Patrouillen beisteuern müssten. So könnten beide Städte 150'000 Franken Personalkosten sparen. Ein Angebot, dass diese jedoch ablehnen.

Für Schaffner ist klar: Laut Gesetz muss der Kanton die Städte für ihre Polizeiarbeit angemessen abgelten. «Angemessen abgelten heisst nicht voll finanzieren», sagt Schaffner. Und: «Der Kanton muss für Doppelspurigkeiten nicht aufkommen.» Die Städte hätten viele Vorteile und Freiräume durch eine eigene Polizei. Man könne nicht verlangen, dass der Kanton dies bezahle.

Die Situation scheint verworren. Städte und Kanton haben gar eine Analyse zu den Aufwänden und Leistungen der Korps erarbeiten lassen. Nur: Beide Seiten sehen darin ihre Sicht der Dinge bestätigt und werfen der Gegenseite vor, Ergebnisse aus dem Bericht zu negieren.

Nun entscheiden die Gemeinderäte von Solothurn und Grenchen über den «aufgezwungenen» Vertrag. Alles andere als ein Ja dürfte zu einer ungewissen Situation für die Stadtpolizisten Ende Jahr führen. «Ich bin überzeugt, dass die Städte eine Lösung wollen», sagt Regierungsrätin Schaffner. «Unser Goodwill wird ausgenützt», sagt Scheidegger. Das Wort «erpresserisch» will er bewusst nicht verwenden.